Flüchtlinge aus Chan Yunis sitzen mit ihrem Hab und Gut auf einem voll gepackten Lastwagen.
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Krieg in Nahost ++ Fast zwei Millionen Flüchtlinge im Gazastreifen ++

Stand: 02.07.2024 21:57 Uhr

Laut UN sind im Gazastreifen fast zwei Millionen Menschen auf der Flucht. Im Süden des Libanon ist nach libanesischen Angaben ein Zivilist bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.

02.07.2024 • 21:57 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für das Interesse.

Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge mindestens 31 Menschen getötet worden. Allein in der Stadt Gaza seien 17 Palästinenser ums Leben gekommen, hieß es laut der Nachrichentagentur dpa aus medizinischen Kreisen des Küstengebiets. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, die Berichte zu prüfen. Bei Angriffen im Süden des Küstengebiets wurden acht Menschen getötet, hieß es aus medizinischen Kreisen weiter. 

Israels Armee hatte zuvor mitgeteilt, nach Raketenbeschuss auf israelische Ortschaften aus dem Gebiet in der Nacht Ziele angegriffen zu haben. Bewohner östlicher Viertel der Stadt Chan Junis wurden demnach zuvor aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Die Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) reklamierte den Angriff auf israelische Grenzorte mit rund 20 Raketen am Vortag für sich. 

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Vize-Chef der Hisbollah hat ein Ende der Kämpfe im libanesisch-israelischen Grenzgebiet an eine umfassende Waffenruhe im Gaza-Krieg geknüpft. "Wenn es eine Waffenruhe in Gaza gibt, werden wir ohne Diskussion aufhören", sagte Scheich Naim Kassem im Interview mit der Nachrichtenagentur AP im politischen Büro der Miliz im Süden von Beirut. Bei der Beteiligung der Hisbollah am Krieg zwischen Israel und der Hamas sei es darum gegangen, für ihren Verbündeten, die Hamas, eine "Unterstützungsfront" aufzubauen. "Wenn der Krieg endet, wird diese militärische Unterstützung nicht länger existieren."

Sollte Israel seinen Militäreinsatz hingegen ohne ein formales Waffenstillstandsabkommen und einen vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen zurückfahren, seien die Auswirkungen auf den Konflikt im libanesisch-israelischen Grenzgebiet weniger eindeutig, schränkte Kassem ein.

Angesichts der schwierigen humanitären Lage im Gazastreifen versorgt Israel nach eigenen Angaben im Süden des abgeriegelten Küstengebiets eine Wasserentsalzungsanlage mit Strom. "Derzeit produziert die Anlage nur 5.000 Kubikmeter Wasser pro Tag. Mit der neuen Stromleitung aus Israel wird die Anlage ihre Produktion auf 20.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag steigern", teilten die Armee sowie die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat mit. 

Das Werk versorgt demnach die Gebiete Deir al-Balah, Chan Yunis und Al-Mawasi mit Trinkwasser. Dort befindet sich derzeit ein großer Teil der Bevölkerung. Demnach betreibt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF die Entsalzungsanlage, die Meerwasser zum Trinken aufbereitet. Die UN warnen schon lange, dass es im Gazastreifen an sauberem Wasser fehlt. Verunreinigtes Wasser kann Krankheitsausbrüche begünstigen. 

Im Gazastreifen sind nach UN-Angaben infolge des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Terrororganisation Hamas 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht. Mehr als eine Million Menschen seien "erneut vertrieben" worden, sagte die UN-Beauftragte für humanitäre Hilfe im Gazastreifen, Sigrid Kaag,vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. "1,9 Millionen Menschen sind jetzt im gesamten Gazastreifen auf der Flucht."

Sie sei "zutiefst besorgt über Berichte über neue Evakuierungsanordnungen in der Gegend von Chan Yunis", sagte Kaag. Die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen sei "in einen Abgrund des Leidens" gestürzt worden. Der Krieg habe "nicht nur die tiefste humanitäre Krise ausgelöst", so Kaag. "Er hat einen Strudel des menschlichen Elends ausgelöst."

Im Süden des Libanon ist nach libanesischen Angaben ein Zivilist bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Wie die staatliche libanesische Nachrichtenagentur ANI berichtete, traf der Angriff die in unmittelbarer Nähe zur israelischen Grenze gelegene Ortschaft Al-Bustan. Zuvor hatte ANI von Angriffen israelischer Kampfjets berichtet. Dem Ortsvorsteher von Al-Bustan zufolge war das Todesopfer ein rund 50 Jahre alter Bauer, dessen Haus bei dem Angriff getroffen wurde. Der libanesische Landwirtschaftsminister Abbas Hadsch Hassan schrieb im Onlinedienst X, der getötete Landwirt habe im Widerstand gegen die "Besatzung" sein "Leben geopfert".

