Ursula von der Leyen
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Krieg gegen die Ukraine ++ EU-Kommission schlägt neue Sanktionen vor ++

Stand: 07.12.2022 23:04 Uhr

Die EU-Kommission will ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland verhängen. Die Hälfte der mobilisierten russischen Reservisten befindet sich Präsident Putin zufolge im Einsatz in der Ukraine. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.

07.12.2022 • 23:04 Uhr

Ende des Liveblogs

Für heute beenden wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

Russische Sicherheitskräfte haben offiziellen Angaben zufolge einen verurteilten Straftäter festgenommen, der in einer Grenzregion zur Ukraine mit einem Maschinengewehr auf Polizisten geschossen haben soll. Einem russischen Medienbericht zufolge soll es sich dabei um einen Deserteur der in der Ukraine kämpfenden Söldnertruppe Wagner handeln. Dem russischen Ermittlungskomitee zufolge steht der 38-jährige Mann im Verdacht, am Dienstag in der zur russischen Grenzregion Rostow gehörenden Stadt Nowoschachtinsk auf eine Gruppe Polizisten geschossen und dabei einen von ihnen verletzt zu haben. Er sei nach fast 24-stündiger Fahndung in dem Dorf Kiseljowo gefasst worden.

Laut den Ermittlern war der Verdächtige zuvor wegen "Diebstahls und Raubs" verurteilt worden. Nach Informationen des Telegram-Kanals Basa, der für seine guten Kontakte zu den russischen Sicherheitskräften bekannt ist, verbüßte der Mann seine Strafe in einer russischen Strafkolonie, als er von der Wagner-Truppe für den Kampf in der Ukraine rekrutiert wurde. Später habe er seine Meinung aber geändert und sei desertiert. Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren.

Wegen des Ukraine-Kriegs will die EU-Kommission neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Das schlug Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den EU-Mitgliedstaaten vor. "Russland bringt weiterhin Tod und Verwüstung in die Ukraine», schrieb sie auf Twitter. "Wir stehen an der Seite der Ukraine und lassen Russland für seine Grausamkeiten bezahlen."

Mit dem neunten Paket sollen fast 200 Personen und Organisationen zur Sanktionsliste hinzugefügt werden. Dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zufolge geht es etwa um Mitglieder des russischen Militärs, der Verteidigungsindustrie sowie der Regierung. Es sollen unter anderem diejenigen getroffen werden, die für die Raketenangriffe auf die Ukraine sowie den Diebstahl von ukrainischem Getreide verantwortlich sind. Zudem sollen drei weitere russische Banken sanktioniert werden, wie von der Leyen mitteilte. Die Sanktionen sollen auch Russlands Zugang zu Drohnen einschränken, insbesondere über Drittländer wie den Iran.

Von der Leyen nannte auch neue Exportbeschränkungen für Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Es sollen vier Nachrichtenorganisationen, die der Kommissionschefin zufolge Propaganda verbreiten, vom Netz genommen werden. Zum Schluss nannte sie wirtschaftliche Maßnahmen gegen den russischen Energie- und Bergbausektor. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden nun von den EU-Mitgliedstaaten diskutiert. Im Idealfall sollen sie nächste Woche beschlossen werden und in Kraft treten.

Im Rahmen eines neuen Abkommens steigern die USA ihre Exporte von Flüssigerdgas nach Großbritannien. Die von US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premierminister Rishi Sunak bekanntgegebene Vereinbarung sieht eine Zusammenarbeit beider Länder zur Stärkung der Energiesicherheit vor. Zudem soll sie dazu beitragen, die seit der russischen Invasion in die Ukraine drastisch gestiegenen Energiepreise zu drücken. Ziel sei unter anderem, die weltweite Abhängigkeit von russischen Energieexporten zu reduzieren und die westlichen Energiemärkte zu stabilisieren.

Dem Abkommen zufolge wollen die USA im Lauf des kommenden Jahres mindestens neun Milliarden bis zehn Milliarden Kubikmeter Flüssiggas über britische Terminals exportieren, mehr als doppelt so viel wie 2021. Dies sei sowohl für Großbritannien als auch für europäische Partner gut, um die Gasspeicher im kommenden Jahr wieder aufzufüllen, erklärten das Weiße Haus und das Büro des Premierministers.

