Scholz im Bundestag Eine Regierungserklärung, die zu wenig erklärt
Es hätte viel zu erklären gegeben: Den Kurswechsel beim Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium. Oder Scholz' Haltung zu Abschiebungen nach Afghanistan. Doch der Kanzler vermied klare Antworten.
Eine Regierungserklärung heißt Regierungserklärung, weil sie erklärt, was die Regierung macht - und warum sie bestimmte Entscheidungen trifft oder ändert. Das hat bei Bundeskanzler Scholz an zu vielen Punkten nicht geklappt. Dabei hätte er an so vielen Stellen gut erklären können, woran die Bundesregierung gerade arbeitet. Im Falle des Ukraine-Kurswechsels zum Beispiel. Den versteht man außerhalb des Berliner Regierungsviertels nur schwer.
Nun erlaubt die Bundesregierung den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium - nachdem sie genau das lange ausgeschlossen hatte. Die Opposition forderte deswegen sogar eine Regierungserklärung ein. Jetzt wäre es wohl das Mindeste, das dann auch zu erklären. Und Herr Scholz machte auch wortreich klar, warum die Entscheidung die richtige ist. Was er mit keinem Wort erwähnte: Warum sich seine Haltung so plötzlich verändert hat.
Plötzlicher Kurswechsel erklärungsbedürftig
Anfang letzter Woche hieß es noch klipp und klar: Die Bundesregierung lehnt einen solchen Einsatz deutscher Waffen ab. Dann änderten die US-Amerikaner Mitte der Woche ihre Haltung - und kurz darauf auch die Bundesregierung. Und es ergibt ja Sinn, dass man sich in der NATO an die größten Player hält und Entscheidungen auf das anpasst, was andere tun - auch, um geschlossener aufzutreten.
Gerade wenn man sich aber lange vehement gegen das Drängen aus der Opposition und den eigenen Reihen wehrt, muss man erklären, warum man seine Meinung ändert. Egal wie sehr das außenpolitisch logisch erscheinen mag. Das müsste man transparenter machen, verständlicher.
Und auch Scholz' Positionierung in der Abschiebe-Debatte mit Afghanistan sorgt für mehr Fragen als Antworten. Man kann nach der mutmaßlich islamistischen Tat von Mannheim schon eine Verschärfung des Asylrechts und Abschiebungen nach Afghanistan fordern. Aber dann muss man das erklären - und zwar nicht nur in zwei reichlich unkonkreten Sätzen, dass man an der praktischen Umsetzung arbeite.
Politik verständlich machen und Vorgänge erklären
Warum brauchte es diese Tat, um diese Forderung jetzt laut auszusprechen? Woran hängt es, dass das so lange dauert, Forderungen in die Tat umzusetzen? Und warum gibt es so viele Stimmen gegen Abschiebungen nach Afghanistan? In der politischen Blase in Berlin hat man auf all das eine plausible Antwort. Man bekommt das Gefühl, dass sie für viele so sehr auf der Hand liegt, dass keiner darüber spricht. Dabei müsste doch genau das passieren: Politik verständlich machen, Vorgänge erklären.
Viele Probleme in unserer Gesellschaft könnten wir besser in den Griff bekommen, wenn die Menschen verstehen, warum Politik so ist, wie sie ist. Vorsichtige Zurückhaltung, verbunden mit einer plausiblen Erklärung, sind da doch die viel stärkere Haltung als eine populistische Forderung, gegen die sich Teile der eigenen Regierungskoalition wehren.
Es geht nicht nur darum, dass sich Menschen besser politisch bilden. Es geht auch darum, dass führende Politikerinnen und Politiker besser erklären, was sie warum tun. Olaf Scholz hat diese Chance heute liegen lassen.
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