Liz Truss während ihrer Rede auf dem Parteitag der britischen Tory-Partei.
Kommentar

Truss' Parteitagsrede Der Baum brennt

Stand: 05.10.2022 17:57 Uhr

Die britische Premierministerin Truss konnte nicht erklären, wie sie ihre Steuersenkungspläne finanzieren will. Doch die Partei und ihre Chefin sind aneinandergefesselt. Truss droht - wie schon anderen Tory-Premiers vor ihr - der politische Niedergang.

Was für ein Märchen. Die Rede von Liz Truss auf dem Parteitag der Tories war eine naive Hommage an Steuersenkungen, den schlanken Staat, das Wirtschaftswachstum, das so einfach stimuliert werden könne - wenn man der Premierministerin glauben soll.

Es ist das Märchen von niedrigeren Steuern, die zu mehr Nachfrage führen, zu Investitionen, zu neuen Jobs, mehr Wachstum, höheren Steuereinnahmen. In der Theorie schon oft beschrieben, in der Praxis leider komplizierter und vor allem schuldenfinanziert oft nicht mehr als eine nette Geschichte.

Die Händler an den Finanzmärkten haben das in den vergangenen Tagen ähnlich eingeschätzt. Der Markt für Staatsanleihen geriet in Turbulenzen, die Notenbank musste intervenieren, damit Pensionsfonds nicht kollabieren.

Neuer Streit schon in Sicht

Doch Liz Truss will Kurs halten. Sie erhöht Wachstum zu einer Ideologie für die Partei, zu einem Versprechen, dass jeder davon profitieren werde. Sie will mit dieser Ankündigung die Partei hinter sich einen. Dass das kaum gelingen kann, hat dieser Parteitag gezeigt: Der Baum brennt. Es gab Streit und eine Kehrtwende um die geplante Absenkung des Spitzensteuersatzes, die einige Abgeordnete als obszön empfanden angesichts der schwierigen Situation für viele Familien, die ihre Rechnungen kaum bezahlen können.

Nun wird gestritten um die Sparmaßnahmen, mit denen - neben der Neuverschuldung - die weiteren Steuersenkungen und vor allem der Energiepreisdeckel finanziert werden sollen. So gibt es Ärger beim Thema Inflationsausgleich für Sozialleistungen. Ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

Politik des Wünsch-dir-was

Liz Truss preschte vor mit ihren Plänen, die Steuern zu senken, aber sie versäumte es, zu erklären, wie sie es finanzieren will. Details sollten erst Ende November, dann Ende Oktober, jetzt wieder Ende November mitgeteilt werden. Eine Doppel-Kehrtwende. Vor allem lässt Truss aber vermissen, wo sie nun Bürokratie abbauen will, wie sogenannte Investment-Zonen funktionieren sollen, in denen Firmen besondere Vergünstigungen erhalten sollen. Es ist einfach sehr viel Wünsch-dir-was in der Politik dieser Regierung.

Truss droht ein langsamer Niedergang

Die Umfragewerte für die Konservativen sind miserabel. Labour liegt weit vorne. Entsprechend mies ist die Stimmung an der konservativen Basis. In vielen Gesprächsrunden auf dem Parteitag deutete sich das in tief-schwarzem Humor an. Delegierte zogen Vergleiche mit der Titanic. Lokalpolitiker beklagten sich, sie hätten einfach keine Lust mehr, beim Wähler zu klingeln, um dann die Regierungspolitik verteidigen zu müssen.

Liz Truss und die Partei sind aneinandergefesselt. Es gibt keinen anderen Weg: Aus Sicht der Konservativen muss sie weitermachen. Bei einer Neuwahl würden die Konservativen massiv verlieren. So droht Liz Truss, was schon andere vor ihr erlitten, Theresa May zum Beispiel: der langsame politische Niedergang.

Redaktioneller Hinweis
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.
Christoph Prössl, Christoph Prössl, ARD London, 05.10.2022 18:52 Uhr