Einem Bericht zufolge hat Deutschland dem Vorschlag der polnischen Regierung für die Stationierung der angebotenen Patriot-Flugabwehrsysteme grundsätzlich zugestimmt. Das meldet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Berlin. Am Vortag hatte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak auf Twitter erklärt, man arbeite daran, die Patriots auf polnischem Gebiet zu stationieren und sie dem polnischen Kommandosystem zu unterstellen. Von deutscher Seite hieß es dazu, die Waffensysteme seien Teil der integrierten NATO-Luftverteidigung und würden bei einer Reaktion auf einen Angriff auch von der NATO geführt werden. Zuvor hatte es auf beiden Seiten Verstimmungen gegeben, nachdem polnische Regierungsvertreter vorgeschlagen hatten, die deutschen Waffensysteme der Ukraine zu überlassen.

07.12.2022 • 17:51 Uhr

IOC hält an Sanktionen fest

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hält an den Sanktionen gegen Russland und Belarus fest. Es sucht aber nach einer einheitlichen internationalen Lösung für die Teilnahme von Athleten aus den beiden Ländern. "Es dürfte keine Überraschung sein, dass die Sanktionen gegen die Länder Russland und Belarus und deren Regierungen in keiner Weise infrage gestellt wurden", sagte IOC-Präsident Thomas Bach nach einer Sitzung des Exekutivkomitees.

"Ich werde nicht müde zu erklären, dass die Teilnahme von Athleten sehr verschieden ist von den Sanktionen für ihre Regierungen", so Bach weiter. "Die Position der olympischen Bewegung war und ist, Athleten dürfen nicht für Handlungen ihrer Regierungen bestraft werden." Manche Regierungen hätten ihren Athleten gedroht, finanzielle Unterstützung zu streichen, wenn sie gegen Sportler aus den beiden Ländern antreten. "Alles das hat uns in ein großes Dilemma gebracht, weil der Start bei Wettkämpfen nicht mehr auf sportlichen Fähigkeiten basierte, sondern auf politischen Entscheidungen", sagte Bach. "Wir brauchen Wege, um das Dilemma zu lösen."

Der russische Präsident Wladimir Putin hat betont, dass die nuklearen Waffen der Atommacht nur dem Schutz des Landes und seiner Verbündeten sowie der Abschreckung dienten. Der Kremlchef wies bei einem Treffen mit dem von ihm selbst eingesetzten Menschenrechtsrat Befürchtungen zurück, dass Russland die Waffen für einen Erstschlag einsetzen könnte. Russlands Militärstrategie sehe den Einsatz von Massenvernichtungswaffen als Reaktion auf einen Angriff vor. "Das bedeutet, wenn gegen uns ein Schlag verübt wird, dann schlagen wir als Antwort zurück", sagte er. Russland sehe die Waffen als "Schutz".

Gleichwohl meinte Putin bei dem Treffen, dass die "Gefahr eines Atomkriegs" zunehme. "Die Gefahr wächst", sagte er.

Die USA haben sich nach eigenen Angaben gegenüber der Ukraine sehr klar über die Verantwortlichkeit für Waffensysteme und ihre Besorgnis über eine Eskalation des Krieges mit Russland geäußert. "Wir haben unsere Besorgnis über eine Eskalation konsequent zum Ausdruck gebracht", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby.

"Wir haben sie nicht ermutigt, dies zu tun", sagte Kirby zu Journalisten mit Blick auf vermeintliche ukrainische Drohnenangriffe auf zwei Luftwaffenstützpunkte weit im russischen Landesinneren.

Die Hälfte der im September einberufenen russischen Reservisten befinden sich laut Präsident Wladimir Putin inzwischen in der Ukraine. "Von 300.000 unserer mobilisierten Kämpfer, unserer Männer, Verteidiger des Vaterlandes, befinden sich 150.000 im Einsatzgebiet", sagte Putin auf einer im Fernsehen übertragenen Sitzung des Kreml.

