Brexit-Chaos May bleibt noch die Notbremse
Bislang fährt die britische Premierministerin eine Zermürbungstaktik in Sachen Brexit, meint Ralph Sina. Als letzter Ausweg bliebe May noch, den Scheidungsantrag zurückzuziehen.
Das Desaster war so absehbar wie ein Aprilscherz, aber leider war es keiner. Und wer in den letzten Wochen des absurden Brexit-Theaters im Londoner Unterhaus genau mitgezählt hat, der kommt auf 15 Mal "nein".
Wohlgemerkt: 15 Mal hat das britische Parlament beim Thema Brexit nun schon die Rolle des Neinsagers gespielt: Drei Mal hat das Unterhaus den von der EU und Theresa May ausgehandelten Scheidungsvertrag abgelehnt. Und zusätzlich zwölf Alternativvorschläge.
Bis zum Brexit-Sondergipfel am 10. April in Brüssel muss noch nicht das Ende der britischen Nein- Sagerei eingeläutet sein. Brexit-Experten in Brüssel sind seit langem überzeugt, dass Theresa May den von ihr bereits unterzeichneten Scheidungsvertrag so lange zur Abstimmung vorlegt, bis sie von den zermürbten Abgeordneten doch noch ein quasi abgepresstes Ja erhält. Und wenn dieses Zermürbungskonzept der britischen Premierministerin nicht aufgeht, dann hat Theresa May immer noch die Möglichkeit in letzter Minute zu sagen: Schluss mit dem desaströsen Theater!
Keine Scheidung ohne Vertrag
May kann darauf hinweisen, dass sie bis zuletzt versucht hat, das zu verhindern was die meisten Brexit-Befürworter nicht wollen. Und auch die Mehrheit im Parlament nicht: nämlich einen Chaos-Brexit, eine Scheidung ohne Scheidungsvertrag und ohne die Willenserklärung zu einem zukünftigen Partnerschaftsabkommen. Die EU und die britische Premierministerin haben vielmehr versucht, aus dem Brexit-Referendum der Briten das Beste zu machen: nämlich einen Ausstiegsvertrag, der den Schaden für beide Seiten begrenzt. Und der den EU-Bürgern in Großbritannien und den Briten in der EU weiterhin ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht garantiert.
Die britische Premierministerin kann darauf verweisen, alles getan zu haben, um das Brexit-Votum der Briten umzusetzen. Und gleichzeitig in Brüssel den bestmöglichen Deal für die EU-Befürworter auf der Insel herausgeholt zu haben. Und sollte sie bis zum Brexit-Gipfel in Brüssel am 10. April weiterhin krachende Abstimmungsniederlagen im Unterhaus kassieren, hat der Europäische Gerichtshof in weiser Voraussicht Theresa May mit der Brexit-Notbremse ausgestattet.
Notfalls im Alleingang
Die britische Premierministerin kann den mittlerweile vor über zwei Jahren eingereichten Scheidungsantrag zurückziehen. Sie braucht dazu aus Sicht der höchsten europäischen Richter keine parlamentarische Mehrheit. Theresa May kann im Alleingang handeln - im Rahmen eines Verwaltungsaktes. Und am 12. April vor 23: 00 Uhr Big Ben-Zeit die Brexit-Notbremse ziehen. Und damit zumindest vorläufig den Verbleib der Briten in der EU sichern. Und sich selber einen respektablen Platz in den Geschichtsbüchern. Und in der Geschichte der EU.