Gut drei Wochen nach der Befreiung ihrer Tochter Noa aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen ist die schwerkranke Liora Argamani gestorben. Das behandelnde Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv und das Forum der Geiselfamilien bestätigten den Tod der Frau. Sie sei 61 Jahre alt geworden, berichteten Medien.

Benny Gantz, bis vor kurzem Mitglied des inzwischen aufgelösten Kriegskabinetts, und Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu drückten Noa und ihrem Vater ihr Beileid aus. Liora hatte mehrfach öffentlich in herzergreifenden Videos darum gebeten, ihre entführte Tochter vor ihrem Tod noch einmal wiederzusehen zu können. Vor gut drei Wochen rettete eine israelische Spezialeinheit die 25-jährige Noa dann zusammen mit drei anderen Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas. 

Im Fall der südafrikanischen Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof hat die israelische Seite einen Ad-hoc-Richter benannt. Ron Schapira werde Aharon Barak ersetzen, der im Juni aus familiären Gründen seinen Posten am IGH aufgegeben hatte, sagten israelische Vertreter. Schapira steht dem Internationalen Gerichtshof kritisch gegenüber.

Schapira ist Rektor des Peres Academic Center und ehemaliger Dekan der juristischen Fakultät der Bar-Ilan-Universität. Er bezeichnete laut Berichten israelischer Medien auf seiner persönlichen Facebook-Seite das Gericht als ein Gremium, dem fast alle Einwohner Israels kein Vertrauen schenkten. Nun wird Schapira Teil des Richtergremiums des Gerichts sein, das über die Klage Südafrikas entscheiden soll, in der die israelische Offensive im Gazastreifen als Völkermord bezeichnet wird.

02.07.2024 • 12:33 Uhr

Tausende Palästinenser fliehen

Tausende Palästinenser fliehen im südlichen Gazastreifen aus ihren Häusern. Zuvor hatte das israelische Militär einige Gebiete dort bombardiert. Dabei seien mehrere Palästinenser getötet worden, teilt die von der Hamas geführte Gesundheitsbehörde mit.

Die israelische Armee hatte die Bewohner mehrerer Städte und Dörfer bereits am Montag aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Tausende Menschen, die dem Aufruf nicht gefolgt waren, mussten in der Nacht ihre Häuser verlassen, als israelische Panzer verschiedene Gebiete bombardierten, die in der Evakuierungsanordnung genannt worden waren.

Bei Gefechten im Zentrum des Gazastreifens sind nach Angaben des israelischen Militärs zwei Soldaten getötet worden. Ein dritter wurde bei dem Einsatz schwer verwundet, wie die Streitkräftemitteilten. Ein zelheiten zu den Kämpfen wurden nicht genannt.

Die Terrorgruppe Islamischer Dschihad teilte mit, sie habe am Montag israelische Versorgungslinien im sogenannten Netzarim-Korridor im Zentrum des Gazastreifens beschossen, einer Verbindungsroute durch das Küstengebiet.

Das israelische Militär legte den Korridor, der sich von der Grenze bis zum Meer erstreckt, zu Beginn des Krieges an, um den nördlichen Gazastreifen vom Süden abzutrennen. Eine unabhängige Bestätigung der Angaben zu den Gefechten war nicht möglich.

Seit Beginn des Gaza-Krieges wurden laut dem israelischen Militär 674 Soldaten getötet, mehr als die Hälfte davon bei dem Angriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober, der die Kämpfe auslöste.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Mehr als 70 Professoren haben gegen Antisemitismus im deutschen Wissenschaftsbetrieb protestiert. Auf der Website profs-against-antisemitism.de stellten sie sich "ohne Wenn und Aber" vor jüdische Studenten und Kollegen. Man werde alles tun, damit diese "unversehrt und sicher an unseren Einrichtungen studieren und arbeiten können und sich Jüdinnen und Juden in Deutschland darüber hinaus sicher fühlen".

Indirekt nahmen die Unterzeichner auch Bezug auf sogenannte propalästinensische Camps an deutschen Unis und erklärten, dass sie "antisemitische Ausgrenzung, das Verwenden von Terror-Symbolen, die Infragestellung des Existenzrechts Israels, jegliche Form von Gewalt und Verwüstungen in Universitätsgebäuden aufs Schärfste verurteilen". Es sei im Sinne der Unterzeichner, dass Judenhass an den Einrichtungen geächtet und geahndet werde.

Nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen hat die israelische Armee erneut Luftangriffe im Süden des Palästinensergebietes ausgeführt. Augenzeugen berichteten von mehreren Bombardements in und um die Stadt Chan Junis. Nach Angaben von Rettungskräften und des Palästinensischen Roten Halbmonds wurden dabei acht Menschen getötet und mehr als 30 weitere verletzt.

