Sonderparteitag der SPD Viel Disziplin, wenig Aufbruch
"Also kämpfen wir", rief Kanzler Scholz den freundlich klatschenden Genossen beim SPD-Sonderparteitag zu. Um die Wähler zu überzeugen, müssen diesen Worten nun auch Taten folgen.
"Mehr für Dich. Besser für Deutschland." Klingt das sozialdemokratisch? Mehr für Dich? Es ist jedenfalls der Slogan, mit dem die SPD in die letzten 43 Tage bis zu Bundestagswahl zieht. Und wie viel mehr es "für Dich" geben soll, hat die SPD ausgerechnet auf einem Bierdeckel zusammengefasst. Diese wird sie jetzt im ganzen Land verteilen - eine ironische Anspielung auf einen gewissen Friedrich Merz. Der hatte den Deutschen 2003 die Steuerklärung auf dem Bierdeckel versprochen. Sie kam nie.
Jetzt also die Steuer- und Abgabenentlastungen, die die SPD verspricht. Auf einem Bierdeckel. Pro Jahr knapp 3000 Euro für eine vierköpfige Familie mit einem Bruttoeinkommen von 75.000 Euro. Mehr für Dich eben.
Zwischen Opposition und Juniorpartner
Damit es dann aber irgendwann wirklich mehr für Dich gibt, müsste es erst einmal mehr für die 15-Prozent-SPD geben. Mehr Begeisterung. Mehr Aufbruch. Und am Ende auch mehr Stimmen, als die Umfragen bisher nahelegen.
Nach denen dümpelt die Scholz-SPD irgendwo zwischen trauriger Opposition und der Rolle als leichtgewichtiger Juniorpartner der Union herum. Wobei der Kanzler in seiner Scholz-artig unaufgeregten Bewerbungsrede als Kanzlerkandidat nicht den Eindruck machte, als müsste er schon hier und heute mehr liefern, damit er nicht als glückloser Ampelmann in die SPD-Annalen eingeht.
Freundlicher Beifall und ein Hauch Selbstkritik
"Also kämpfen wir", nuschelte er am Ende seiner Rede ins Mikrophon. Die ganz normalen Leute, für die er kämpfen will, hat das vermutlich nicht vom Hocker gerissen. So ist er, sagten anschließend die Genossen. Mitreißend ist er eben nicht. Freundlichen Beifall gab es, nach dem Motto: Das macht man wohl so.
Wirklich Puls bekamen die 600 Delegierten ausgerechnet an einer Stelle: Als ihr sonst stets selbstgewisser Kanzler ausnahmsweise ein klitzekleines bisschen selbstkritisch einräumte, dass er beim Ampel-Chaos vermutlich früher auf den Tisch hätte hauen müssen. Spontaner Jubel im Saal, in dem bei dieser fünfstündigen Krönungsmesse ansonsten eher eine Stimmung wie am dritten Tag eines sehr langen Parteitags herrschte, dann, wenn alle hoffen, noch rechtzeitig ihren Zug zu erwischen.
Hoffen auf das rote Wunder
Aufbruch? Jetzt geht’s los? Geht so. Aber diszipliniert sind sie schon, diese Sozis. Manche hatten vielleicht kurz und heftig von Boris Pistorius, dem Kandidaten der Herzen, geträumt. Trotzdem gab es für den Kanzlerkandidaten Scholz heute nur fünf Gegenstimmen. Unterhaken, auch das können sie bei den Sozialdemokraten.
Und an Wunder glauben sie auch. "Wir werden siegen", rief der jetzt auch offiziell gekürte Kanzlerkandidat Scholz seinen Genossen zu. 43 Tage bleiben, um das rote Wunder samt Bierdeckelversprechen wahr werden zu lassen. "Mehr für Dich. Besser für Deutschland." Klingt fast, als riefen das die Genossen beschwörend ihrer Volkspartei SPD zu.