Israel nach Hamas-Angriff Zwischen Vergeltung und Zukunftssorgen
Der Kampf gegen die Hamas könnte lange dauern - und wie geht es danach weiter? Israel fehle es an einer Strategie. In den vergangenen Jahren sei der Konflikt nur noch verwaltet worden.
Israel ist in einem Krieg gegen den Terror. Ziel ist es, die Strukturen der Hamas zu zerschlagen, damit ein furchtbarer Angriff wie der, der am 7. Oktober begonnen hat, nicht mehr möglich ist. Dieses Ziel ist richtig: um der Sicherheit Israels willen und angesichts von mehr als 1.300 Toten und etwa 150 als Geiseln Verschleppten.
Israel will auch Vergeltung für das, was passiert ist. Deshalb schlägt die Armee nun mit aller Härte zu. Das sorgt für eine furchtbare Lage unter der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Grund für die vielen Toten und Verletzten dort ist aber auch, dass die Hamas die Menschen im Gazastreifen als Schutzschilde missbraucht und ihr Leid in Kauf nimmt.
Israel sollte Hilfsgüter in den Gazastreifen lassen
Anders verhält es sich bei der Versorgung der Menschen mit dem Nötigsten: mit Strom, Wasser, Lebensmitteln und allem, was man zur Behandlung von Kranken und Verletzten braucht. Israel hat den Gazastreifen von all dem abgeschnitten und vergrößert so seit über einer Woche die humanitäre Katastrophe. Israel könnte hier etwas tun und Hilfsgüter ins Land lassen. Denn Vergeltung in Form von kollektiver Bestrafung einer ganzen Bevölkerung ist völkerrechtswidrig.
Doch um die Terrorstrukturen der Hamas zu zerschlagen, reichen nicht nur Bombardements des Gazastreifens aus der Luft. Die gab es auch in den letzten Jahren immer wieder - und doch konnte die Hamas diesen Angriff von langer Hand vorbereiten. Israel wird Bodentruppen einsetzen müssen, das wird ein langer und gefährlicher Einsatz, der Wochen, möglicherweise Monate dauert. Und danach?
Wie wollen Israelis und Palästinenser künftig zusammenleben?
Israel hat in diesem Krieg keine erkennbare Exitstrategie, keinen Plan, was passiert, wenn die Strukturen der Hamas zerschlagen sind. Zur Zeit geht es um Vergeltung - aber nicht darum, wie es weiter gehen kann mit Gaza, wenn der Krieg vorbei ist. Das betrifft auch die große Frage, wie Israelis und Palästinenser nach diesem Krieg zusammenleben wollen. Die Terrororganisation Hamas steht nur für einen kleinen Teil der Palästinenser, aber hat auch im von Israel besetzten Westjordanland wachsenden Zulauf.
Nun rächt es sich, dass Israel großen Anteil daran hat, dass die palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmoud Abbas in den letzten Jahren immer schwächer geworden ist, dass es keinen Ansprechpartner gibt, dass es jahrelang schon keine Gespräche mehr gibt, in denen es um Lösungsperspektiven für den Nahostkonflikt geht - sondern dass der Konflikt nur verwaltet wurde.
Auch die Millionen Palästinenser brauchen eine Perspektive in der Region - und sie brauchen eine legitimierte Führung, mit der über diese Perspektiven verhandelt wird. Das war bisher nicht im Interesse Israels und gerade die derzeitige Regierung hat viel dafür getan, die Besatzung des Westjordanlandes weiter auszubauen.
Man kann nur hoffen, dass in Israel bald neue Kräfte regieren, mit denen wieder ein Nachdenken über Frieden zwischen Israelis und Palästinensern möglich ist. Wenn der Krieg vorbei ist.