Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration in Bautzen
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Angriffe auf CSD-Umzüge Queere Szene im Visier gewaltbereiter Rechtsextremisten

Stand: 24.10.2024 12:22 Uhr

Rechtsextreme Störaktionen gegen Umzüge zum Christopher Street Day hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Bundesinnenministerium zeigt sich besorgt, wie ein Schreiben verdeutlicht, das Report Mainz vorliegt.

Von Philipp Reichert, SWR

Die queere Szene rückt zunehmend in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten - eine Entwicklung, die die Bundesregierung mit Sorge betrachtet. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Misbah Khan hervor, die dem ARD-Politikmagazin Report Mainz vorliegt.

Demnach beobachtet das Ministerium seit Jahren ein steigendes Niveau verbaler Angriffe auf die queere Szene. Insbesondere seit Juni dieses Jahres erkenne man jedoch eine vermehrt "realweltliche und physisch-gewaltorientierte" Fokussierung, zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day (CSD). Dies sei eine "besorgniserregende Entwicklung", schreibt das Bundesinnenministerium.

Rechtsextreme Kundgebungen mit Hunderten Teilnehmern

Nach eigenen Angaben zählte das Ministerium zwischen Juni und September 2024 bundesweit rund 20 Kundgebungen, die sich gegen CSD-Veranstaltungen richteten. Diese seien entweder von Rechtsextremisten organisiert worden oder von diesen dominiert gewesen. Besonders hervorzuheben seien Aktionen in Bautzen, Leipzig, Magdeburg und Zwickau, wo Hunderte Menschen die Umzüge zum Christopher Street Day gestört hatten. Diese konnten teilweise nur unter Polizeischutz stattfinden.

Allein in Bautzen hatten sich an den Protesten mehr als 700 Menschen beteiligt, in Zwickau waren es etwa 480, in Leipzig mehr als 300. Darunter seien vor allem Anhänger der gewaltorientierten rechtsextremen Szene gewesen. Dieses stellenweise hohe Mobilisierungspotenzial sei "bemerkenswert", so die Bewertung des Ministeriums.

Polarisierung der Gesellschaft erhofft

Organisiert und beworben würden die CSD-Störaktionen von klassischen rechtsextremen Akteuren, etwa von Parteien wie "Der Dritte Weg" und "Freie Sachsen". Zudem würden vermehrt gewaltorientierte Online-Gruppierungen in Erscheinung treten. Zur Anzahl der Straftaten gegen CSD-Veranstaltungen konnte das Ministerium nach eigenen Angaben keine Auskunft geben.

Viele Rechtsextremisten lehnen sexuelle Vielfalt und Diversität aufgrund ihrer Weltanschauung ab. Sie sehen Heterosexualität und traditionelle Familienmodelle als "natürlich" an. Diese Positionen gelten zwar nicht per se als rechtsextremistisch. Allerdings versucht die Szene nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums das Thema ideologisch zu besetzen.

Dabei knüpften Rechtsextremisten die Ablehnung moderner Geschlechterverständnisse an ein Weltbild, das von Rassismus und Nationalismus geprägt sei. Teile der Szene erhofften sich zudem, mit Hilfe des Themas zu polarisieren und auch im bürgerlichen Spektrum Anhänger zu finden.

"Unmittelbare Gefährdung queerer Menschen"

Die Grüne-Bundestagsabgeordnete Misbah Khan hatte Ende September die Anfrage an des Bundesinnenministerium zu rechtsextremen Protesten gegen CSD-Kundgebungen gestellt. Khan spricht gegenüber Report Mainz von einer beunruhigenden Entwicklung und einer unmittelbaren Gefährdung queerer Menschen.

"Wenn wir eine rechtsextreme und in Teilen gewaltbereite Szene haben, die sich an die Spitze der queerfeindlichen Bewegung stellt, muss uns das Sorge machen". Es sei gut, dass die Bundesregierung diese Radikalisierung zur Kenntnis nehme. Jetzt müsse man politische Antworten finden. Dass das geplante Demokratiefördergesetz seit anderthalb Jahren auf Eis liege, sei "ein Unding", so Khan.

Die Ampel-Parteien hatten das Gesetz im Koalitionsvertrag angekündigt. Es soll beispielsweise Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie und die Prävention von Extremismus einsetzen, künftig mit einer besseren finanziellen Grundlage ausstatten.