Entlastungen nach Gasumlage Die Regierung schuldet den Deutschen Klarheit
Kanzler Scholz hat versprochen, niemand werde in der Energiekrise allein gelassen. Mit der Bekanntgabe der Höhe der Gasumlage sollte die Regierung nun konkret werden und sagen, wem der Staat helfen wird - und wem nicht.
Jetzt liegt die Rechnung auf dem Tisch - für Deutschlands fatale Abhängigkeit von russischem Gas. Jede Verbraucherin und jeder Verbraucher kann bald von der Monatsrechnung ablesen, was es kostet, wenn das Gas nicht mehr aus Sibirien kommt, sondern anderswo in der Welt beschafft werden muss.
Es ist eine bittere Ironie der Politik, dass ausgerechnet der grüne Minister Robert Habeck den zig Millionen Gaskunden in Deutschland diese Rechnung präsentieren muss. Die Grünen als Oppositionspartei haben jahrelang erbittert gegen den Bau der Pipeline Nord Stream 2 gestritten und damit gegen eine noch höhere Abhängigkeit von Wladimir Putins Willkürherrschaft.
Energiepolitische Zeitenwende
Die Gasumlage macht es greifbar: Russlands Angriff auf die Ukraine ist auch energiepolitisch eine Zeitenwende. Ein Großteil der deutschen Energieversorgung muss unter enormem Zeitdruck neu ausgerichtet werden. Was das beim Gas kostet, ist seit heute zu beziffern - sogar auf drei Stellen hinter dem Komma genau: 2,419 Cent pro Kilowattstunde mehr.
Für einen Single-Haushalt können es um die 200 Euro an Mehrkosten im Jahr sein, für eine vierköpfige Familie auch leicht über 500 Euro - wenn die EU-Kommission in Brüssel noch ein Einsehen hat und es dem Bundesfinanzminister erlaubt, zumindest auf die Mehrwertsteuer bei der Gasumlage zu verzichten. Die absehbaren Preiserhöhungen der meisten Versorger kommen zur Gasumlage natürlich noch dazu.
500 Euro für eine Familie - das sind keine Peanuts mehr. Sondern ein Betrag, bei dem sich mancher fragt, wo und wie er seinen Lebensstandard wird einschränken müssen, um die Wohnung zu heizen und das Essen zubereiten zu können. Längst hat die Bundesregierung angekündigt, dass es weitere Entlastungen geben soll für die unteren Einkommensgruppen.
Signal für politischen Kurs nötig
Olaf Scholz, der Bundeskanzler, hat die Erwartungen ziemlich hoch getrieben mit seinem diffusen Versprechen, es werde niemand allein gelassen. Wirklich niemand? Der Kanzler und sein Finanzminister sollten bald nachliefern, mit welchen konkreten Hilfen der einzelne Bürger rechnen kann. Denn die Bundesregierung muss nicht nur dem Eindruck entgegenwirken, der Staat könne alle Folgen des Ukraine-Krieges auch nur annähernd finanziell ausgleichen. Es braucht ein klares Signal für den politischen Kurs - denn längst geht ein Raunen durchs Land, dass die Unterstützung der Ukraine doch irgendwo auch ihre Grenzen haben müsse.
In gut zwei Wochen laufen zwei andere Entlastungsmaßnahmen aus, das 9-Euro-Ticket und der sogenannte Tankrabatt. Das wäre eine gute Gelegenheit, den Deutschen zu sagen, wem der Staat künftig helfen wird - und wem nicht. Diese Klarheit schuldet die Bundesregierung vor allem den vielen Menschen, die mit jedem Euro rechnen müssen.
Blick Richtung fossile Energien
Deutschland und das vermeintlich sichere Gas aus Russland - ein bisschen war das wie ein jahrzehntelanger Drogenrausch. Jetzt ist Europas größte Volkswirtschaft auf Entzug. Es wird wehtun, von der Droge wegzukommen, und es braucht dazu auch Selbstkritik. Am Ende aber kann der Kopf tatsächlich klarer werden und der Blick in eine Zukunft gehen, in der es keine Gasumlage mehr braucht, weil fossile Energien von gestern sind.
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