Vergütung von Führungskräften ARD-Spitzen wussten seit Jahren von rbb-Bonussystem
Der rbb hat die ARD früh über sein Bonussystem für Führungskräfte informiert. Das geht aus einem internen Schreiben hervor. Der ARD-Vorsitzende Buhrow bestreitet, von den Boni gewusst zu haben.
Bereits im März 2018 hat die rbb-Spitze die ARD über die Einführung eines Bonussystems für Führungskräfte informiert. Dem rbb-Rechercheteam* liegt ein Schreiben vor, das über "ein neues Vergütungssystem für außertariflich Beschäftigte" informiert. Es ist auf den 15. März 2018 datiert und nennt den 1. April zwei Wochen darauf als Datum der Einführung des neuen Systems.
Die Pressestelle des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) bestätigte am Dienstagmorgen die Existenz eines solchen Schreibens. Auch der Westdeutsche Rundfunk (WDR) räumte ein: "das [...] genannte Schreiben wurde 2018 an alle Intendantinnen und Intendanten sowie an die Gremien verschickt". Der Sender hat aktuell den Vorsitz innerhalb der ARD und spricht im Namen aller Landesrundfunkanstalten.
Der WDR hat im August aufgrund der Schlesinger-Affäre kurzfristig den ARD-Vorsitz übernommen. Tom Buhrow, seit 2013 WDR-Intendant, hat bislang mehrfach öffentlich beteuert, ihm sei das Bonussystem nicht bekannt gewesen. Die Pressestelle seines Senders teilte nun mit, es sei in der Kommunikation mit dem rbb nie von "Boni" die Rede gewesen. Weder das Ausmaß der zusätzlichen Zahlungen sei erwähnt worden, "noch die Tatsache, dass diese Zahlungen nicht transparent gemacht wurden".
Intendanzen und Kontrollgremien wurden informiert
Unterzeichnet haben das Schreiben die mittlerweile fristlos entlassene rbb-Intendantin Patricia Schlesinger sowie Wolf-Dieter Wolf, bis vor Kurzem noch Vorsitzender des Verwaltungsrats.
Explizit als Adressaten genannt werden im Anschreiben der damalige ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, 2018 Intendant des Bayerischen Rundfunks, Wilhelms Vorgängerin im ARD-Vorsitz, Karola Wille, Intendantin des MDR, sowie Lorenz Wolf, damals Vorsitzender des BR-Rundfunkrats.
In dem Schreiben wird die grundsätzliche Ausgestaltung des Bonussystems dargestellt. Künftig sollte demnach die Geschäftsleitung - also die Direktoren sowie die Intendantin - von einem "variablen Vergütungssystem" profitieren. Dieses wird als "Kernbestandteil" bezeichnet.
Grundsätzliche Funktion des rbb-Bonussystems dargestellt
Bereits unter Schlesingers Vorgängerin existierten beim rbb leistungsabhängige Boni. Allerdings konnte davon nur das mittlere Management des Senders profitieren - die Hauptabteilungsleiter. Die potenziellen Prämien waren zudem weitaus niedriger, die Ziele angeblich schwerer zu erreichen. Dieses System werde nun "modernisiert", teilten Schlesinger und Wolf-Dieter Wolf damals mit.
In dem Schreiben schildern sie, dass es für die Geschäftsleitung sowohl einen Malus als auch einen Bonus geben kann, abhängig von der Erfüllung definierter Vorgaben: "Bei Nichterreichen der Ziele verlieren die Geschäftsleitungsmitglieder mehr als acht Prozent ihres Basisgehalts, bei voller Zielerreichung können sie mehr als 10 Prozent hinzugewinnen."
Arbeitsrechtlich ist es unerheblich, ob zusätzliche Gehaltsanteile als Prämie, Provision, Sonderzahlung, leistungsabhängige Vergütung oder als Bonus bezeichnet werden. All diese Begriffe bezeichnen grundsätzlich dasselbe: Zahlungen, zusätzlich zu einem Grundgehalt und gebunden an vereinbarte Bedingungen.
"Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmalig"
In dem Schreiben heißt es, mit diesem "im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmaligen" System werde der rbb sich "im außertariflichen Bereich […] den Entlohnungsgrundsätzen der freien Wirtschaft" annähern. Auf diese Weise werde der Sender "die Leistungsbereitschaft und Motivation seiner Führungskräfte" fördern.
Basis sei das Konzept einer externen Consultingfirma, so Schlesinger und Wolf an die übrigen ARD-Oberen. Der Text endet mit einem Angebot: "Für detaillierte Auskünfte stehen wir ihnen gern zur Verfügung."
Frühere Amtskolleginnen und -kollegen auf Distanz
Nach der Abberufung von Schlesinger als Intendantin im August distanzierten sich ihre früheren Amtskolleginnen und -kollegen in den anderen Landesrundfunkanstalten von der verbliebenen rbb-Geschäftsleitung. "Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt", ließ sich Buhrow in seiner Funktion als ARD-Vorsitzender dazu zitieren.
Mangelnde Aufklärung über das Bonussystem soll bei diesem Schritt eine Rolle gespielt haben, berichtete die Nachrichtenagentur dpa damals. Noch am Freitag wiederholte Buhrow vor dem Medienausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt seine Aussage, von jenem Bonussystem erst im Zuge des Skandals um Schlesinger erfahren zu haben. Neben Buhrow stand am Freitag unter anderem die Intendantin des MDR, Karola Wille, den Abgeordneten in Magdeburg Rede und Antwort.
Laut der "Mitteldeutschen Zeitung" sagte Buhrow, dass leistungsabhängige Zahlungen vorher nur während eines Treffens der Personalleitungen von ARD und ZDF zur Sprache gekommen seien. Aufgedeckt hatte dies zuvor das ZDF-Magazin "Frontal".
"Landesrundfunkanstalten entscheiden autonom über Gehaltsgefüge"
Am Dienstagmittag teilte die WDR-Pressestelle mit, der rbb habe der ARD "verschiedentlich" von der Einführung variabler Gehaltsbestandteile berichtet. "Das Ausmaß dieser zusätzlichen Zahlungen ist dabei nicht deutlich geworden. Selbst nach Bekanntwerden der Zahlungen wurde bestritten, dass es sich um zusätzliche Boni gehandelt hat."
Weiter heißt es: "Die Einführung variabler Gehaltsbestandteile beim rbb wurde auch deshalb in der ARD nicht weiter vertieft, da alle Landesrundfunkanstalten autonom über ihr Gehaltsgefüge entscheiden."
Der rbb-Verwaltungsrat hat inzwischen beschlossen, das Bonussystem für die Senderspitze abzuschaffen. Die Mitglieder der Geschäftsleitung sollen künftig keine entsprechenden Zahlungen mehr erhalten, bestehende Verträge sollen nach Möglichkeit angepasst werden.
*Das rbb-Rechercheteam besteht aus René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer und Oliver Noffke. Es recherchiert zu den Vorwürfen gegen die rbb-Spitze, arbeitet selbstständig, unabhängig und ist nicht an Weisungen gebunden.