Elektromobilität Schwere Vorwürfe gegen BMW-Zulieferer
Hohe Umweltstandards und Menschenrechte haben für BMW nach eigener Aussage oberste Priorität beim Rohstoffeinkauf für die Elektroflotte. Recherchen von NDR, WDR und SZ zeigen jedoch massive Probleme bei einer Mine in Marokko, aus der BMW Kobalt bezieht.
Der deutsche Automobilhersteller BMW sieht sich mit Vorwürfen in Zusammenhang mit einem Zulieferer konfrontiert. Nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) steht der Verdacht im Raum, dass der marokkanische Rohstoffkonzern Managem in seiner Mine in Bou Azzer große Mengen giftiges Arsen in die Umwelt gelangen lässt.
Zudem erheben aktuell angestellte und ehemalige Arbeiter der Kobaltmine den Vorwurf, Managem halte internationale Standards zum Schutz von Arbeitern nicht ein und gehe gegen kritische Gewerkschaften vor.
BMW hatte 2020 mit Managem einen Vertrag über 100 Millionen Euro geschlossen. Dieser sieht die Lieferung von Kobalt vor, das BMW für den Bau von Batterien für seine Elektroflotte benötigt. Experten gehen davon aus, dass die geschilderten Zustände in der Mine in Konflikt mit dem deutschen Lieferkettengesetz stehen könnten.
"Nachhaltiges Kobalt"
BMW hatte 2020 die Zusammenarbeit mit dem Rohstoffkonzern Managem bekannt gegeben. In einer Pressemitteilung hatte der deutsche Autobauer seinerzeit erklärt, künftig "nachhaltiges Kobalt" aus Marokko beziehen zu wollen. Insgesamt will BMW etwa 20 Prozent seines Kobalt-Bedarfs über die marokkanische Mine abdecken. Der Konzern hatte den Schritt unter anderem mit dem Ziel einer "ethisch verantwortliche(n) Rohstoffgewinnung" begründet und erklärt, die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten habe für BMW beim Rohstoffeinkauf "oberste Priorität".
Recherchen von NDR, WDR und SZ mit dem französischen Medium "Reporterre" und dem marokkanischen Medium "Hawamich" deuten nun daraufhin, dass aus der Mine Bou Azzer große Mengen Arsen in die Umwelt gelangen. Diesen Verdacht legen die Analysen von Wasser- und Urinproben nahe, die Reporter der Medien im Umfeld der Mine genommen haben. Die Probenuntersuchung wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg begleitet, die die Proben auch analysiert haben.
"Exorbitant" hohe Arsen-Konzentration
Die Mine Bou Azzer liegt im Anti-Atlas Gebirge im Süden des Landes. Erze, die dort unter Tage gefördert werden, beinhalten neben Kobalt auch Arsenid, ein Stoff, der in Verbindung mit Wasser zu giftigem Arsen wird. Recherchen vor Ort zeigen, dass der Minenbetreiber große Mengen Abraum auf dem Minengelände lagert, der dort auch mit Wasser in Berührung kommt. Die Wasserproben in einem Flussbecken unmittelbar unterhalb der Mine zeigen Arsenkonzentrationen von mehr als 18.000 Mikrogramm pro Liter. Der Arsen-Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO für Trinkwasser liegt bei gerade einmal zehn Mikrogramm pro Liter.
Der Chemiker Wolf von Tümpling leitet die Abteilung Wasseranalytik im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und sagte im Interview mit NDR, WDR und SZ, er habe in seinem Berufsleben bislang noch nie solch hohe Arsenwerte in Wasserproben gesehen. "Die Konzentration ist exorbitant hoch und stellt eine Gefährdung dar. Und es ist auf jeden Fall so, dass dort Handlungsbedarf besteht". Selbst in Proben aus einem Wasserbecken in einer etwa zehn Kilometer von der Mine entfernten Oase wiesen noch massiv erhöhte Arsenwerte auf, die die Trinkwassergrenzen der WHO um den Faktor 40 übersteigen.
