Einbruch beim Wohnungsbau Die unterschätzte Krise
Junge Familien finden keine bezahlbare Wohnung, immer mehr Geld geht für die Miete drauf, die Zahl der Wohnungslosen wächst. Was mittlerweile als Normalität empfunden wird, ist eine Krise mit Sprengkraft.
In Zeiten großer Krisen geraten selbst Notlagen leicht aus dem Blickfeld. Das gilt auch für die Talfahrt beim Wohnungsbau. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass in Deutschland hunderttausende Wohnungen fehlen. Und auch daran, dass die Lücke so schnell wohl nicht geschlossen werden wird.
Keine Wohnung zu finden - für viele längst normal
Mittlerweile wird das Desaster am Wohnungsmarkt im politischen Alltagsgeschäft abgehandelt. "Wir sind ja nicht untätig", heißt die Devise. "Und wir nehmen schon sehr viel Geld in die Hand!" Beides stimmt zwar - lenkt aber gleichzeitig davon ab, dass wir uns mit den Defiziten in der Wohnungsversorgung ganz offensichtlich abgefunden haben. Dass wir es fast für normal halten, wenn junge Familien keinen ausreichend großen, bezahlbaren Wohnraum finden. Wenn Millionen Menschen fast die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Wenn berufliche Mobilität daran scheitert, dass am neuen Arbeitsort einfach keine Wohnung zu finden ist.
Sprengkraft für die Gesellschaft
Die Wohnungsnot ist die unterschätzte Mega-Krise unserer Zeit. Ihre Sprengkraft für unsere Gesellschaft ist nicht geringer als der Krieg gegen die Ukraine und die Klimakrise. Sie wird nur nicht so spektakulär sicht- und spürbar - sieht man einmal von der wachsenden Zahl der Wohnungslosen ab, die sich in unseren Innenstädten durchzuschlagen versuchen. Dabei ist die Wohnungsnot eine Krise, die immer breitere Gesellschaftsschichten erreicht. Die unseren Alltag verändert, weil sie Zukunftspläne zunichte macht und Existenzängste auslöst. Deshalb muss ihr mit aller Konsequenz begegnet werden.
Dem Bauprogramm der Ampel droht das Scheitern
Man mag die Forderung von Baubranche, Baugewerkschaft und Mieterbund nach einem Sondervermögen von über 50 Milliarden Euro für überzogen halten. Ihren Warnruf, es drohe der "Gau auf dem Bau" für eine nach Aufmerksamkeit heischende Übertreibung. In der Sache aber hat das Bündnis vollkommen recht.
Stürzt der Wohnungsbau wegen steigender Zinsen, unzureichender Förderung und der in andere Branchen abwandernden Arbeitskräfte in die Krise, ist das ehrgeizige Neubauprogramm der Bundesregierung nicht mehr zu retten. Auf Nachholeffekte in kommenden Jahren zu hoffen, wäre ein Trugschluss. Die Gefahr, dass sich die aktuelle Wohnungsnot noch verschärft, ist durchaus real. Deshalb muss jetzt gehandelt werden - wenn nötig, mit einem weiteren "Doppel-Wumms".