Ein Helfer verabreicht einem palästinensischen Kind in Zawayda im zentralen Gazastreifen den Polio-Impfstoff.
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Krieg in Nahost ++ Erste Phase der Polio-Impfkampagne abgeschlossen ++

Stand: 05.09.2024 06:52 Uhr

Die erste Phase einer großen Polio-Impfkampagne im Gazastreifen ist laut WHO erfolgreich abgeschlossen worden. Mitglieder des UN-Sicherheitsrates drängen Israel und die Hamas zu einer Waffenruhe. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Die radikalislamische Hamas hat dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vorgeworfen, ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen vereiteln zu wollen. Netanyahu nutze Verhandlungen um "die Angriffe gegen unser Volk auszudehnen", erklärte die Palästinensergruppe im Onlinedienst Telegram. "Wir brauchen keine neuen Vorschläge", erklärte die Hamas unter Verweis auf einen vor Monaten von US-Präsident Joe Biden vorgelegten Kompromiss.

Netanyahu hatte der Hamas zuvor vorgeworfen, in den Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln "alles abgelehnt" zu haben. Die seit Monaten anhaltenden Gespräche über ein Abkommen zu einer Waffenruhe brachten bisher kein Ergebnis.

Die erste Phase einer großangelegten Polio-Impfkampagne im Gazastreifen ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfolgreich abgeschlossen worden. Vom 1. bis zum 3. September seien mehr als 187.000 Kinder unter zehn Jahren im zentralen Gazastreifen geimpft worden, teilte die WHO mit. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus dankte im Onlinedienst X all denjenigen, die die Kampagne "zu einem Erfolg gemacht haben".

Auf Drängen der WHO hatte Israel "humanitären Pausen" im Krieg gegen die radikalislamische Hamas zugestimmt, um im Gazastreifen mehr als 640.000 Kinder gegen Polio impfen zu können. Zuvor war erstmals seit 25 Jahren ein Fall von Kinderlähmung bei einem Baby im Gazastreifen nachgewiesen worden. 

Als nächstes sollen in den kommenden fünf Tagen geschätzte 340.000 Kinder im Süden des Palästinensergebiets gegen Polio geimpft werden. Vom 9. bis zum 11. September soll die Kampagne dann mit der Impfung weiterer 150.000 Kinder im Norden des Gazastreifens zu Ende geführt werden.

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Fahrzeug in der Stadt Tuba im Westjordanland sind nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa mindestens fünf Palästinenser ums Leben gekommen. Eine weitere Person wurde bei dem Vorfall verletzt, hieß es.

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, und der israelische Minister für strategische Angelegenheitn, Ron Dermer, haben bei einem virtuellen Treffen über die anhaltenden Spannungen an der israelisch-libanesischen Grenze diskutiert. Das berichtete ein US-Regierungsvertreter, der über den Vorgang informiert war, aber anonym bleiben wollte.

Auch der Nahost-Berater des Weißen Hauses, Brett McGurk, und US-Spitzenberater Amos Hochstein hätten sich an dem Gespräch am Mittwoch beteiligt, sagte er. Es sei um die Sorge gegangen, dass die Spannungen zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah dazu führen könnten, dass sich der Gaza-Krieg zu einem regionalen Flächenbrand ausweitet.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, sagte, Vertreter der US-Regierung hätten am Mittwoch auch die Gespräche mit israelischen, ägyptischen und katarischen Vertretern über eine Waffenruhe im Gazastreifen fortgesetzt. Kirby lehnte es jedoch ab, zu bestätigen, dass es zu dem Gespräch zwischen Sullivan und Dermer kam.

Amnesty International wirft dem israelischen Militär vor, nach Erlangung der Kontrolle im östlichen Gazastreifen systematisch landwirtschaftliche Flächen und Tausender Häuser in diesem Gebiet zerstört zu haben. Dieses Vorgehen, eine "Pufferzone" entlang der östlichen Abgrenzung des besetzten Gazastreifens erheblich auszuweiten, müsse als Kriegsverbrechen untersucht werden, fordert die Menschenrechtsorganisation.

