Jubel in Aleppo über den Assad-Sturz
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Machtwechsel in Syrien Es ist ein Sturz ins Ungewisse

Stand: 08.12.2024 11:04 Uhr

Ein Diktator verschwindet über Nacht, eine Diktatur tut das nicht - sie hinterlässt Spuren, meint Anna Osius zum Sturz des Assad-Regimes. Viele Syrerinnen und Syrern haben nun Hoffnung. Doch vorerst stürzt das Land ins Ungewisse.

Ein Kommentar von Anna Osius, ARD Kairo

Es gibt wenige Momente in dieser Region, um Euphorie zu versprühen - aber heute ist so ein Moment. Der langjährige Diktator Assad geflüchtet, das Regime beendet, die Menschen tanzen auf den Straßen.

Dieser Tag gehört den Syrerinnen und Syrern weltweit, die sich seit Jahrzehnten vor der grausamen Herrschaft des gnadenlosen Diktators fürchten mussten, die ihre Liebsten und alles, was sie hatten, im Krieg verloren haben, die Giftgasangriffen ausgesetzte waren oder in den Foltergefängnissen jahrelang ohne Tageslicht hockten. Für all die, die keine Hoffnung mehr hatten. Dieser Tag schreibt Geschichte. 

Wer oder was kommt als nächstes?

Und gleichzeitig sind noch so viele Fragen offen: Wer oder was kommt als nächstes? Beispiele wie der Irak, Libyen, der Sudan oder Ägypten zeigen: Nach dem Ende einer Diktatur kommt etwas Neues - aber es muss nicht zwangsläufig besser sein.

Hoffnung machen erste Aussagen der Aufständischen, vor allem des Anführers al-Dscholani, dass Syrien ein Land für alle Syrerinnen und Syrer sein soll, für alle Volksgruppen, alle Denk- und Glaubensrichtungen, dass der Übergang friedlich erfolgen soll.

Aber sind das mehr als nur Lippenbekenntnisse? Immerhin hat al-Dscholani eine eindeutig dschihadistische Vergangenheit.

Syrien braucht jetzt Unterstützung

Vor allem braucht es jetzt Strukturen und Unterstützung, Syrien auf den neuen Weg zu bringen - es braucht Institutionen, Initiativen, Ideen. Auf diesen Moment haben Exilsyrerinnen und Syrer jahrelang gewartet - und ich hoffe, dass sie gehört werden mit ihren Plänen für ein neues Syrien.

Ein Diktator verschwindet über Nacht, eine Diktatur tut das nicht - sie hinterlässt Spuren. Es sind unzählige Waffen im Land, Milizen, Volksgruppen. Hoffentlich schaffen die Gruppen es, in mehr geeint zu sein als in dem Ziel, Assad zu stürzen. Die Syrerinnen und Syrer haben den Neuanfang verdient.

Dass sich Assad wie ein Dieb in der Nacht davongestohlen hat, passt zum Bild dieses jämmerlichen Diktators, der das Land für Jahrzehnte seiner Zukunft beraubt hat.

Assad ist gestürzt - aber es ist ein Sturz ins Ungewisse. Doch was immer da kommt: Dieser Tag bedeutet für Syrien: Die Hoffnung auf Freiheit.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 08. Dezember 2024 um 08:00 Uhr.