Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
kommentar

Entscheidung zum BKA-Gesetz Kluges Urteil in einer Zeit der Extreme

Stand: 01.10.2024 17:56 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht beurteilt das BKA-Gesetz als in Teilen verfassungswidrig. Eine effektive Terrorbekämpfung durch die Polizei wird dadurch nicht verhindert - vielmehr ist das Urteil ein notwendiges Korrektiv.

Ein Kommentar von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

Die Rechtsanwältinnen und Fußballfans, die geklagt hatten, machen sich Sorgen, dass der Staat zu viele Daten von zu vielen Menschen sammelt. Derzeit kann es einen aber auch beruhigen, wenn Polizeibehörden sich beim Datensammeln austauschen. Derzeit - also in einer Zeit, in der islamistischer und rechtsextremer Terror immer und immer wieder unschuldige Menschen heimsucht.

Wo gewalttätige junge Männer ihre Sehnsucht nach unangefochtener Männlichkeit mit Religionen oder rechter Ideologie aufpumpen, von Feindbildern leben und mit dem Messer oder der Schusswaffe auf die losgehen, die sie hassen wollen - ob in Solingen oder in Hanau. Dieser Terror radikalisiert und vernetzt sich über das Internet.

Sicherheitsbehörden können uns nur dann schützen, wenn sie Bescheid wissen über die Gefahr, wenn sie Daten über Straftäter und Gefährder sammeln und ihre Informationen auch austauschen. Deshalb ist es gut, dass die Verfassungsrichterinnen und -richter den polizeilichen Instrumentenkasten für das Datensammeln nicht schließen.

Terrorbekämpfung und Rechtsstaat sind keine Gegensätze

Urteile zu den Befugnissen der Polizei gibt mittlerweile viele. Das feine Zeichnen der verfassungsrechtlichen Grenzlinie zwischen Freiheit und Sicherheit mag manchem kleinlich und sehr rechtstechnisch vorkommen. Der Gesetzgeber gibt der Polizei neue Instrumente in die Hand und Karlsruhe pickt danach immer wieder einzelne Instrumente aus dem Kasten. Für Nicht-Juristen schwer zu erklären.

Und dennoch: Urteile wie nun das zum BKA-Gesetz, das der Polizeiarbeit rechtsstaatliche Grenzen setzt, sind, man möchte fast sagen, Gold wert. Gerade in diesen Zeiten. Denn Karlsruhe verhindert es ausdrücklich nicht, dass vernetzte Polizeidatenbanken entstehen. Das Gericht sorgt aber dafür, dass der Staat beim Kampf gegen den Terror, die Freiheit und die freiheitlichen Werte nicht vergisst, die der extremistische Terror unserer Zeit gerade angreift. Terrorbekämpfung und Rechtsstaat sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich.

Ein Urteil voller kluger Abwägungen

Dieser Grundsatz ist leider nicht mehr selbstverständlich. In der Migrationspolitik erleben wir, dass nicht nur rechtsradikale, sondern auch bürgerliche Politiker dagegen Stimmung machen, dass die Politik an das Recht gebunden ist. Verfassungsgericht und Menschenrechte werden madig gemacht nach dem Motto: Das Recht verhindert, was die Mehrheit will - in der Asylpolitik wie beim Kampf gegen den Terror. Aber: Das Recht ist gerade die Basis jeder Politik, die Freiheit und Sicherheit in ein gutes Verhältnis bringen will.

Ein Beispiel aus dem heutigen Urteil: Manche Daten von Verdächtigen will die Polizei länger in ihren Datenbanken behalten, um schwere Straftaten oder Terror in Zukunft zu verhindern. Das ist wichtig. Wichtig ist aber auch, das Daten nicht ohne Grund lange in Datenbanken gespeichert werden, ohne dass man sie braucht. Das greift zu sehr in Grundrechte ein. Deshalb fordert Karlsruhe: Daten dürfen nur länger gespeichert werden, wenn es eine Prognose gibt, dass der Beschuldigte auch wirklich gefährlich ist. Und wenn es klare Regeln zur Löschung von Daten gibt.

Das heutige Urteil enthält viele solcher detailreichen und klugen Abwägungen. Sie sind Gold wert, in einer Zeit der Extreme, wo viele sehr schnell nach der einfachen Lösung schreien, die es nicht gibt.

Redaktioneller Hinweis

Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.