Kommentar

Rechtsterrorismus Die Tat ist die Botschaft

Stand: 24.11.2011 21:29 Uhr

Man habe einen rechtsterroristischen Hintergrund ausgeschlossen, weil es kein Bekennerschreiben gegeben habe. So erklären Sicherheitsbehörden ihr Versagen bei der rassistischen Anschlagsserie des NSU. Dabei sind Bekennerschreiben von Rechtsextremen die absolute Ausnahme. Die Vernichtung ist die Botschaft.

Ein Kommentar von Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Die Liste der rechtsextremen Überfälle, Morde und Terroranschläge in Deutschland ist lang. Oktoberfestattentat, Bombenanschläge, Brandbomben - Dutzende Menschen wurden dabei getötet. Dazu pogromartige Ausschreitungen in Rostock und Hoyerswerda. Hunderte Schändungen von Friedhöfen, Angriffe auf Migranten und politische Gegner mit Dutzenden Todesopfern. All diese Attacken haben eins gemeinsam: Bekennerschreiben oder theoretische Abhandlungen, die diese Taten rechtfertigen, sind so gut wie unbekannt.

Dies ist einfach zu erklären: Die Tat ist die Botschaft. Auf T-Shirts der Neonazis stehen Parolen wie "Vernichtet den Feind" oder "Gegen Demokraten - helfen nur Granaten". Endzeitszenarien, wonach Deutschland spätestens 2025 der "Volkstod" drohe, weil es systematisch "überfremdet" werde, sind an der Tagesordnung - und erhöhen den Handlungsdruck in einer Bewegung, in der eine explosive Mischung aus Männlichkeitskult und Minderwertigkeitskomplexen, Waffenfetisch und Weltherrschaftsträumen ohnehin prägend sind.

Unsterblich wird, wer sein Leben gibt

"Werde unsterblich" propagieren Neonazi-Gruppen in Brandenburg und Sachsen aus dem Umfeld der mutmaßlichen Terror-Unterstützer. Mit Fackeln ziehen sie unangemeldet durch Kleinstädte und produzieren martialische Propaganda-Videos ihrer surrealen Aufmärsche. "Werde unsterblich" - die selbst ernannten "politischen Soldaten" sehen sich in einer geradezu religiösen Mission. Der Einzelne zählt nichts, das völkische Kollektiv alles. Unsterblich wird, wer sein Leben gibt für den Kampf. Eine interessante Parallele zum Dschihad übrigens.

Die RAF legitimierte ihre Morde in kruden Bekennerschreiben, seitenlangen Pamphleten, in denen der Kampf gegen Imperialisten und Kapitalisten erläutert und dargelegt wurde, in denen die Terroristen versuchen zu erklären, warum sie angeblich zu den Waffen haben greifen müssen. Die Linksterroristen mordeten in der Regel nicht, um zu morden. Das macht ihre Taten nicht weniger grausam, ist aber wichtig, um die unterschiedlichen Arten des Terrors zu verstehen. Im Rechtsextremismus ist die Vernichtung politisches Programm, nicht nur Mittel zum Zweck, sondern der Zweck an sich.

Soundtrack zum Mord

Das Ziel der Rechtsextremen ist eine gleichgeschaltete, homogene Volksgemeinschaft. Auch die NPD fordert dies offen. Ausgemerzt werden müssen dafür alle "Volksverräter", um politische sowie kulturelle Gleichschaltung zu erreichen, und alle Migranten, um "rassische" Homogenität heranzuzüchten. Vernichtung ist immanenter Teil dieser Ideologie, die behauptet, Menschen oder "Rassen" seien nicht gleichwertig. Selbstverteidigungsszenarien gegen eine angebliche "Landnahme" oder "Überfremdung" legitimieren die eigenen Aggressionen. Auch hier kann ein Blick in die Geschichtsbücher sehr lehrreich sein.

Wer dennoch nicht versteht, dass Vernichtung das politische Programm des Nationalsozialismus ist - und eine Botschaft braucht, der sollte sich einen Abend lang Rechtsrock-Lieder im Internet anhören. In Hunderten Songs werden Menschen zu Tieren degradiert, Kampflieder geschmettert sowie Gewaltverbrechen und Krieg glorifiziert. Man muss nur hinhören. Es ist der Soundtrack zum Mord.

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