Habecks Trennung von Graichen Richtige Entscheidung, aber zu spät
Mit der Trennung von Graichen habe Habeck gerade noch verhindert, weiter in den Strudel der "Trauzeugen-Affäre" zu geraten, meint Lothar Lenz. Es dürfte dem Minister schwer fallen, jetzt das politische Vertrauen wiederherzustellen.
Politik ist immer auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Und den hat Robert Habeck im Umgang mit der sogenannten "Trauzeugen-Affäre" verpasst. Seine Entscheidung, den umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen zu entlassen, ist richtig - aber sie kommt zu spät.
Die Besetzung der Chefposition bei der Deutschen Energieagentur, für die Graichen seinen Trauzeugen empfohlen hatte, ließ Habeck noch stoppen und das Bewerbungsverfahren von vorn beginnen. Fehler behoben, Affäre beendet - dachte der Minister. Aber so war es nicht: Den Verdacht der möglichen Begünstigung enger Freunde und Familienangehöriger zwischen dem Ministerium auf der einen Seite und diversen Umweltverbänden auf der anderen wurden Graichen und damit auch sein Minister Habeck nicht mehr los.
Seit heute wissen wir: Es war weit mehr als ein Verdacht. Der beamtete Staatssekretär Graichen bezuschusste ein Klimaschutzprojekt des BUND-Landesverbandes Berlin mit immerhin 600.000 Euro. Im Vorstand dieses Landesverbandes saß die Schwester des Staatssekretärs, Verena Graichen. Ein weiterer schwerer Compliance-Verstoß.
Habeck konnte also nicht mehr anders, als sich von seinem Staatssekretär zu trennen. Trotzdem ist ihm dieser Schritt erkennbar schwergefallen. Der Minister, der sonst auf jedem Podium glänzt mit seiner Jovialität und seinem rhetorischen Talent, trat heute angefasst vor die Mikrofone, mit dünner Stimme und ernster Miene. Mit der Trennung von Graichen hat Habeck so gerade noch verhindert, dass er selbst noch weiter in den Strudel der "Trauzeugen-Affäre" geriet.
Denn der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister ist auch die Galionsfigur einer Partei, die immer gegen Machtmissbrauch und Korruption angetreten ist. Transparenz bei der Postenbesetzung, Trennung von Amt und Mandat - das war der Kern grüner Selbstverpflichtung. Umso empfindlicher treffen Habeck und seine Partei deshalb jegliche Vorwürfe von Filz und Vetternwirtschaft. Auch das schlechte Abschneiden der Grünen bei der Bürgerschaftswahl in Bremen zeugt von diesem Vertrauensverlust.
Entsprechend schwer wird es Habeck haben, jetzt das politische Vertrauen wiederherzustellen, das er für sein nächstes Vorhaben so dringend braucht: die Umsetzung des umstrittenen Gebäude-Energiegesetzes. Was Habeck als Klimawende in den Heizungskellern propagiert, nimmt die breite Öffentlichkeit vor allem als übereiltes Verbot von Öl- und Gasheizungen wahr. Habeck wird seine Klimaschutz-Ambitionen jetzt also noch entschiedener gegen den Vorwurf grüner Klientel-Politik verteidigen müssen.
Und die Ironie der Geschichte: Der geistige Vater des Gebäude-Energiegesetzes kann Habeck nicht mehr helfen. Es war sein Staatssekretär Graichen.
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