Er räumte zudem ein, dass der Militäreinsatz in der Ukraine ein "langwieriger Prozess" sei. Rund 77.000 der Reservisten seien direkt im Kampf eingesetzt, fügte der Staatschef hinzu. 150.000 werden demnach noch in Russland ausgebildet. Der Kreml-Chef hatte im September angesichts einer Reihe von Rückschlägen des russischen Militärs in der Ukraine eine Teilmobilisierung bekannt gegeben. Eine zweite Mobilisierungswelle werde es nicht geben, versicherte Putin nun erneut.

Putin betonte auch, dass sein Land mit allen verfügbaren Mitteln kämpfen werde, um seine Interessen zu verteidigen. Er erhob auch den Vorwurf, dass der Westen Russland wie ein Land zweiter Klasse behandle, das kein Recht habe zu existieren.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die an ukrainische Botschaften und Konsulate in verschiedenen Ländern gesendeten verdächtigen Päckchen haben alle einen Tesla-Händler in Deutschland als Absender. "Alle Umschläge haben die gleiche Absenderadresse: den Tesla-Händler in der deutschen Stadt Sindelfingen", erklärte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Er fügte hinzu, dass ukrainische Vertretungen in Italien, Polen, Portugal, Rumänien und Dänemark kürzlich solche Umschläge erhalten hätten. "Insgesamt haben wir bereits 31 Fälle in 15 Ländern", sagte Kuleba.

Der Versand sei meistens von Postämtern erfolgt, die nicht mit einem Videoüberwachungssystemen ausgestattet seien. Die ukrainischen Botschaften und Konsulate arbeiteten seit einer Woche "unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen" und mit Pyrotechnikern und Forensikern zusammen. Die "Kriminellen" hätten Vorkehrungen getroffen, um keine DNA-Spuren auf den Paketen zu hinterlassen, betonte Kuleba.

Die ukrainische Botschaft in Madrid hatte Ende November erklärt, dass ein Wachmann leicht verletzt wurde, nachdem er eine an die Vertretung adressierte Briefbombe geöffnet hatte. Seitdem hat die Ukraine weitere Vorfälle gemeldet.

Die Ukraine hat nach Ansicht der Bundesregierung das Recht, sich nicht nur auf eigenen Staatsgebiet zu verteidigen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies in Berlin darauf, dass das Land seit mehr als neun Monaten von Russland angegriffen werde. "Die Ukraine hat ein verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung, das sich aus Artikel 51 der UN-Charta ergibt", sagte er. "Die Ukraine ist nicht verpflichtet, die Verteidigungsanstrengungen auf das eigene Staatsgebiet zu beschränken."

Die Meldungen über Explosionen auf russischen Luftwaffenstützpunkten wollte er ansonsten aber nicht bewerten. In Sicherheitskreisen gibt es Sorgen, dass Russland als Vergeltung seine Angriffe auf die Ukraine ausweiten könnte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist wegen seines Widerstandes gegen den russischen Einmarsch in sein Land vom US-Magazin "Time" zur Person des Jahres gewählt worden. "Die diesjährige Wahl war die eindeutigste in unserer Erinnerung", schrieb "Time"-Chefredakteur Edward Felsenthal. "Ob der Kampf um die Ukraine einen mit Hoffnung oder mit Angst erfüllt, Wolodymyr Selenskyj hat die Welt auf eine Weise elektrisiert, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben."

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat sich schockiert über das Ausmaß der Gewalt durch Russlands Armee gegen Zivilisten in der Ukraine geäußert. Jeden Tag erhalte sein Hochkommissariat Informationen über Kriegsverbrechen in dem osteuropäischen Land, sagte Türk in Kiew. Nach einer Reise durch ukrainische Regionen betonte der Menschenrechte-Kommissar, es gebe Berichte über willkürliche Hinrichtungen, Folter, Verhaftungen, Verschwindenlassen und sexuelle Gewalt gegen Erwachsene wie Kinder.

