Blumen liegen neben Fotos des verstorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny in Moskau
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Russischer Oppositioneller Tod von Nawalny - was wir wissen und was nicht

Stand: 20.02.2024 13:09 Uhr

Vier Tage ist der Tod des prominenten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny her. Noch immer hat seine Familie keinen Zugang zum Leichnam. Auch über die Todesursache herrscht Unklarheit. Was ist bislang bekannt?

Die Nachricht vom Tod Alexej Nawalnys hat viele Menschen in Russland und darüber hinaus erschüttert. Doch bis auf die Tatsache, dass der Oppositionelle gestorben ist, gibt es von den Behörden nicht viele Informationen. Auch bleibt der Leichnam des 47-Jährigen verschollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist passiert?

Am 16. Februar teilte die Gefängnisverwaltung der nördlichen Region Jamalo-Nenez im hohen Norden Sibiriens, wo Nawalny seit Dezember im Straflager inhaftiert war, mit, der 47-Jährige sei verstorben.

Die Gefängnisverwaltung erklärte, Nawalny habe sich nach einem Spaziergang schlecht gefühlt und "fast unverzüglich" das Bewusstsein verloren. Die herbeigerufenen Rettungskräfte hätten versucht, Nawalny wiederzubeleben, was jedoch "keine positiven Ergebnisse brachte". Um 14.17 Uhr Ortszeit stellten die Ärzte demnach seinen Tod fest.

Welche Angaben machen die Behörden zur Todesursache?

Eine genaue Todesursache nannten die Behörden bislang nicht. Am Tag nach Nawalnys Tod sprachen sie vom "plötzlichen Todessyndrom". Dies sei Nawalnys Mutter Ljudmila im Straflager mitgeteilt worden, schrieb sein Vertrauter Iwan Schdanow auf der Plattform X.

Der propagandistische russische Staatssender RT zitierte hingegen eine namentlich nicht genannte Quelle mit den Worten, Nawalny sei an einem Blutgerinnsel gestorben. Offizielle Obduktionsberichte oder Laborergebnisse gibt es noch nicht.

Wo ist Nawalnys Leichnam?

Es ist bislang unklar, wo sich Nawalnys Leiche befindet. Seine Mutter hatte sich gemeinsam mit seinen Anwälten nach der Todesnachricht auf den Weg ins Straflager gemacht, um den Leichnam entgegenzunehmen. Dort wurde ihnen zunächst mitgeteilt, dieser befinde sich in der Leichenhalle in der nordrussischen Stadt Salechard.

In Salechard hieß es anfänglich allerdings, die Leiche sei nicht bei ihnen. Später wurden laut Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch jegliche Aussagen verweigert und der Mutter sowie den Anwälten der Zugang zur Leichenhalle verwehrt. Einer der Anwälte sei "buchstäblich hinausgestoßen" worden.

Inzwischen hätten die Behörden Ljudmila Nawalnaja mitgeteilt, dass die Leiche erst in 14 Tagen herausgegeben werde, weil es angeblich "chemische Untersuchungen" geben solle.

Was sagen Nawalnys Familie und Weggefährten?

Nawalnys Weggefährten werfen der Regierung von Präsident Wladimir Putin und den Behörden in dem Todesfall Lügen sowie eine Vertuschung der Todesursache vor. Sie sprechen von Mord und machen Putin dafür direkt verantwortlich. Die Aussagen über die chemische Untersuchung seien eine "offenkundige Lüge und Hohn", schrieb Jarmysch auf der Plattform X. "Nawalnys Leiche wird versteckt, um Spuren des Mordes zu verbergen."

Auch Nawalnys Ehefrau Julia sagte am Montag in einer Videobotschaft: "Putin hat meinen Mann umgebracht." Ihr Mann sei im Straflager zu Tode gequält und gefoltert worden. Der Name desjenigen, der den Mord im Auftrag Putins ausgeführt habe, werde in Kürze veröffentlicht, kündigte sie an.

Nawalny-Anwalt Leonid Solowjow sagte seinerseits der Zeitung "Nowaja Gazeta Europa", dass ein Kollege den 47-Jährigen noch zwei Tage vor seinem Tod gesehen habe. "Da war alles normal". Auf Aufnahmen, die Nawalny am Tag vor seinem Tod bei der Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung per Videoschalte zeigen sollen, lacht er und macht Witze über den Richter.

Welche Versionen über Nawalnys Tod kursieren noch?

Die Zeitung "Nowaja Gazeta Europa" zitiert einen Häftling, wonach es in der Strafkolonie bereits am Abend des 15. Februar ein "unklares Durcheinander" gegeben haben soll. Die abendliche Überprüfung sei demnach schneller und chaotischer abgelaufen. Danach seien die Insassen eingesperrt und die Bewachung verstärkt worden.

Am Morgen des 16. Februar seien die Zellen "komplett" durchsucht worden. Die Nachricht vom Tod Nawalnys habe sich nach den Worten des Häftlings bereits um 10 Uhr morgens verbreitet. Er äußert die Vermutung, dass Nawalny bereits am Abend des 15. Februar gestorben sein könnte - dazu für die Gefängnisleitung vollkommen überraschend.

Die Zeitung berichtet zudem unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Mitarbeiter des Notfalldienstes, der Leichnam sei in ein Krankenhaus in der Region gebracht worden. Er weise Blutergüsse auf. Dies seien Hinweise auf eine Art Krampfanfall und Herzmassagen zur Wiederbelebung. Allerdings geht aus dem Zeitungsbericht hervor, dass der Informant selbst Nawalny nach dessen Tod nicht gesehen habe, sondern über seinen Zustand nur von Kollegen informiert worden sei.

Was ist über die Haftbedingungen im Straflager bekannt?

Das Straflager in Sibirien, in welches Nawalny im Dezember nach mehrtägiger Reise verlegt worden war, ist für seine drastischen Haftbedingungen berüchtigt. Nawalny hatte von vielen Sonderstrafen in Isolationshaft berichtet - in einer zwei mal drei Meter kleinen Strafzelle, in der das Bett tagsüber an die Wand geschnallt werde, damit man sich nicht hinlegen könne, wie es Nawalnys Team beschrieb.

Während dieser Zeit wurden ihm Spaziergänge um 6.30 Uhr morgens gewährt - während andere Häftlinge gegen Mittag nach draußen dürften, wenn es "ein paar Grad mehr sind", schrieb Nawalny auf seinen sozialen Kanälen. "Aber kälter als -32 Grad wurde es bislang nicht."

Während der Isolationshaft werden den Gefangenen zudem Besuche und Anrufe untersagt, auch dürfen sie nicht im Gefängnisladen einkaufen. Mit Isolationshaft bestraft wurde er, wie er in einem Post erzählte, etwa dafür, dass er sich den Gefängniswärtern nicht nach Vorschrift vorstellte.

Insgesamt war Nawalny seit Beginn seiner Haft im Jahr 2021 nach Angaben seiner Pressesprecherin 27 Mal in Isolationshaft. Drei Mal davon in den zwei Monaten im Lager in Sibirien - zuletzt für 15 Tage. Zusammengerechnet verbrachte Nawalny 308 Tage in Isolationshaft, so Jarmysch.

Dazu klagte er immer wieder darüber, dass ihm adäquate medizinische Versorgung verwehrt worden sei. Es gab auch Berichte über gesundheitliche Probleme des 47-Jährigen in Haft - wie etwa Rückenschmerzen.

Björn Blaschke, ARD Moskau, tagesschau, 20.02.2024 13:20 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. Februar 2024 um 23:15 Uhr.