Der Schatten eines Delegierten ist vor dem leuchtenden Schriftzug "AfD" vor dem zweiten Tag des Parteitages in Essen zu sehen.
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Nach verkorkstem Wahlkampf Chance verpasst, aus Fehlern zu lernen

Stand: 30.06.2024 17:15 Uhr

Auf ihrem Parteitag übte sich die AfD in Normalität, doch zur Übernahme von Regierungsverantwortung hat sie sich nicht qualifiziert. Fehler wurden nicht aufgearbeitet, Kritik prallte ab und Lösungen wurden nicht präsentiert.

Ein Kommentar von Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin

Die AfD träumt mehr denn je vom Regieren. In Essen bemühte sich die Partei denn auch um Professionalität: Relativ straff wurde die Tagesordnung abgearbeitet, Streit und ernste Personalquerelen gab es nicht. Die Delegierten stimmten für den Erhalt der Doppelspitze, Alice Weidel und Tino Chrupalla wurden als Führungsduo bestätigt.

Es gab weder Gegenkandidaten noch kritische Fragen an die beiden. Dabei hätte es genug Stoff zum Streiten gegeben, allen voran der verkorkste Europawahlkampf mit zwei skandalbelasteten Top-Kandidaten und der zögerliche Umgang des Vorstands mit den beiden. Eine breite Diskussion, wie sie in anderen Parteien normal gewesen wäre, blieb die AfD in Essen schuldig.

Anträge mit Zündstoff wurden zurückgezogen oder weiterverwiesen, zum Beispiel zu einer veränderten Kandidatenauswahl vor Europawahlen oder zu Reisen von Parteifunktionären nach Russland oder Belarus.

Viel Hetze, keine echten Lösungen

Die AfD hat die Chance verpasst, aus Fehlern Lehren zu ziehen. Stattdessen präsentierte sie sich vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen siegesgewiss. Die Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird, hofft darauf, dort Regierungsverantwortung zu übernehmen. Und das soll nur der Anfang sein - auffallend häufig fiel bereits das Wort Bundestagswahl.

Politische Mitbewerber wurden scharf attackiert - die Ampel-Parteien genauso wie die Union. Gewettert wurde gegen eine angebliche Deindustrialisierung Deutschlands, gegen Solidarität mit der Ukraine oder gegen eine Europapolitik des Miteinanders. Gehetzt wurde gegen Ausländer und gegen Migration allgemein.

Echte Lösungen blieb die Partei schuldig. Stattdessen kamen alte populistische Forderungen: Zuwanderung stoppen. Kriminelle Ausländer abschieben. Steuergelder in Deutschland ausgeben. Weniger Europa, mehr Nationalstaat.

Für Regierungsverantwortung braucht es mehr

Dass sich Zehntausende vor der Grugahalle versammelt hatten, um deutlich zu machen, dass sie diese Ideen ablehnen, wurde als undemokratisch abgetan. Journalisten, die auf dem Parteitag kritisch nachfragten, wurden verächtlich abgekanzelt.

Die AfD hat es in Essen verpasst, ihre Fehler aufzuarbeiten. Kritik von außen wurde ausgeblendet, Lösungen nicht präsentiert - zur Übernahme von Regierungsverantwortung braucht es mehr.

Redaktioneller Hinweis

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 30. Juni 2024 um 16:05 Uhr.