Eigene Recherchen zeigten, dass es sich dabei möglicherweise um die Kriegsverbrechen der mutwilligen Zerstörung und Kollektivbestrafung handele. Mit Bulldozern und Sprengsätzen habe das israelische Militär rechtswidrig landwirtschaftliche Flächen und zivile Gebäude zerstört sowie ganze Stadtviertel mit Häusern, Schulen und Moscheen dem Erdboden gleichgemacht, hieß es in der Mitteilung weiter. Die Häuser seien nicht im Zuge von Kampfhandlungen zerstört worden, sondern nachdem das Militär die Kontrolle über das Gebiet erlangt habe.

Durch die Analyse von Satellitenbildern und Videos, die von israelischen Streitkräften zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 in sozialen Medien gepostet worden seien, habe Amnesty entlang der östlichen Abgrenzung des Gazastreifens einen neu zerstörten Landstrich identifiziert, der zwischen einem und 1,8 Kilometer breit sei, so die Menschenrechtsorganisation. 

Das Weiße Haus bereitet Insidern zufolge einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen vor. Ziel sei es, die Hauptstreitpunkte in den monatelangen Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas zu lösen, erklärten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Ein neuer Entwurf könnte demnach nächste Woche oder sogar früher vorgelegt werden.

Israel und die islamistische Hamas sind sich nach Angaben eines US-Regierungsvertreters bei den indirekten Gesprächen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln in vielen Bereichen einig geworden. In 14 von 18 Punkten des Vorschlags, der die Gräben in den Waffenruhe-Gesprächen überbrücken soll, bestehe zwischen beiden Seiten Einigkeit, sagte der ranghohe Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte.

Technische Differenzen gebe es in Bezug auf einen Punkt - und tiefergehende Meinungsverschiedenheiten bezüglich drei weiterer Punkte des Vorschlags. Letztere sind der Zahl der in Israel inhaftierten Palästinenser gewidmet, die im Austausch gegen israelische Geiseln in der ersten Phase eines Dreistufenplans freigelassen werden sollen. Die Hamas erhob den Angaben zufolge zudem Einwände gegen eine fortgesetzte Präsenz israelischer Streitkräfte im sogenannten Philadelphi-Korridor.

Israels Premier Netanyahu will die Armee nicht aus dem Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen Gazastreifen und Ägypten abziehen. Das erschwert die Einigung mit der Hamas auf eine Waffenruhe erheblich. Torpediert Netanyahu die Verhandlungen bewusst?

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist zur ersten Station ihrer Nahost-Reise in Saudi-Arabien eingetroffen. Baerbock landete in der Nacht zum Donnerstag kurz vor Mitternacht (MESZ) in Riad. In der saudi-arabischen Hauptstadt trifft sie am Morgen (08.00 MESZ) den Außenminister des Königreichs, Faisal bin Farhan. Anschließend reist die Ministerin nach Jordanien weiter, für Freitag stehen politische Gespräche in Israel und im Westjordanland auf ihrer Agenda.

Es ist Baerbocks elfte Reise in die Region seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober. Im Zentrum stehen die Bemühung um ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Hamas-Geiseln im Gazastreifen sowie die humanitäre Hilfe für die Menschen in dem Palästinensergebiet.

Nach der Tötung von sechs israelischen Geiseln haben Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Israel und die Hamas zu einer Einigung auf eine Waffenruhe gedrängt. "Wir wissen, dass der beste Weg, die verbleibenden Geiseln zu retten und das Leid der palästinensischen Zivilisten zu lindern, ein ausgehandelter Waffenstillstand ist, der die Geiseln freilässt und die Voraussetzungen für eine Aufstockung der lebensrettenden Hilfe in Gaza schafft", sagte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield. 

Chinas Vize-Botschafter Geng Shuang sagte: "Die Waffenstillstandsverhandlungen wurden zu lange hinausgezögert, und das Leid der Bevölkerung hat zu lange angehalten. Es ist Zeit, dem allem ein Ende zu setzen." Ähnlich äußerten sich auch die Vertreter von Großbritannien, Frankreich, Japan und Russland. Gleichzeitig verurteilten eine Reihe von Staaten die Hamas für den Tod der Geiseln, die nach israelischen Angaben kurz vor ihrem Auffinden durch Schüsse in den Kopf getötet wurden.

Im Gazastreifen konnten laut dem Hilfswerk UNICEF bereits mehr als 189.000 Kinder gegen Polio geimpft werden - mehr als erhofft. Bundesaußenministerin Baerbock reist erneut in den Nahen Osten.