Geldwäsche: Vom Zoll beschlagnahmtes Geld
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Kampf gegen Geldwäsche Millionenvorhaben zur Geldwäschebekämpfung gestoppt

Stand: 26.09.2023 20:10 Uhr

Das neue Bundesfinanzkriminalamt solle ein "Meilenstein" in der Bekämpfung der Geldwäsche werden, so versprach es Finanzminister Lindner. Jetzt wurde nach Kontraste-Informationen ein digitales Schlüsselprojekt im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro gestrichen.

Von Sascha Adamek, RBB

Ein Programm hätte künftig verdächtige Finanztransaktionen aufspüren sollen - mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Nun wird es offenbar gar nicht erst entwickelt. Das zentrale Vorhaben zur Bekämpfung von Geldwäsche im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro ist nach Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste dem Spardruck zum Opfer gefallen.

Die Financial Intelligence Unit (FIU), die dem Bundesfinanzministerium untersteht, hatte 2021 über das "Informationstechnikzentrum Bund" (ITZ Bund) die Ausschreibung für das geplante Programm auf den Weg gebracht. Sie trägt den Titel "Erneuerung des Informationsverbundes FIU". Laut Dokumenten, die Kontraste vorliegen, hat das ITZ Bund das Verfahren am 1. September gestoppt. Zur Begründung heißt es darin: "Haushaltsmittel für das Projekt sind nachträglich fortgefallen."

Auf Anfrage antwortete die für die FIU zuständige Generalzolldirektion, sie könne "keine Auskünfte zum Stand des Vergabeverfahrens erteilen". Zwischen den Bietern und den Vergabestellen werde im Bereich von Verteidigung und Sicherheit grundsätzlich "Vertraulichkeit" vereinbart. Das Bundesfinanzministerium teilte mit, man habe "keine Ergänzungen zur Antwort der Generalzolldirektion".

Scholz betonte Relevanz des Projekts

Wie relevant das Thema für die Bekämpfung der Finanzkriminalität ist, hatte bereits der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz kurz vor der Bundestagswahl 2021 im Finanzausschuss klargestellt. Bei der Geldwäschebekämpfung werde man ohne ausgereifte "KI-Tools auf Weltniveau" nicht in der Lage sein, die zur Verfügung stehenden Daten angemessen zu bewerten.

Banken und andere sogenannte "Verpflichtete" wie Notare melden immer mehr verdächtige Transaktionen an die FIU, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. 2021 waren es fast 300.000 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU eingingen. Diese Finanztransaktionen werden daraufhin geprüft, ob sie auf kriminelle Handlungen zurückgehen.

Dabei ist ein Abgleich mit Polizeidatenbanken und Einwohnermeldedaten notwendig - ein komplexer Vorgang, bei dem die Experten erwarten, dass er durch ein KI-basiertes Programm weit effizienter zu leisten ist. Bislang war es bei der Bearbeitung von Verdachtsfällen auf Geldwäsche in der zuständigen FIU immer wieder zu großen Rückständen gekommen, was vor allem mit der händischen Bearbeitung und fehlenden Zugängen zu Polizeidatenbanken zu tun hat.

"Gefährdung der Inneren Sicherheit"

Der Geldwäscheexperte Andreas Frank kritisierte den Stopp des Vergabeverfahrens gegenüber Kontraste jetzt als "Gefährdung der Inneren Sicherheit", denn organisierte Kriminalität und Terrorfinanziers könnten weiterhin Geld waschen und schleusen. Zudem sei der Vorgang eine "unglaubliche Steuerverschwendung".

Zeitweise sollen nach Kontraste-Informationen bis zu 50 Personen allein vonseiten des Bundes an dem zweijährigen Verfahren beteiligt gewesen sein. Die Ausschreibung soll rund 1.000 Seiten und einen Anforderungskatalog mit mehr als 2.800 digitalen Funktionen umfasst haben. Offenbar waren die Anforderungen so umfangreich, dass sie am Ende den Finanzrahmen des Bundes sprengten.

"Dämpfer für die Arbeit der FIU"

Der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, kritisierte gegenüber Kontraste, dass es bald ein Gesetz gebe, das den Einsatz von KI-Programmen in der FIU erlaube - ein solches Programm offenbar aber gar nicht zur Verfügung stehe.

Gegenüber Kontraste erläuterte er seine Bedenken: "Ich möchte keinesfalls den Eindruck erwecken, dass mit einer KI-Software alle Probleme der FIU gelöst würden", aber wenn die Software fehle "wäre das ein Dämpfer für die Arbeit der FIU". Gleichwohl setze er darauf, dass die neue Leitung der FIU mit Hochdruck an Verbesserungen arbeite. Auch setze er auf weitere Verbesserungen im geplanten Gesetz.

Union hat Klärungsbedarf

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums war Ressortchef Christian Lindner in die Entscheidung nicht involviert. Gegenüber Kontraste teilte das Ministerium mit: "Der Minister ist in Vergabeentscheidungen bei der Generalzolldirektion/dem Informationstechnikzentrum Bund grundsätzlich nicht eingebunden."

Matthias Hauer, CDU-Obmann im Finanzausschuss des Bundestages, sagte dazu gegenüber Kontraste: "Bei so maßgeblichen Entscheidungen ist das zumindest ungewöhnlich, wenn der Minister nicht eingebunden wäre." Die Union hat aufgrund der Berichterstattung das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des am Donnerstag tagenden Finanzausschusses gehoben.

In einer früheren Version lautete die Überschrift "Lindner stoppt Millionenvorhaben". Das Bundesfinanzministerium teilte Kontraste dazu heute mit: "Der Minister ist in Vergabeentscheidungen bei der Generalzolldirektion/dem Informationstechnikzentrum Bund grundsätzlich nicht eingebunden."

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. August 2023 um 07:37 Uhr.