Türk kündigte die Veröffentlichung eines Berichts an, in dem die Tötungen von Zivilisten, die Feuerholz schnitten oder Lebensmittel einkauften, beschrieben werde. Die Zerstörungen an Schulen, Krankenhäusern und anderer ziviler Infrastruktur habe im Winter schreckliche Folgen für die Schwächsten. Sie hätten mit stundenlangen Stromausfällen zu kämpfen, ohne Heizung oder Strom. Die Opfer und Überlebenden dieser Verstöße hätten ein Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Es sei wichtig, frühzeitig Programme zur Entschädigung der Opfer und Überlebenden aufzulegen.

Lettland wird nach Angaben von Regierungschef Krisjanis Karins weiterhin im Exil lebende russische Journalisten unterstützen. Doch müssten sich alle Medienschaffende an die in Lettland geltenden Gesetze halten, sagte Karins im Fernsehen.

Zuvor hatte der Nationale Rat für elektronische Massenmedien (NEPLP) dem unabhängigen russischen Fernsehsenders Doschd die Sendelizenz entzogen. Die Entscheidung wollte Karins unter Verweis auf deren Unabhängigkeit nicht kommentieren. Der Regierungschef betonte aber: "Wir haben einen Rechtsstaat. Medien haben die Möglichkeit, vor Gericht zu gehen."

Das Oppositionsmedium, das sich durch offene Kritik am Kreml und Russlands Krieg gegen die Ukraine einen Namen gemacht hatte, war wegen seiner Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ins Visier der lettischen Behörden geraten.

Die russische Regierung zeigt sich besorgt über den Stau von Öltankern am Bosporus. "Wir sind uns dieser Situation bewusst, natürlich bereitet sie uns im Hinblick auf die Interessen unserer Unternehmen Sorgen", zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA den stellvertretenden Außenminister Alexander Gruschko.

Das Problem werde mit den Transport- und Versicherungsunternehmen erörtert. "Wenn das Problem nicht gelöst wird, wird sich natürlich die Politik einschalten", sagte Gruschko. Hintergrund des Tanker-Staus dürfte der von der EU und der Industriestaatengruppe G7 verhängte Preisdeckel für auf dem Seeweg transportiertes Öl aus Russland sein.

Papst Franziskus hat den Krieg in der Ukraine mit einer Nazi-Operation verglichen, bei der in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs etwa zwei Millionen Menschen, vor allem Juden, getötet wurden. In seiner Rede vor polnischen Pilgern bei der wöchentlichen Generalaudienz verweist Franziskus darauf, dass die Katholische Universität Lublin in Polen kürzlich den Jahrestag der sogenannten Aktion Reinhard begangen hat.

"Möge die Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis in allen Menschen Absichten und Handlungen im Sinne des Friedens wecken", sagt der Papst und bezeichnet die damalige Operation der deutschen Besatzer ausdrücklich als "Vernichtungsaktion". Dann weicht der Papst vom Text ab und fügt hinzu: "Und die Geschichte wiederholt sich. Wir sehen jetzt, was in der Ukraine passiert".

07.12.2022 • 13:45 Uhr

UN: Bislang 6702 zivile Kriegsopfer

Im Krieg in der Ukraine wurden den Vereinten Nationen (UN) zufolge bis zum 4. Dezember 6702 Zivilisten getötet. Es habe Verstöße von allen beteiligten Parteien gegeben, teilte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte mit. Allein zu Beginn der russischen Invasion wurden mehr als 400 Zivilisten von russischen Truppen getötet. Die eigentliche Zahl dürfte noch viel höher liegen. Zwischen dem 24. Februar und Anfang April seien 441 Todesfälle unter Zivilisten in den Regionen Kiew, Tschernihiw und Sumy gezählt worden. Es handele sich um 341 Männer, 72 Frauen, 20 Jungen und acht Mädchen. Russland bestreitet, bei seinem sogenannten militärischen Sondereinsatz Zivilisten zum Ziel zu haben.

Wegen einer Bombendrohung ist die geplante Urteilsverkündung gegen den prominenten russischen Oppositionspolitiker Ilja Jaschin auf Freitag verschoben worden. Das teilte das Gericht in Moskau der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge mit. Das Gerichtsgebäude wurde wegen einer anonymen Bombendrohung geräumt. Der Staatsanwalt hatte zuvor in seiner Anklage wegen angeblicher "Diskreditierung der russischen Armee" neun Jahre Haft gegen Jaschin gefordert.

