Nach Sturz Assads Eine geschmacklose Migrationsdebatte
Nach dem Machtwechsel in Syrien wird in Deutschland über den Umgang mit Geflüchteten diskutiert. Statt reflexhaft über Asylbescheide, sollte man über Wiederaufbau, Unterstützung und kluge Diplomatie reden.
Warum differenziert, wenn es auch einfach geht? Warum menschlich, wenn der Reflex, die niedersten Instinkte zu bedienen, so übermächtig ist? In Syrien ist der Schlächter Baschar al-Assad Geschichte. Und hier? Wird über Rückführungen und Abschiebungen geredet und darüber, wie wir die Syrer bei uns jetzt möglichst schnell loswerden.
Warum eigentlich ist es hierzulande so schwer, sich über den Fall Assads zu freuen? Vielleicht auch mit den vielen Hunderttausend Syrerinnen und Syrern einfach mal zu feiern?
Willkommen im Deutschland des Jahres 2024
Ohnmächtig schaute der UN-Sicherheitsrat einst zu, wie Assad Fassbomben auf sein Volk werfen - Giftgas, Chlorgas einsetzen und sein Volk verrecken, Aleppo wie im Mittelalter belagern, die Menschen aushungern und foltern ließ.
Sechs Millionen Flüchtlinge waren das Ergebnis. Hunderttausende Tote. Damals war Syrien für viele Deutsche erst ein Thema, als die ersten Flüchtlinge hier auftauchten.
Dann ist der Schlächter von Damaskus plötzlich Geschichte und wir denken zuerst darüber nach, jetzt Flüchtlinge rauswerfen zu können? Alice Weidel, der AfD-Kanzlerkandidatin, fällt lediglich ein, dass, wer in Deutschland das freie Syrien feiere, ja keinen Fluchtgrund mehr habe und umgehend zurück nach Syrien soll. Raus jetzt, soll das wohl heißen.
Humanitäre Verpflichtungen "übererfüllt"?
Andrea Lindholz, von der Christlich Sozialen Union, kommt zuallererst in den Sinn, dass Deutschland in den vergangenen Jahren seine humanitären Verpflichtungen "übererfüllt" habe. Jens Spahn von der Christlich Demokratischen Union, jener Großmeister des populistischen Spürsinns, will für alle, die nach Syrien zurück wollen, Flugzeuge chartern und ihnen ein Startgeld von 1.000 Euro in die Hand drücken - willkommen im Deutschland des Jahres 2024.
Wer heute in die sozialen Medien schaut, dem muss übel werden vor so viel Hass und Boshaftigkeit. "Gute Heimreise" wünschen hämisch tapfere Deutsche den bei uns lebenden syrischen Menschen.
Hoffnung, aber keine Gewissheit
Niemand behauptet, dass nicht irgendwann möglicherweise der Asylgrund entfällt, wenn Syrien ein freies, demokratisches, sicheres Land werden sollte. Niemand aber weiß zur Stunde, ob auf den Schlächter Assad nicht andere Tyrannen und Extremisten folgen. Es gibt Hoffnung, aber keine Gewissheit. Dass übrigens viele Syrerinnen und Syrer mittlerweile in Deutschland in Pflegeberufen arbeiten, in Krankenhäusern, als Ärztinnen und Ärzte, dass viele bestens integriert sind, ist vermutlich zu komplex für die niedersten Instinkte.
Assad ist Geschichte - das ist die Geschichte
Statt reflexhaft über Asylbescheide, sollte man erst einmal über Wiederaufbau, Unterstützung und kluge Diplomatie im arabischen Raum reden und darüber, wie die Vereinten Nationen helfen könnten. Wie die Türkei, Katar und andere Nachbarn dafür sorgen können, dass aus Syrien nicht ein zweites Libyen wird. Darüber, wie die iranischen Mullahs und Russlands Präsident Wladimir Putin nach dem Fall ihres erbärmlichen Schützlings Assad weiter isoliert werden können.
Assad ist Geschichte. Das ist gerade die Geschichte. Die geschmacklose Migrationsdebatte hierzulande auf dem Rücken von Syrern ist es sicher nicht.