Brexit-Hängepartie Bietet Johnson kein Schlupfloch!
Die EU sollte jetzt weiter um einen geregelten Brexit kämpfen. Sonst könnte Premier Johnson die negativen Folgen eines No-Deals Brüssel anlasten. So einfach sollte man ihn nicht davonkommen lassen.
Déjà vu - alles wie gehabt. Ein britischer Regierungschef kommt mit einem Austrittsabkommen aus Brüssel zurück und scheitert zu Hause in London. Der großartige Boris Johnson, den sie am Donnerstag alle noch gefeiert haben, wird nur zwei Tage später vom Unterhaus ganz klein gemacht.
Statt Durchbruch zurück auf Los. Aus Boris Johnson wird Theresa May. Und nun muss auch er die EU darum bitten, den Austritt zu verschieben. Zum dritten Mal. Auch wenn er das nicht will. Der Premierminister hat keine Wahl: Er muss die EU um einen weiteren Aufschub bitten - das Gesetz zwingt ihn dazu. Oder Richter werden ihn dazu zwingen.
EU sollte die Nerven behalten
Damit ist der Ball wieder im Feld der EU. Verständlich, dass man dort mit der Geduld langsam am Ende ist und dass zumindest der scheidende EU-Kommissionschef keine weitere Verlängerung dieses quälenden Brexit-Prozesses will. Doch Jean-Claude Juncker ist nicht entscheidend.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten treffen die Entscheidung über den Antrag des Noch-Mitglieds Großbritannien. Schert nur ein Land aus, dann gibt es keine Verschiebung. Dann kommt es am 31. Oktober zum ungeregelten Austritt. Es sei denn, das Unterhaus in London besinnt sich anders und stimmt doch noch dem Abkommen zu, gefolgt vom EU-Parlament.
Die EU-Mitglieder sollten jetzt die Nerven behalten. Sie sollten ihren Ärger über die Politik-Dilettanten in London, über das Versagen der britischen Demokratie, zügeln und kühlen Kopf bewahren. Die Europäische Union sollte sich daran erinnern, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, einen ungeregelten Austritt der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft zu vermeiden.
Den Hasardeur nicht davonkommen lassen!
Das Nein eines einzigen Mitgliedslandes würde ausreichen, um eine weitere Verschiebung zu Fall zu bringen und damit möglicherweise einen ökonomischen Crash, einen No-Deal-Brexit am 31. Oktober zu provozieren. Und Johnson könnte anschließend sagen, die EU habe zusammen mit dem britischen Parlament das Land in den wirtschaftlichen Abgrund gestürzt. Das sollte nicht passieren. So einfach sollte man diesen Hasardeur nicht davonkommen lassen.
Die EU sollte lieber auf die Zigtausenden schauen, die - während sich die britische Politik weiter in den Schlamassel hinein manövrierte - auf Londons Straßen in einer friedlichen Demonstration eine ganz schlichte Botschaft aussandten: Lasst das Volk noch einmal entscheiden! Gebt uns eine zweite Chance! Und gebt uns die Chance, vielleicht doch noch das einzig Vernünftige zu tun: Mitglied der EU zu bleiben.
Eine erneute Verschiebung des Austritts eröffnet diese Chance und gibt die Zeit, ein zweites Referendum zu organisieren. Die EU darf nicht mitschuldig daran werden, den Briten diese Chance verwehrt zu haben.