Wladimir Putin
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Putins fünfte Amtszeit Es ist mit dem Schlimmsten zu rechnen

Stand: 18.03.2024 19:14 Uhr

Russlands Präsident Putin wird nach seiner inszenierten Wiederwahl den repressiven Kurs gegen die eigene Bevölkerung nicht lockern, meint Björn Blaschke. Im Gegenteil: Der Kreml-Chef könnte aus dem Land einen totalitären Staat machen.

Ein Kommentar von Björn Blaschke, ARD Moskau

Russland ist ein autokratischer Staat. Und so stand das Wahlergebnis schon lange fest. Die Zahl derer, die angeblich für Wladimir Putin stimmten, vielleicht auch. Denn, ja, von einer rechtsstaatlichen, freien und fairen Wahl war die Abstimmung in Russland weit entfernt. Das stand ebenfalls schon lange fest.  

Um nur zwei Punkte zu nennen: Kreml-Gegner beispielsweise durften nicht kandidieren und unabhängige OSZE-Wahlbeobachter waren nicht eingeladen. Außerdem passt das politische Umfeld nicht zu einer rechtsstaatlichen Wahl: keine freien Medien, willkürliche Verhaftungen oder Unterdrückung von Protesten - und so weiter. 

Zeitpunkt für unpopuläre Entscheidungen

Alles Klagen darüber hilft nichts. Putin ist alter neuer Präsident. Und damit müssen allen voran die Russinnen und Russen klarkommen - aber auch der Rest der Weltgemeinschaft. Und vielleicht wird ja alles besser. Vielleicht lässt Putin jetzt, da er irgendwie im Amt bestätigt wurde, die Zügel etwas lockerer. Das ist immer wieder zu hören. 

Der Blick in die Geschichte verschiedener anderer Autokratien lehrt, dass das nicht passieren wird. Putin wird sich in seiner Politik bestätigt und im Amt legitimiert sehen. Damit wird er erst einmal unpopuläre Entscheidungen treffen: Er dürfte Steuern erhöhen und könnte in einer zweiten Teilmobilisierung mehr Soldaten einberufen - für die "militärische Spezialoperation", wie der Krieg in der Ukraine in Russland genannt werden muss.

Ein allmächtiger Angst-Apparat

Diese "Spezialoperation" wird er wohl vorantreiben. Denn eines seiner politischen Mittel war und ist Krieg - von Tschetschenien, über Georgien bis in die Ukraine. Einen jeden dieser Kriege hat Putin innenpolitisch als notwendig verkauft, als existentiell für den Bestand der russischen Großfamilie, für deren Werte er einstehe und deren Über-Vater er ist - Putin. 

Ein Großteil der Russinnen und Russen glaubt das sogar. Oder will es glauben, und sei es nur, weil der Apparat aus Justiz, Sicherheitskreisen und einfachen Behörden, dem Putin vorsteht, durchdrungen ist von Geheimdienstleuten.

Putin hat einen Angst-Apparat geschaffen, mit dem er sein Volk in Schach hält - mit modernster Überwachungstechnik, Spitzel- und Denunziantentum, einer Richterschaft, die im Namen des Volkes Unrecht spricht, sobald es um Freiheiten geht.

Westen muss sich auf das Schlimmste einstellen

Ja, es gibt immer wieder Menschen, die sich dem widersetzen. Tausende. Zehntausende. Vielleicht Hunderttausende. Hochgerechnet auf ein 140 Millionen Menschen zählendes Volk sind es eher wenige. Aber immerhin. Nur die wird Putin durch seinen alles durchdringenden Angst-Apparat auch noch versuchen kleinzukriegen - mit als rechtsstaatlich ausgegebenen Prozessen wegen Hochverrats oder Diskreditierung der russischen Streitkräfte, Strafkolonien, vielleicht mit Morden. Auch das ist von seiner fünften Amtszeit zu erwarten: Keine Lockerung! Möglicherweise macht Putin aus dem autokratischen Russland sogar einen totalitären Staat.  

Für den Westen kann das nur heißen, dass er sich auf das Schlimmste einstellen muss - vor allem auf verstärkte Angriffe gegen die Ukraine. Und möglicherweise auf Attacken gegen andere europäische Staaten. Trotzdem muss er versuchen, die Zivilgesellschaft in Russland am Leben zu halten und mit ihr in Kontakt zu bleiben.

Björn Blaschke, ARD Moskau, zzt. Tiflis, tagesschau, 18.03.2024 11:21 Uhr
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