Brasilianisches Naturschutzgebiet Stecken Farmer hinter den Bränden?
Greenpeace hat 15 brasilianische Rinderzüchter identifiziert, die mitverantwortlich für die Pantanal-Brände 2020 sein sollen. Fleisch dieser Farmer könnte auch auf deutschen Tellern gelandet sein.
Neben verbrannten Urwaldstämmen keimen wieder neue Triebe. Grüne Blätter wachsen dort, wo vor wenigen Monaten noch heiße Flammen loderten. Nur langsam erholt sich das Feuchtgebiet Pantanal von den schlimmsten Bränden seit den 1960er Jahren. 3,9 Millionen Hektar Urwald und Buschland wurden zerstört - mehr als ein Fünftel des größten Binnen-Feuchtgebiets der Welt. Ameisenbären, Affen und andere Tiere kamen in den Flammen um. Jaguare konnten mit verbrannten Pfoten gerettet werden.
In erster Linie waren es klimatische Faktoren, die das Ausmaß dieser Brände verursacht haben. Seit Jahrzehnten hatte im Pantanal nicht mehr eine derartige Trockenheit geherrscht. Flüsse, die sonst ganze Landstriche überschwemmt hatten, blieben in ihrem Bett. Grund waren extrem geringe Niederschläge in der Regenzeit gewesen. Dies sei durch die zunehmende Abholzung des Amazonas-Regenwalds weiter nördlich verursacht worden, sagt der Biologe Rogerio Rossi von der Universität Mato Grosso. "Wenn es wegen der Amazonas-Abholzung im Norden weniger regnet, hat das dann weniger Regen und extreme Trockenheit auch im Pantanal zur Folge, wodurch sich die Zahl der Brände erhöht."
Mensch mitverantwortlich für Ausmaß der Brände
Nun legt eine Studie der Umweltschutz-Organisation Greenpeace nahe, dass auch der Mensch für die Anzahl und das Ausmaß der historischen Brände mitverantwortlich sein könnte. Greenpeace hat in seiner Recherche 15 brasilianische Rinderzüchter identifiziert, die in Zusammenhang mit den verheerenden Bränden stehen sollen. Die Aktivitäten dieser Farmen wurden über mehrere Monate beobachtet. Sämtliche Betriebe, die sich am Rand des Pantanal-Gebiets befinden, waren in der Vergangenheit bereits durch Umweltverstöße oder Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung ihrer Grundstücke aufgefallen.
"Wir haben die Grundstücke dieser Farmen mit den GPS-Daten der brasilianischen Raumfahrtbehörde abgeglichen, die die Waldbrände mit Hilfe von Satelliten exakt verfolgt", erklärt Gesche Jürgens von Greenpeace. Dabei habe man auf den Grundstücken dieser Farmen Brände auf einer Fläche von "mehr als 70.000 Hektar" entdeckt. Dies entspricht knapp der Fläche der Stadt Hamburg.
Landwirte wollen Flächen ausweiten
Die Feuer im Pantanal waren an wenigen Orten entstanden, hatten sich dann blitzschnell vergrößert und durch die staubtrockene Landschaft gefressen. So wurden auch geschützte Naturreservate zerstört, in denen die größte Artenvielfalt Südamerikas anzutreffen ist. Touristen auf Booten können hier Jaguare in freier Wildbahn beobachten.
Biologen und Umweltschützer kritisieren seit Jahren den Druck von Landwirten, die im Pantanal ihre Flächen ausweiten wollen. Unterstützt werden sie dabei von der Bolsonaro-Regierung, die während der Brände im vergangenen Jahr den polemischen Vorschlag machte, mehr Urwald in Agrarland umzuwandeln, weil dies Brände verhindere.
Großschlachter beliefern deutsche Händler
Greenpeace hat in seiner Studie die betroffenen Farmen genau untersucht und deren Lieferketten nachvollzogen. So gehe das Fleisch dieser Betriebe an die drei großen Schlachtereien Brasiliens - JBS, Marfrig und Minerva. Greenpeace wirft den Schlachtern vor, bei den Farmern Fleisch zu kaufen, die für die verheerenden Brände mitverantwortlich sind. Diese Großschlachter beliefern auch deutsche Fleischhändler. So könnte also Fleisch, das mit den Waldbränden in Verbindung steht, auch auf deutschen Grills und Tellern gelandet sein.