Der Beschuss folgte auf Raketenangriffe auf israelische Orte in der Nähe des Gazastreifens, zu denen sich die Gruppe Islamischer Dschihad bekannte. Es handele sich um Vergeltung für "Verbrechen" gegen das palästinensische Volk, erklärte der bewaffnete Arm der Gruppe, die Al-Kuds-Brigaden. Die israelische Armee erklärte, etwa 20 Geschosse seien aus der Gegend um Chan Junis abgefeuert worden. Die meisten wurden demnach abgefangen und es wurden keine Opfer gemeldet. Die Armee habe daraufhin "die Quellen des Feuers" beschossen.

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

02.07.2024 • 10:05 Uhr

"Die Kämpfe werden weiter gehen"

Christian Limpert, ARD-Korrespondent in Tel Aviv, zur militärischen Lage der Hamas im Gazastreifen und über ein eventuelles Ende der israelischen Bodenoffensive.

"Die Kämpfe werden weiter gehen", Christian Limpert, ARD Tel Aviv, zu aktueller Lage im Nahen Osten

tagesschau24, 02.07.2024 09:00 Uhr

Die wichtigste Etappe im Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen könnte nach den Worten von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bald vorbei sein. "Wir bewegen uns auf das Ende der Phase der Zerschlagung der Terrorarmee der Hamas zu", sagte er in Jerusalem bei einem Empfang für Kadetten der Nationalen Verteidigungsakademie. "Wir werden damit fortfahren, ihre Überreste zu bekämpfen."

Netanyahu hatte zuvor mit Mitgliedern der Gaza-Division gesprochen, die derzeit Soldaten in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens im Einsatz hat. Er habe dort "sehr beträchtliche Fortschritte" gesehen, sagte er. Die Offensive an der Grenze zu Ägypten gilt der Zerschlagung der letzten größeren Kampfverbände der Hamas. In Form von kleineren Trupps bleibt die islamistische Miliz allerdings weiterhin militärisch aktiv. 

Die Worte des israelischen Regierungschefs deuten darauf hin, dass die große Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen bald enden könnte.

Die Zahl der palästinensischen Todesopfer durch die anhaltenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen ist nach Angaben der von der Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden auf 37.877 gestiegen. Darüber hinaus seien seit Oktober 2023 mehr als 86.900 Menschen verwundet worden. In den vergangenen 24 Stunden habe die israelische Armee nach Angaben der Behörden 43 Menschen getötet und 111 weitere verwundet.

Die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) gaben am Sonntag eine Erklärung ab, wonach die israelische Armee weiterhin Militäroperationen in Gaza-Stadt, Rafah und einigen anderen Gebieten durchführte und dabei mehrere militante Palästinenser tötete. In einer in den sozialen Medien veröffentlichten Erklärung teilte das Gesundheitsministerium des Gazastreifens mit, dass die verbleibenden Krankenhäuser, medizinischen Zentren und Sauerstoffstationen im Gazastreifen innerhalb von 48 Stunden ihren Betrieb einstellen werden, da der für den Betrieb der Generatoren benötigte Treibstoff bald aufgebraucht sein werde.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Angehörige der Opfer des Hamas-Angriffs auf Israel im vergangenen Oktober haben in den USA mehrere Drittstaaten wegen deren angeblicher Unterstützung der Terrororganisation verklagt. Der Iran, Syrien und Nordkorea hätten die Hamas mit Waffen, Geld und Ausbildung überhaupt erst in die Lage versetzt, das Massaker mit Hunderten Toten zu verüben, hieß es in der von der Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League vor einem Bundesgericht in Washington eingereichten Klage im Namen von 125 Opfern und deren Familien. Die Kläger fordern eine Entschädigung in Höhe von mindestens vier Milliarden US-Dollar (3,7 Milliarden Euro) für die Entführung und Ermordung ihrer Angehörigen.

"Wir wollen Gerechtigkeit für unsere und andere Familien, die Opfer dieser schrecklichen Tat wurden. Deshalb haben wir uns der Zivilklage angeschlossen", sagte Nahar Neta, dessen Mutter bei dem Massaker getötet wurde. Sollte die Klage erfolgreich sein, könnten die Familien aus einem vom US-Kongress aufgesetzten Fonds für Terroropfer entschädigt werden. Das Geld stammt aus beschlagnahmtem Vermögen und Strafzahlungen etwa von Unternehmern, die illegale Geschäfte mit Staaten gemacht haben, die als Terror-Unterstützer eingestuft und sanktioniert worden sind.

Die israelische Armee hat Zivilisten aufgerufen, den östlichen Teil der Stadt Chan Yunis im Gazastreifen zu verlassen. Die Lufthansa-Gruppe stellt Nachtflüge von und nach Libanons Hauptstadt Beirut vorübergehend ein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. Juli 2024 um 09:00 Uhr.