Der 39-Jährige, der einer der letzten verbliebenen prominenten Oppositionellen in Russland ist, spricht von einer politischen Inszenierung des Verfahrens. Jaschin gilt als Vertrauter des im Straflager inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny. Er hat gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine protestiert und Kriegsverbrechen der russischen Armee verurteilt.

Weil der gebürtige Moskauer in einem Stream im April das von russischen Soldaten angerichtete Massaker in dem Kiewer Vorort Butscha öffentlich angeprangert hatte, leiteten die Behörden im Sommer ein Verfahren wegen Diffamierung der russischen Streitkräfte ein. Seither sitzt Jaschin in Untersuchungshaft. Er forderte seine Anhänger in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram auf, zu dem öffentlichen Verfahren zu kommen.

Die NATO rechnet im Frühjahr mit einer neuen russischen Offensive in der Ukraine. "Russland versucht, diesen Krieg zumindest für kurze Zeit einzufrieren (...), um dann im Frühjahr eine größere Offensive zu starten", sagte der Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses, Jens Stoltenberg, bei einer Veranstaltung der Zeitung "Financial Times" in Brüssel.

Der Kreml wolle den Winter nach NATO-Erkenntnissen nutzen, um seine Truppen neu aufzustellen und Waffen zu reparieren. Zu den mutmaßlich ukrainischen Drohnenangriffe in Russland sagte Stoltenberg, die Militärallianz habe darüber keine weiteren Informationen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte dazu am Dienstag mit dem Sicherheitsrat seines Landes beraten. Die Ukraine bestreitet die Angriffe.

Stoltenberg sagte weiter, die Mitgliedsländer würden ihre "beispiellose" Unterstützung für die Ukraine fortsetzen. Die bereits gelieferten Systeme oder Waffen müssten aber auch "tatsächlich einsatzbereit" sein, betonte er. "Das bedeutet, dass eine große Menge an neuer Munition und Wartungsarbeiten nötig sind."

Die deutsche Förderbank KfW unterstützt die rund sieben Millionen Binnenvertriebenen in der Ukraine mit 200 Millionen Euro. Dazu habe man im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen Vertrag mit dem ukrainischen Finanzministerium unterzeichnet, erklärt die staatliche Bank.

Insgesamt 13,6 Millionen Menschen - und damit fast ein Drittel der gesamten ukrainischen Bevölkerung - seien durch den russischen Angriff bisher von ihren Wohnorten vertrieben worden. Rund die Hälfte davon habe sich in der Ukraine in Sicherheit gebracht und benötige finanzielle Hilfe zur Deckung des dringendsten Bedarfs zum Beispiel an Kleidung, Nahrungsmitteln, Medikamenten und Unterkunft. "Zur Abmilderung der Kriegsfolgen und zur Sicherung der Basis für einen zukünftigen Wiederaufbau und weitere wirtschaftliche Entwicklung sind soziale Sicherungsleistungen von großer Bedeutung", sagt KfW-Vorstandsmitglied Christiane Laibach.

Die frühere Kanzlerin Angela Merkel wirft sich vor, nach 2014 nicht energisch genug auf eine bessere Ausstattung der Bundeswehr gedrungen zu haben. Russland sei nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim zwar aus den G8 ausgeschlossen worden und die NATO habe Truppen im Baltikum stationiert, sagte Merkel in einem "Zeit"-Interview. "Aber auch wir hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren müssen."

Man habe in der NATO das Ziel beschlossen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, und die Union habe dies als einzige politische Kraft im Regierungsprogramm gehabt. "Deutschland hat das Zwei-Prozent-Ziel trotz Erhöhung nicht erreicht. Und auch ich habe nicht jeden Tag eine flammende Rede dafür gehalten", sagte sie selbstkritisch.