Mangelnde Aufklärung vorgeworfen
Dort leben Bauern, die mit diesem Wasser ihre Pflanzen bewässern. Auch weil Urinproben von zwei Anwohnern nahe der Mine deutlich erhöhte Arsenwerte zeigen, hält es der Chemiker Wolf von Tümpling für dringend erforderlich, eine großangelegte Untersuchung in der Region durchzuführen. Die Ergebnisse der vorliegenden Analysen deuteten stark darauf hin, dass die Mine die Verschmutzung verursache.
Im Rahmen der Recherchen konnten die Reporterinnen und Reporter auch mit rund einem Dutzend ehemaligen und aktuellen Arbeitern der Mine Bou Azzer sprechen sowie mit mehreren Gewerkschaftsvertretern. Alle Gesprächspartner erhoben dabei den Vorwurf gegen Managem, dass Arbeiter in der Mine beschäftigt würden, ohne zuvor geschult oder über mögliche Gesundheitsrisiken aufgeklärt worden zu sein.
Auch gebe es vor Ort nicht genügend Schutzausrüstung für die Arbeiter. Subunternehmen des Minenbetreibers stellten Arbeitern dabei oftmals Verträge mit besonders kurzer Laufzeit aus. Im Falle berufsbedingter Erkrankungen wie einer Staublunge würden Arbeiter in der Regel ohne soziale Absicherung entlassen. Vertreter der marokkanischen Gewerkschaft CDT erklärten im Interview zudem, dass Managem gegen kritische Gewerkschaften vorgehe. Minenarbeiter könnten heute faktisch nicht mehr Mitglied der linksgerichteten CDT-Gewerkschaft sein.
Managem weist Vorwürfe zurück
Auf Nachfrage wies Managem alle Vorwürfe zurück und erklärte, dass sowohl die Betreiberfirma der Mine als auch die dort tätigen Subunternehmen hohe Arbeits- und Sozialstandards einhielten. Insbesondere achte man auf ein umfangreiches Training für alle Arbeiter und darauf, die notwendige Schutzausrüstung bereitzustellen. Zudem wies der Sprecher darauf hin, dass eigene Untersuchungen keinerlei Arsenbelastungen für die Umwelt oder die Anwohner festgestellt hätten, die auf die Mine zurückzuführen seien. Arbeiter würden regelmäßig medizinisch untersucht.
Der Fall der marokkanischen Kobaltmine könnte für BMW auch juristische Konsequenzen haben. Seit Anfang 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettengesetz. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen dazu, die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards von Zulieferern besonders genau zu prüfen und gegebenenfalls auf Verbesserungen hinzuwirken.
"Umfassende Prüfung eingefordert"
Die Wirtschaftsjuristin Stefanie Lorenzen erklärte im Interview mit NDR, WDR und SZ, dass die Prävention im Lieferkettengesetz bereits mit der Auswahl des Vertragspartners beginne. Wenn Anhaltspunkte dafür auftauchten, "dass die Arbeitssicherheit nicht gewährleistet ist, dann müsste BMW da eintauchen und tätig werden".
Die Firma Managem ist überwiegend im Besitz des marokkanischen Königshauses. Unlängst unterzeichnete auch der französische Autohersteller Renault mit Managem eine Absichtserklärung zum Kauf von Kobalt. Ein Sprecher erklärte, Renault lege bei der Auswahl von Zulieferern großen Wert auf die Nachhaltigkeit.
Ein Sprecher von BMW erklärte, man nehme alle Vorwürfe ernst und sei dazu mit Managem im Austausch. Bereits in der Vergangenheit habe man mit Managem Kontakt aufgenommen und über negative Berichte gesprochen. In diesem Zusammenhang habe BMW auch umfangreiche Dokumente angefordert. Aufgrund der aktuellen Ergebnisse der von der Recherchekooperation beauftragten Wasseranalyse habe man von Managem "eine umfassende Prüfung eingefordert". Sollte ein Fehlverhalten von Managem vorliegen, würde die BMW Group "sofortige Gegenmaßnahmen einfordern".