Gesche Jürgens hat als Importeure des brasilianischen Fleisches die deutschen Unternehmen Frostmeat, Meat2000, Fritz Vieh und Tönnies identifiziert. So hätten die deutschen Fleischhändler zwischen Januar 2019 und Oktober 2020 insgesamt 4.426 Tonnen Rindfleisch von den brasilianischen Fleischverarbeitungsbetrieben importiert. Der Wert habe bei etwa 23 Millionen Euro gelegen. Ein Drittel davon sei an die Frostmeat Fleischhandelsgesellschaft gegangen.
Nach Veröffentlichung dieses Beitrags auf tagesschau.de hat JBS, der größte Fleischproduzent der Welt, zu den Vorwürfen Stellung genommen. JBS weist die Greenpeace-Recherche zurück. Greenpeace bringe in irreführender Weise Fleischlieferungen aus dem Jahr 2018 und 2019 mit den Bränden des Jahres 2020 in Verbindung. JBS erklärt, alle Lieferanten hätten die "strikten sozioökologischen Kriterien und Protokolle" eingehalten, die mit der Justiz vereinbart wurden. Um das sicherzustellen, überwache man 50.000 Lieferanten tagesaktuell.
JBS räumt allerdings auch ein, dass eine lückenlose Verfolgung der Lieferketten in Brasilien derzeit noch nicht möglich sei. Erst ab 2025 könne man garantieren, dass kein Fleisch von Tieren, die auf illegal gerodeten Flächen gehalten wurden, in die Lieferkette gelange. Diese Verpflichtung gilt allerdings nur für das Amazonasgebiet, nicht für das Pantanal.
Keine Antwort der Fleischimporteure
Der in die Schlagzeilen geratene Betrieb Tönnies habe im besagten Zeitraum 166 Tonnen Fleisch von den brasilianischen Verarbeitungsbetrieben gekauft. Die deutschen Fleischimporteure wollten zu den Vorwürfen von Greenpeace keine Stellungnahme abgeben. Dass ein Teil ihrer Ware womöglich von Farmern kommt, die am Wald zündeln, ist ihnen keine Antwort wert.
Die brasilianischen Farmer sagen, allein die extreme Dürre sei schuld an den Feuern. Trotzdem gehen Experten davon aus, dass die meisten Brände von Menschen gelegt wurden. Vermutlich, um Äcker und Weideland von Pflanzenresten zu befreien - so wie es in tropischen Gegenden üblich ist. Doch diese Feuer waren im vergangenen Jahr ausdrücklich verboten und sie griffen auch auf unberührtes Buschland über, bis große Teile des Pantanal in Flammen standen.
Klimaforscher macht Menschen verantwortlich
Der Polizeisprecher der Stadt Corumbá sagte damals: "Wir haben verschiedene Ursprungsorte der Feuer entdeckt, die jeweils auf den Farmen begannen. (…) Wir vermuten, dass in diesen Fällen das Feuer benutzt wurde, um neue Weideflächen zu schaffen." Der renommierte Klimaforscher Carlos Nobre geht davon aus, dass "alle Urwald-Brände von Menschen ausgehen."
Greenpeace-Sprecherin Jürgens sieht ein "Versagen der Fleischverarbeitungsindustrie bei der Einhaltung angemessener Sorgfaltspflichten." Dies sei fatal vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern, zu denen Brasilien gehört. Beide Regionen wollen ihre Handelsströme ausbauen und Zölle senken. In Südamerika verspricht man sich dadurch vor allem mehr Agrarexporte in die EU. Das Abkommen droht also, die Rinderzucht anzukurbeln - dabei ist das einer der Haupttreiber der Zerstörung von einzigartigen Ökosystemen wie dem Pantanal.