Im russisch kontrollierten Teil des Gebiets Donezk im Osten der Ukraine sind bei einem Unfall mit einem Militärlaster mindestens 16 Menschen ums Leben gekommen. Vier weitere seien verletzt worden, teilten die von Russland eingesetzten Behörden in Donezk mit. Der Lkw stieß demnach mit einem Kleinbus zwischen den Städten Schachtarsk und Tschystjakowe zusammen. Unter den Toten seien auch russische Soldaten.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

In Hin und Her um das deutsche Angebot von Patriot-Luftabwehrsystemen hat Polen der Bundesregierung einen Vertrauensbruch vorgeworfen. "Der grundlegende Fehler der deutschen Seite bestand darin, dass sie mit dem Angebot der Patriot-Systeme an die Medien gegangen ist, bevor die Verhandlungen beendet waren", sagte Vize-Außenminister Marcin Przydacz dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP.

Zuvor hatte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak bekanntgeben, sein Land werde die deutschen Flugabwehrsysteme nun doch annehmen. Vor zwei Wochen hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem Interview öffentlich gemacht, dass Deutschland Polen die Patriots zum Schutz seines Luftraums anbiete. Blaszczak hatte dies zunächst begrüßt, es wurde auch eine Vereinbarung getroffen. Kurz darauf düpierte die nationalkonservative PiS-Regierung Berlin mit dem Vorschlag, die Flugabwehrsysteme statt nach Polen in die Westukraine zu verlegen. Dies ist problematisch, da die Ukraine im Gegensatz zu Polen nicht Mitglied der NATO ist.

Russland überlegt, wie es auf den von der EU verhängten Ölpreisdeckel reagieren soll: Heute telefonierte der russische Präsident Wladimir Putin nach Kreml-Angaben mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan. Dabei sei es angesichts der vom Westen beschlossenen Preisobergrenze für russisches Öl um eine Zusammenarbeit im Rahmen der Gruppe der Ölförderländer (Opec+) gegangen. Die russische Regierung erwäge verschiedene Optionen, zitierte die Nachrichtenagentur Ria Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Als Reaktion erwäge der Kreml erstens ein Verbot von Ölverkäufen an alle Länder, die die Beschränkung unterstützt haben, berichtete die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" unter Berufung auf Regierungskreise. Diese Option würde auch Verkäufe über Zwischenhändler verbieten, nicht nur direkt aus Russland.

Die zweite Option würde Ausfuhren im Rahmen von Verträgen verbieten, die eine Preisobergrenze vorsehen, unabhängig davon, welches Land der Empfänger ist. Die dritte Option würde maximale Abschläge auf russisches Ural-Rohöl gegenüber internationalen Referenzpreisen festlegen, damit Verkäufe weiter erlaubt seien, so die Tageszeitung.

Der Preisdeckel gilt auch für Versicherer, Rückversicherer oder andere Finanzierungen des Ölgeschäfts. Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt in den G7-Ländern ansässig sind, könnte die Preisobergrenze es Russland tatsächlich erschweren, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen.

Russland baut nach Einschätzung britischer Geheimdienste zunehmend Verteidigungsstellungen an der Grenze zur Ukraine auf. In der Grenzregion Belgorod seien ausgefeilte Systeme zur Abwehr von Angriffen errichtet worden, hieß es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums in London. Dort seien auch Gräben ausgehoben worden. London wertete dies als Sorgen vor einem ukrainischen Einmarsch. Zudem sei denkbar, dass der Kreml den Patriotismus im eigenen Land stärken wolle.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

07.12.2022 • 08:07 Uhr

EU-Hilfen übersteigen die der USA

Europa hat mit seinen Finanzhilfen für die Ukraine einer Studie zufolge erstmals seit Kriegsbeginn die USA überholt. Die EU-Länder kommen zusammen mit den EU-Institutionen auf knapp 52 Milliarden Euro an militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe, wie aus einer Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hervorgeht. Die von den USA gemachten Zusagen summieren sich demnach auf knapp 48 Milliarden Euro. Wesentlicher Grund für die Veränderungen sei ein von der EU für 2023 beschlossenes und 18 Milliarden Euro schweres Paket an finanzieller Unterstützung für die Ukraine.

