Großbritannien Auch Johnson droht ein Scheitern
Boris Johnson wird der nächste Premierminister Großbritanniens - daran gibt es keinen vernünftigen Zweifel mehr. Doch Johnson braucht ein Wunder, um nicht genauso krachend zu scheitern wie May.
Boris Johnson wird in die Downing Street einziehen. Daran gibt es jetzt keinen vernünftigen Zweifel mehr. Die Mitglieder der konservativen Partei werden ihn zum Vorsitzenden wählen und damit zum Premierminister machen. Sie lechzen geradezu nach einem echten Brexiteer. Einem, der schon vor dem Referendum für den Austritt aus der Europäischen Union gewesen ist. Johnson hat damals die offizielle Brexit-Kampagne angeführt. Und sogar den Ausschlag dafür gegeben, dass sich die Mehrheit der Briten für den EU-Austritt aussprach.
Jeremy Hunt, sein Konkurrent, erscheint dagegen wie eine Theresa May 2.0: vor dem Referendum "Remainer", jetzt "Leaver". Einer, der zwar verspricht, den Willen des Volkes umzusetzen, aber vielleicht doch nicht an die Segnungen des Brexit glaubt. Und auch vom Typ her keiner, dem die Herzen der einfachen Parteimitglieder zufliegen. Anders Johnson, der in den vergangenen Jahren die Parteitage der Konservativen gerockt hat.
Die Tories wollen, dass die bleierne Zeit der May-Jahre, das ewige Warten auf den Brexit, endlich zu Ende geht. Deshalb werden die Mitglieder jetzt für Johnson stimmen, Hunt erscheint ihnen viel zu sehr als eine Kopie Mays.
63 Prozent der Tories wollen den Brexit
Wie die Tories drauf sind, das zeigte in diesen Tagen eine Umfrage: 63 Prozent wollen den Brexit, auch wenn danach die Schotten das Vereinigte Königreich verlassen sollten. 61 Prozent der konservativen Parteimitglieder wollen raus aus der EU, auch wenn das die britische Wirtschaft schwer schädigt. 59 Prozent wollen in Kauf nehmen, dass Nordirland sich der Republik Irland anschließt. Und 54 Prozent sind für den Brexit, auch wenn das das Ende der konservativen Partei bedeuten sollte.
Bei so viel Unvernunft: Wie soll da ein einigermaßen rational veranlagter Mensch wie Jeremy Hunt die konservative Parteibasis erreichen? Dazu passt eher ein Großmaul wie Boris Johnson, der immer viel versprochen und wenig gehalten hat, der als Londoner Bürgermeister Millionen in der Themse versenkt hat, für eine Brücke, die nie gebaut wurde, für ausgemusterte deutsche Wasserwerfer, die nie zum Einsatz kamen, weil sie in England verboten sind. Und so weiter. Wer immer noch glaubt, dass die Briten ein vernunftbegabtes, rational denkendes und handelndes Volk sind, der ist schon lange nicht mehr hier gewesen. Deshalb passt jetzt auch ein Boris Johnson gut zu ihnen, zumindest zu den Konservativen.
Johnson braucht ein Wunder
Hoffnung macht allein, dass Johnson eher sprunghaft als zielstrebig ist, immer bereit, frühere Festlegungen auch wieder zu vergessen. Er hat versprochen, dass die Briten die EU spätestens am 31. Oktober verlassen. Mit oder ohne Abkommen. Garantieren wollte er das allerdings nicht. Kann er auch nicht: Die EU ist nicht bereit, über ein neues Abkommen zu verhandeln.
Den vorliegenden Vertragsentwurf hat das Parlament drei Mal abgelehnt, an den Mehrheitsverhältnissen ändert sich durch einen Wechsel in der Downing Street nichts. Auch nicht daran, dass das Unterhaus einen No-Deal-Brexit ablehnt. Und eine vorgezogene Parlamentswahl würde den Konservativen nach allen Umfragen eine krachende Niederlage bescheren. Johnson droht also genauso zu scheitern wie May. Wenn er kein Wunder vollbringt. Doch an ein solches Boris-Wunder glauben nur die Konservativen.