Rücktritt von Liz Truss Vielleicht hilft Besinnung in der Opposition
Die Tories haben den Blick für Realpolitik verloren: Nach dem Rücktritt von Truss braucht Großbritannien Pragmatismus statt Ideologie. Das Land verdient endlich wieder realistische Lösungen.
Das Trauerspiel um Premierministerin Liz Truss hat zum Glück nach 44 Tagen ein jähes Ende gefunden. Ihre Regierung war im Grunde von Beginn an dem Untergang geweiht.
Nach dem missglückten Versuch, sich als vorbildlich steuersenkende Konservative, im Andenken an die Eiserne Lady Margaret Thatcher zu gerieren, mit dem sie die Märkte auf Talfahrt schickte und den britischen Bürgern die Kreditzinsen in die Höhe trieb, war eigentlich klar, dass Truss kein Vertrauen mehr gewinnen konnte. Weder bei der Bevölkerung, bei der ihre Beliebtheit bei Umfragen im Minusbereich lag, noch in der konservativen Fraktion, die Truss gar nicht wollte, sondern ihren Rivalen Rishi Sunak gewählt hatte.
Die Regierungszeit von Liz Truss - sechs Wochen, die als traurige Lachnummer in die Geschichte des Vereinigten Königreichs eingehen. Abhaken - viel wichtiger ist es, nach vorne zu schauen, wie die Konservativen jetzt weitermachen wollen, um dieses in schweren Zeiten schlingernde Land wieder in sicherere Gewässer zu führen. Innerhalb einer Woche soll ein neuer Premierminister installiert werden.
Wer kommt als nächstes?
Man ahnt, wer sich da in Stellung bringt: Der Verlierer auf den letzten Metern bei der Urwahl der konservativen Parteimitglieder, der offenbar finanzpolitisch kluge Rishi Sunak, der Truss' Misere mit dem Steuerpaket vorhersagte. Oder die rechte Ex-Innenministerin Suella Braverman, die Truss mit ihrem Rücktritt und den deutlichen Schienbeintritten gegen die Premierministerin in ihrem Rücktrittsschreiben einen Dolchstoß versetzte.
Der oder die Nachfolgerin wäre dann die zweite Regierungsspitze, die die konservative Partei dem Land vorsetzt, ohne dass Wahlen stattgefunden hätten. Wobei - es könnte ja auch alles ganz anders kommen. Und es könnte einer zurückkommen, den die Briten 2019 tatsächlich schon mal gewählt haben. Boris Johnson macht gerade Urlaub in der Karibik, und es wird kolportiert, er sei nicht abgeneigt, das Land zu "retten". Das wäre allerdings ein Irrsinn, den man sich im Moment noch gar nicht vorstellen möchte.
Hoffen auf Pragmatismus
Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Regierungszeit der Konservativen bei den nächsten Wahlen ohnehin zu Ende geht, selbst wenn sie sich bis zum regulären Wahltermin in zwei Jahren noch halten könnten. Die Richtungskämpfe innerhalb der Partei, die durch den Brexit zugespitzt wurden, haben die Konservativen in den vergangenen zwölf Jahren zermürbt und den Blick für realpolitische Notwendigkeiten verstellt. Eine Phase der Besinnung in der Opposition könnte bei so einem Neuanfang helfen.
Bis dahin bleibt nur zu hoffen, dass ideologische Verbissenheit von einer neuen Regierung pragmatischer Regierungsvernunft untergeordnet werden kann, sollten die Konservativen noch bis November 2024 weitermachen. Großbritannien hätte endlich wieder eine Regierung verdient, die die Probleme des Landes von Brexit bis Inflation konstruktiv anpackt und realistische Lösungen sucht.