Auszeichnung für Staatenbund Die EU hat den Nobelpreis verdient
Die EU hat in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand geschaffen und Menschenrechte gefestigt. Daher hat sie den Friedensnobelpreis verdient, meint Christoph Prössl. Die Auszeichnung muss aber zugleich ein Ansporn für die Zukunft sein - etwa mit Blick auf die umstrittene Grenzpolitik der EU.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Ja, die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis verdient. Europa ist ein einzigartiges Friedensprojekt. Die Geschichte Europas bis 1945 ist von Kriegen geprägt. Der Staatenbund hat Frieden geschaffen.
Das klingt schwulstig. Für viele in der Europäischen Union ist Frieden eine Selbstverständlichkeit. Wer die Worte "Europa" und "Frieden" in den Mund nimmt, läuft Gefahr, mit dem Symptom "Opa erzählt vom Krieg" abgestempelt zu werden.
Frieden ist für uns natürlich geworden. Ein Kommentar aus einem Blog im Internet macht es deutlich: "Frieden - super. Dafür sind wir bald pleite", heißt es da. Da ist ja was dran. Aber: Der Preis ist eine Auszeichnung für Geleistetes und ein Ansporn für die Zukunft. Die wirtschaftliche Krise wird Europa nur gemeinsam überwinden können.
Frieden ist mehr als Abwesenheit von Krieg
Manchmal muss man einen Schritt zurück treten und auf die Dinge mit Abstand blicken. Es geht ja nicht alleine um Frieden als Abwesenheit von Krieg. Die vergangenen Jahrzehnte schufen auch Wohlstand und festigten Menschenrechte. Viele Staaten im Süden Europas und im Osten sind in die Staatengemeinschaft gekommen und haben sich zu Demokratien entwickelt.
Natürlich haben die Kritiker in vielen Punkten Recht. Es ist unerträglich, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken, weil die Europäische Union ihre Grenzen abschottet. Das widerspricht den Werten der EU, auf die sie sich so oft beruft. Hier muss die EU ihre Politik ändern.
Aber es sind vor allem einzelne Mitgliedsstaaten, die das verhindern und die auf strenge Asyl- und Einwanderungsregeln drängen. Das ist nicht die EU als Ganzes. Es wäre falsch, dafür Europa verantwortlich zu machen. Schuld daran ist der Populismus in einzelnen Mitgliedsländern. Letztendlich wollen es die Wähler in einigen Staaten so.
EU muss sich an Militäreinsätzen beteiligen
Zweiter Kritikpunkt: Ein Friedensnobelpreis für einen Staatenbund, der sich an Militäreinsätzen beteiligt - das passe nicht. Das Gegenteil ist richtig: Die Europäische Union muss sich an internationalen Einsätzen beteiligen. Der Staatenbund muss sich seiner Verantwortung stellen. Noch längst nicht alle Einsätze laufen so, wie man sich das wünschen möchte. Aber besser würden sie laufen, wenn die Mitgliedsstaaten der EU mehr Eigenständigkeit in der Außenpolitik zugestehen würden.
Der Friedensnobelpreis ist ein Ansporn. Zu sehen, was man eigentlich erreicht hat, hilft manchmal, Kraft für die Zukunft zu schöpfen - gerade in der Krise.