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SPD und die K-Frage Ein verheerendes Schauspiel der Kanzlerpartei

Stand: 19.11.2024 16:41 Uhr

Den amtierenden Bundeskanzler nicht direkt nach dem Ampel-Bruch als Kanzlerkandidaten zu nominieren, war ein Fehler. Jetzt treiben die eigenen Genossen die Parteispitze vor sich her - und das schadet allen in der SPD.

Ein Kommentar von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Stell Dir vor, die SPD stellt den Bundeskanzler, will aber einen neuen Kanzlerkandidaten? Selbst in der wirklich turbulenten Geschichte der deutschen Sozialdemokratie wäre das ein Novum. Oder wie Peer Steinbrück, einer der selbst gern mal Kanzler geworden wäre, sagt: "Es wäre der Hammer." Es ist atemberaubend, wie in diesen Stunden die von der SPD-Spitze oft zurecht gelobte Geschlossenheit der letzten Jahre zerbröselt. Aus Panik? Aus Angst ums eigene Mandat? Aus Lust am Untergang?

Was für ein verheerendes Schauspiel der Kanzlerpartei. Da ist der Bundeskanzler 12.000 Kilometer weit entfernt in Rio de Janeiro beim G20-Gipfel, und zu Hause rufen einige gar nicht so tapfere Sozis erst leise, dann immer lauter: Wir wollen jetzt Pistorius. Scholz als Missverständnis der Geschichte?

Kritik ausgerechnet von Ex-Kanzler Schröder

Und es ist eine Ironie dieser SPD-Geschichte, dass ausgerechnet der Mann, den die Sozialdemokraten als Paria aussortiert haben, den Genossen jetzt erklären muss, was Anstand und Strategie gleichermaßen erfordern. Ex-Kanzler Schröder sagt zurecht: Die Partei kann doch nicht den eigenen Bundeskanzler demontieren. Das schade allen. Der Partei, Scholz und Pistorius.

Was für ein verheerender Fehler dieser SPD-Führung, den amtierenden Bundeskanzler nicht direkt nach dem Ampel-Bruch offiziell von Präsidium und Vorstand als Kanzlerkandidaten nominiert zu haben. "Die Sache ist doch klar", sagte SPD-Chefin Saskia Esken und hatte keine Eile damit. Die Sache ist doch klar? Offenbar nicht in Nordrhein-Westfalen, nicht in anderen Landesverbänden, nicht bei Vertretern der Konservativen und der Linken in der SPD. Nicht bei denen, die Umfragen und Beliebtheitsranglisten höher schätzen als Loyalität zum eigenen Bundeskanzler.

Es gibt kein Anrecht für Olaf Scholz auf eine erneute Kanzlerkandidatur. Aber es gibt auch keine Notwendigkeit für das erbärmliche Schauspiel, dass die SPD gerade der Öffentlichkeit bietet.

Debatte schadet Scholz und Pistorius

Egal wer am Ende für die SPD ums Kanzleramt kämpfen wird, beide, Scholz wie Pistorius, haben schon jetzt eine dicke Delle im Blech. Wer eigentlich soll eine SPD wählen, wenn selbst die SPD nicht weiß, mit wem an der Spitze sie sich wählen lassen will. Wer soll Respekt vor einer SPD haben, die mit Respekt warb und den eigenen Kanzler derartig respektlos beschädigt?

Die SPD wird jetzt getrieben

Jetzt sitzen sie also am Abend in der SPD-Spitze zusammen. Die Chefstrategen, die keine Eile hatten, Scholz zu nominieren. Die sich nicht treiben lassen wollten von der Öffentlichkeit. Das hat ja hervorragend geklappt. Die SPD wird jetzt getrieben. Nicht von der Öffentlichkeit. Die staunt nur noch kopfschüttelnd. Es sind die eigenen Genossen, die ihre Parteispitze vor sich hertreiben. Und deshalb gilt: Stell Dir vor, die SPD stellt den Bundeskanzler und inszeniert die K-Frage als Trauerspiel.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 19. November 2024 um 14:20 Uhr.