Eurovision Song Contest Bloß nicht politisch werden - eine vertane Chance
Glitzernde Fröhlichkeit und die Ermahnung, nicht zu buhen: Bloß nicht politisch werden, lautete das Mantra des ESC. Eine vertane Chance. Denn der Wettbewerb hätte einen Dialog anstoßen können.
Chaostage in Malmö - anders kann man die vergangene ESC-Woche nicht beschreiben. Eine demonstrativ unpolitische Veranstaltung, bei der es nur um Politik ging. Eine angespannte Atmosphäre in der südschwedischen Stadt, zahlreiche schwerbewaffnete Polizisten, gepanzerte Fahrzeuge. Fans, die mit mulmigem Gefühl zu den Shows gingen.
Doch das sollten die ESC-Fernsehzuschauer zu Hause nicht mitbekommen. Denn die Final-Show lief ruckelfrei durch: Glitzernde Fröhlichkeit, glatt wie der Fußboden der riesigen LED-Bühne.
Was nicht zu sehen war: Wie der Warm-Upper das Publikum wenige Minuten vor Start der Show noch ermahnt hat: Keine Buhrufe bitte - das passe nicht zum ESC. Das konnte man auch so verstehen: Augen zu halten, "lalala" singen und alle sind happy.
Buhrufe und Pfiffe für Israels Sängerin - und den ESC-Chef
Eine gewollte Stimmung, die gar nicht zu dem passte, was hier in der vergangenen Woche und was auch schon in den vergangenen Monaten los war. Die Teilnahme Israels hatte enorme Reaktionen ausgelöst.
Ausschlussforderungen kamen aus allen Ecken - und gipfelten in propalästinensischen Demonstrationen in Malmö mit bis zu 12.000 Teilnehmenden. Die 20-jährige israelische Künstlerin Eden Golan zog ihre Shows beeindruckend professionell durch, obwohl ihr in der Halle jedes Mal laute Buhrufe entgegenschallten.
Es wurde auch gebuht und gepfiffen, als der ESC-Chef Martin Österdahl in der Show auftrat. Die Unzufriedenheit der Fans war stärker als die mahnenden Worte des Veranstalters kurz vor der Show, doch bitte nicht zu buhen.
Schwierige Ausgangslage als Chance
All das kam mit Ansage. Denn es war klar: Egal ob Israel teilnimmt oder nicht - es hätte Gegenwind gegeben. Eine Entscheidung, die alle glücklich macht, gab es in dieser Frage nicht. Was die Veranstalter jedoch daraus gemacht haben, war kein gutes Krisenmanagement. Bis zwei Minuten vor dem Finale daran festzuhalten, dass der ESC ein unpolitischer Musikwettbewerb ist - wer bitte hatte diese Idee?
Dabei hätte die schwierige Ausgangslage auch eine Chance sein können. Eine Veranstaltung, der ein Millionenpublikum zuschaut, die den Ruf hat, eine Show für alle zu sein, bei der zum ersten Mal in der Geschichte eine offen non-binäre Person gewinnt. Diese Show hätte ein Statement setzen können, statt aalglatt zu sein: für Dialog, Frieden und Zusammenhalt. "United by music" - das Motto dafür gab es doch schon.