Das Repräsentantenhaus und der Senat der USA haben sich auf einen Entwurf für den Verteidigungshaushalt für 2023 in Höhe von 858 Milliarden Dollar verständigt. Der neue National Defense Authorization Act (NDAA) enthält unter anderem 800 Millionen Dollar zur Unterstützung der Ukraine. Die Summe liegt 500 Millionen Dollar über dem Antrag von Präsident Joe Biden zu Beginn dieses Jahres.

Der NDAA regelt jährlich viele verteidigungspolitische Fragen von der Anzahl der gekauften Schiffe bis zum Sold der Soldaten. Es wird erwartet, dass der NDAA für das Haushaltsjahr 2023 noch in diesem Monat vom Senat und dem Repräsentantenhaus abgesegnet wird.

Polen soll für umgerechnet rund 3,58 Milliarden Euro moderne Panzer, andere Kampffahrzeuge und Waffen von den USA erhalten. Für das Rüstungsgeschäft gab das Außenministerium in Washington jetzt grünes Licht. Demnach kauft Polen unter anderem 116 Kampfpanzer vom Typ M1A1 Abrams sowie Zehntausende Schuss Munition.

Die Panzerkäufe unterstützen die außenpolitischen und sicherheitspolitischen Ziele der USA, indem die Sicherheit eines NATO-Verbündeten verbessert werde, der eine treibende Kraft für politische Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt in Europa sei, teilte das State Department mit.

UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hat das "kolossale" Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung durch russische Angriffe auf die Infrastruktur beklagt. "In der Ukraine steht heute die Überlebensfähigkeit von Zivilisten unter Beschuss", erklärte Griffiths im UN-Sicherheitsrat in New York. Attacken auf Kraftwerke und Heizungsanlagen hätten Millionen vom Zugang zu Wärme, Strom und Wasser abgeschnitten - und dies bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Familien würden der Gesundheitsversorgung beraubt, und Kinder könnten nicht mehr zur Schule gehen.

Durch den "sinnlosen Krieg" herrsche "Tod, Vertreibung und Leid" in der Ukraine, sagte Griffiths. Verschärft würde die Lage durch die jüngsten russischen Angriffe, die im erwarteten harten Winter eine Energie- und Wasserkrise in dem Land verursacht hätten. Mehr als 14 Millionen Menschen seien zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen worden, darunter 7,8 Millionen, die über Europa verstreut lebten und 6,5 Millionen, die sich noch in der Ukraine aufhielten, ergänzte Griffiths.

Bei einem Besuch in Frontnähe hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen Soldaten für die Verteidigung ihres Landes unter schwierigsten Bedingungen gedankt. Er habe während des Aufenthalts im ostukrainischen Gebiet Donezk auch Auszeichnungen verliehen an die Soldaten, die an den "gefährlichsten und verantwortungsvollsten" Orten eingesetzt seien, sagt Selenskyj in einem Video, das er nach seiner Rückkehr nach Kiew auf Telegram veröffentlichte. Er sei auch im Gebiet Charkiw gewesen und habe dort Ärzte getroffen, die verwundete Kämpfer behandeln. Früher am Tag hatte sich Selenskyj bei Minusgraden am Ortseingang der Stadt Slowjansk im Donezker Gebiet gezeigt. Slowjansk ist rund 35 Kilometer von der Front entfernt. Rund neuneinhalb Monate nach dem russischen Einmarsch war Selenskyj anlässlich des Tages der ukrainischen Streitkräfte in den besonders schwer umkämpften Osten seines Landes gereist.

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal ruft angesichts der russischen Raketenangriffe auf die Energieversorgung zu weiterer Unterstützung auf. "Wir brauchen zwei Dinge, um eine humanitäre Katastrophe und eine neue große Flüchtlingswelle zu vermeiden", sagt Schmyhal den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Zunächst einmal sind dies moderne Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsysteme, über die westliche Länder einschließlich Deutschland verfügen. Die zweite betrifft Ausrüstung und Ressourcen für die Wiederherstellung beschädigter Energieanlagen." Russland habe rund die Hälfte aller Energieanlagen in Ukraine beschädigt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 07. Dezember 2022 um 07:10 Uhr.