Daniela Klette wird zu einem Hubschrauber geführt.
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Beschluss des Bundesgerichtshofes Ex-RAF-Mitglieder dürfen Klette nicht besuchen

Stand: 09.10.2024 06:00 Uhr

Zwei frühere RAF-Mitglieder wollten Daniela Klette in der Untersuchungshaft besuchen. Eine Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof lehnt dies ab, aus Sorge vor versteckten Nachrichten an noch flüchtige mutmaßliche Mittäter oder Hilfe bei Fluchtversuchen.

Von Lea Busch, Florian Flade, Martin Kaul, Antonius Kempmann und Reiko Pinkert, NDR/WDR

Sie ist Deutschlands wohl prominenteste Inhaftierte: Daniela Klette. Sie soll unter anderem an Anschlägen der Roten Armee Fraktion (RAF) beteiligt gewesen sein. Klette befindet sich derzeit in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt für Frauen im niedersächsischen Vechta. Dort darf sie keinen Besuch von ehemaligen RAF-Mitgliedern empfangen, so entschied nun die zuständige Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof.

NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) konnten die Beschlüsse einsehen. Aus ihnen geht hervor, dass den früheren RAF-Terroristen Günter Sonnenberg und Karl-Heinz Dellwo sowie der Bremer Aktivistin Ariane Müller jeweils Haftbesuche bei Daniela Klette untersagt wurden.

Begründet wurden die Beschlüsse damit, dass Klette versuchen könnte, die Besuche zu nutzen, um eine Flucht zu planen oder über die Besucher Kontakt mit ihren noch auf der Flucht befindlichen mutmaßlichen Komplizen aufzunehmen. Schließlich habe Klette ihren mutmaßlichen Komplizen Burkhard Garweg noch nach der Festnahme mit einer SMS vor den Ermittlern gewarnt, heißt es in der Begründung der Ermittlungsrichterin.

Grund für die Entscheidung sind offenbar auch Haftbesuche bei Klette, die das Bundeskriminalamt überwacht hat, seit sie in Untersuchungshaft sitzt. So sei dort unter anderem über eine Geburtstagsfeier bei Günter Sonnenberg gesprochen worden. Unter den Gästen seien auch andere ehemalige RAF-Gefangene gewesen, heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs. Diese Gäste hätten Klette Grüße übermittelt.

Günter Sonnenberg wurde im April 1978 vom Oberlandesgericht Stuttgart zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Bei einer Personenkontrolle in Baden-Württemberg hatte er mehrfach auf Polizisten geschossen und diese verletzt. Im Mai 1992 wurde Sonnenberg auf Bewährung entlassen.

Karl-Heinz Dellwo hatte als Teil eines RAF-Kommandos im April 1975 die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im schwedischen Stockholm angegriffen und Geiseln genommen. Zwei der Geiseln wurden getötet. Dellwo und weiterer RAF-Terroristen wurden zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. 1995 kam er auf Bewährung frei. 

Besuche unter strenger Bewachung

Rechtsanwalt Berthold Fresenius, einer von Daniela Klettes Verteidigern, zeigte sich von der Angst des Bundeskriminalamts überrascht: Laut ihm finden die Besuche immer unter strenger Bewachung statt. Demnach seien neben einem JVA-Beamten "immer zwei Beamte des Bundeskriminalamtes dabei." Außerdem seien Sonnenberg und Dellwo mit 70 beziehungsweise 72 Jahren beide im vorgerückten Alter und die RAF seit einem Vierteljahrhundert aufgelöst.

Dellwo sieht auf Anfrage gar keinen Sinn in einer Befreiung von Daniela Klette. In den 1970er-Jahren hätte er die Befreiung der Gefangenen noch als wichtige Aufgabe gesehen, "weil das unsere Genossen waren und weil wir mit denen weiterkämpfen wollten". Das sei heute anders, die RAF sei "historisch" und "beendet".

Aktivistin verliert Besuchserlaubnis

Die Aktivistin Ariane Müller aus Bremen, die bereits in den vergangenen Monaten mehrfach Solidaritätskundgebungen für Klette organisiert hatte, hatte zunächst eine Dauerbesuchserlaubnis erhalten. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wurde die Besuchserlaubnis nun allerdings Anfang September durch den Bundesgerichtshof verweigert. 

Auch hier sieht die Ermittlungsrichterin die Gefahr, dass die Besuche dazu genutzt werden könnten, eine Flucht Klettes vorzubereiten oder versteckte Botschaften an noch flüchtige Mittäter weiterzugeben.

Brief und Magazine zurückgehalten

Auch ein einzelner Brief treibt offenbar die Ermittlungsbehörden um. Das Schreiben war dem Generalbundesanwalt bei der Postkontrolle, also der Überwachung der ein- und ausgehenden Briefe, aufgefallen. Das geht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes hervor. Demnach bestehe der Brief aus einer Aneinanderreihung nicht zusammenhängender Sätze.

Die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes befürchtet offenbar, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Brief eine versteckte Botschaft enthalten könnte. Daher sei entschieden worden, dass der Generalbundesanwalt eine Übergabe des seltsamen Schreibens an Klette untersagen dürfe. Ebenfalls wurde untersagt, dass Klette mehrere Online- und Magazinartikel bekommen darf, die ihr eine Unterstützerin in das Gefängnis schicken wollte.

Ermittlungen gegen Klette dauern an

Klette war im Februar in Berlin-Kreuzberg festgenommen worden. Die niedersächsische Polizei hatte zuvor einen Hinweis auf den Aufenthaltsort der seit 30 Jahren gesuchten mutmaßlichen Ex-Terroristin bekommen. Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt gegen die 65-Jährige wegen versuchten Mordes und mehrerer schwerer Raubüberfälle, die sie gemeinsam mit den weiterhin flüchtigen RAF-Mitgliedern und Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub zwischen 1999 und 2016 begangen haben soll.

Zudem ermittelt auch der Generalbundesanwalt noch gegen Klette. Es geht um den Vorwurf der Begehung terroristischer Straftaten in den 1990er-Jahren, etwa eines Sprengstoffanschlags auf die Justizvollzugsanstalt im hessischen Weiterstadt im März 1993. Klette wird wie Garweg und Staub von Ermittlern der sogenannten Dritten Generation der RAF zugerechnet.