Ein Pressesprecher des Zolls Hamburg präsentiert auf einem Medientermin einen kleinen Teil von sichergestelltem Kokain (Archivbild: 2022)
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Rückgang bei Sicherstellungen erwartet Neue Schmuggelmethoden, weniger Kokain-Funde

Stand: 31.10.2024 06:38 Uhr

2023 sorgten Rekord-Funde geschmuggelten Kokains in europäischen Seehäfen für Aufsehen. Kontraste-Recherchen zufolge erwartet das BKA für 2024 rückläufige Zahlen. Der Grund: Banden nutzen neue Methoden, mit denen das Kokain kaum noch aufspürbar ist.

Von Sascha Adamek und Daniel Schmidthäussler, rbb

Im vergangenen Jahr konnten Zoll und Polizei in Deutschland Rekordmengen an Kokain sicherstellen - vor allem im Hamburger Hafen. Für das laufende Jahr stellt sich das Bundeskriminalamt (BKA) jedoch auf deutlich geringere Beschlagnahmungen ein.

"Die Sicherstellungszahlen gehen runter", sagt Hans-Joachim Leon, Leiter der Drogenbekämpfung des BKA im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste. Es zeichne sich ab, dass in den Häfen Rotterdam, Antwerpen und auch Hamburg die Sicherstellungsmengen niedriger ausfallen werden als im vergangenen Jahr. "Das spricht dafür, dass neue Wege genutzt werden, um das Kokain nach Europa zu bringen", so Leon.

Der deutsche Zoll und die Zollfahndung Hamburg wollen diese Zahlen momentan nicht kommentieren und verweisen auf die offizielle Statistik, die wohl erst im April 2025 durch den Bundesfinanzminister veröffentlicht wird.

Kein Hinweis auf weniger Drogenschmuggel

Für die Aussage des BKA sprechen Veröffentlichungen aus Belgien und den Niederlanden: Die beiden Haupteinfuhrhäfen für Kokain nach Europa, Antwerpen und Rotterdam, haben bereits einen drastischen Einbruch bei der Sicherstellung im ersten Halbjahr 2024 öffentlich gemacht.

Der niederländische Zoll spricht von einem Rückgang von rund 40 Prozent. Nach 28 Tonnen im ersten Halbjahr 2023, sind es im selben Zeitraum 2024 nur noch 16 Tonnen. Die belgischen Behörden verzeichnen für den Vergleichszeitraum im Hafen von Antwerpen einen Rückgang von 43 auf 22 Tonnen, fast eine Halbierung der Menge.

Die geringeren Sicherstellungsmengen sollen jedoch keineswegs auf einen eingebrochenen Drogenschmuggel aus Südamerika zurückzuführen sein, sondern vielmehr auf die Anpassungsfähigkeit der transnationalen organisierten Kriminalität. Sowohl das Kokain-Angebot als auch der -Preis und auch die Reinheit der Drogen sind laut BKA weitgehend stabil geblieben.

Neue Methoden erschweren Funde

Die Ermittlungsbehörden sind dabei offenbar Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Die Täter reagierten auf die Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, indem neue Wege genutzt würden, um das Kokain außerhalb des Container-Handels nach Europa zu bringen, sagt Ermittler Leon.

Eine Möglichkeit sind sogenannte Drop-Offs. Bei dieser Methode wird das Kokain erst gar nicht mit dem Schiff in den Hafen gebracht, sondern vor der Küste abgeworfen und dann von Fischerbooten aufgesammelt. Eine riskante Methode, da das Verlust- und Entdeckungsrisiko dabei sehr hoch ist. Dass so die Mengen des "klassischen" Container-Schmuggels erreicht werden könnten, ist jedoch unwahrscheinlich.

Kokain eingewaschen in Jeans geschmuggelt

Eine andere Möglichkeit bietet die chemische Umwandlung des Kokains vor der Verschiffung. So wurde Kokain schon in Holzpellets, Kohle oder sogar eingewaschen in Jeans gefunden.

Das Kokain wird dabei chemisch so verändert, dass es quasi nur mit einem chemischen Schlüssel wieder zurückgewonnen werden könne, erklärt Leon. Dann sei es mit den derzeitigen Methoden kaum noch zu entdecken. Oder aber es wird gleich in den Grundstoffen nach Europa geliefert und erst hierzulande zu Kokain verarbeitet.

Angesichts des Verfolgungsdrucks durch die Sicherheitsbehörden in Südamerika wichen die Kartelle aus, so Leon: Sie würden "natürlich auch outsourcen, wie es jedes Großunternehmen auch machen würde, wenn es irgendwelche Probleme gibt im eigenen Land".

Für die Täter habe das auch weitere Vorteile, sagt Leon gegenüber Kontraste. Rivalisierende Banden hatten in der Vergangenheit häufiger geschmuggeltes Kokain nach der Lieferung in Deutschland entwendet. Wenn es jetzt in Form von Rohstoffen geliefert werde, sei die Gefahr des gegenseitigen Diebstahls geringer, argumentiert der Chef der BKA-Rauschgift-Abteilung. Die Schmuggler hätten dann "die Hand drauf, bis der Rohstoff in Kokain umgewandelt worden ist".

Die Kontraste-Dokumentation "Der Kokainkrieg" ist heute um 21:45 Uhr im Ersten zu sehen oder in der ARD-Mediathek.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das Erste in der Sendung Kontraste am 31. Oktober 2024 um 21:45 Uhr.