Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat am 16. November 2022 die Abgeordnetenhauswahl vom 26. September 2021 für ungültig erklärt und damit entschieden, dass die Wahl komplett wiederholt werden muss. In mehrfacher Hinsicht sei gegen die Wahlgrundsätze verstoßen worden und die Wahlfehler seien mandatsrelevant. Die Richter argumentierten, dass „verfassungsrechtliche Standards nur durch die komplette Ungültigkeitserklärung der Berliner Wahlen gewährleistet werden können“.
Die vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetze und Entscheidungen bleiben aber bestehen und auch der Berliner Senat bleibt bis zur möglichen Neubildung nach der Wiederholungswahl im Amt. Die ursprüngliche Legislaturperiode läuft weiter und endet damit planmäßig 2026. Gegen die vollständige Ungültigkeitserklärung der Wahl haben unter anderem mehrere Abgeordnete Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Darüber und damit über die Gültigkeit der Wahl von 2021 entscheiden die Richter in Karlsruhe erst nach der Wiederholungswahl.
Auch wenn die Wahl von 2021 für ungültig erklärt wurde und es sich 2023 um eine Wiederholungswahl handelt, ist wegen der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch unklar, ob Ergebnisse von 2021 zumindest teilweise Bestand haben werden. Die Darstellung von Gewinnen und Verlusten der Parteien im Vergleich mit der vorangegangenen Wahl zeigt Veränderungen des Wahlverhaltens der Bevölkerung und damit Entwicklungen der politischen Stimmung zwischen zwei Wahlen. Sie sind auch Ausdruck der Bewertung der Arbeit von Regierung und Opposition in diesem Zeitraum. Das gilt ebenso für diese Wiederholungswahl - zumal die Entscheidungen von Senat und Abgeordnetenhaus seit der Wahl 2021 gültig bleiben.
Vor diesem Hintergrund richtet sich das öffentliche Interesse vorrangig auf den Vergleich der Ergebnisse von 2023 mit den Ergebnissen von 2021. Dem folgt auch die grafische Darstellung der Veränderung von Stimmanteilen der Parteien. Zusätzlich umfasst die Aufbereitung der Ergebnisse von 2023 aber an verschiedenen Stellen auch Gewinne und Verluste im Vergleich mit der Abgeordnetenhauswahl von 2016.
Datenbasis für die Analyse zum Wahlverhalten in Bevölkerungsgruppen und zu Wahlmotiven liefert eine Exit Poll von infratest dimap in 195 repräsentativ ausgewählten Wahllokalen in ganz Berlin. Am 12. Februar wurden dort von insgesamt 22.658 Wählerinnen und Wählern Informationen zu deren Stimmverhalten, Alter und Geschlecht aufgenommen, von 4335 Wählern darüber hinaus weitergehende sozialstrukturelle und inhaltliche Merkmale erhoben.
Um Amts- und Briefwähler berücksichtigen und Aussagen über die Wählergesamtheit treffen zu können, sind die Wählerdaten der Exit Poll nach dem Stand der Hochrechnungen bzw. Auszählung am Sonntag gewichtet. Im Ergebnis ergibt sich ein repräsentatives Bild für die Gesamtwählerschaft wie die Wählerschaften der einzelnen Parteien.
Das Wanderungsmodell von infratest dimap schätzt den Umfang von Wanderungsströmen. Das Modell berücksichtigt Befragungsergebnisse zur aktuellen und früheren Wahlentscheidung und schätzt Wähler-Wanderungsströme zwischen den Parteien bzw. „Haltequoten“ für die identische Partei-Wahl. Ferner nimmt es Änderungen in der Wählerzusammensetzung infolge aktueller und früherer Nichtwahl sowie aufgrund von Generations- und Ortswechseln (Erstwähler versus verstorbene Wähler bzw. Zuzug versus Wegzug) auf.
Für jede Partei wird ein Stromkonto mit den Gewinnen und Verlusten zwischen den Parteien, dem Wechselspiel zwischen Wahlteilnahme und Wahlenthaltung und dem Generations- bzw. Ortswechsel berechnet. Die Annahmen über Größenordnung und Wahlverhalten der ausgewiesenen Gruppen beruhen auf repräsentativen Wahl- und Bevölkerungsstatistiken, Vorwahlbefragungen, der Exit Poll sowie dem amtlichen Wahlergebnis. Zentrale Ergebnisse sind die geschätzten Salden für den Austausch zwischen den Parteien sowie mit dem Nichtwählerlager.
Aus Gründen der Transparenz werden auch Hilfsschätzer für die jeweiligen Zu- und Abströme sowie für Zu- und Fortgezogene veröffentlicht. In der Wählerwanderung werden absolute Zahlen statt Prozentwerte verwendet, um Relationen besser zu verdeutlichen. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass 1.000 Wahlberechtigte deutlich weniger als ein Promille aller Wahlberechtigten darstellen. Die Einzelströme werden gerundet, sodass sich in den Randsummen Differenzen zum amtlichen Ergebnis ergeben können.
Die Schätzung der Wanderungsströme ändert sich im Laufe des Wahlabends mehrmals (Zwischenstände), weil zunächst vorrangig die repräsentativen Umfragen und später verstärkt die Auszählungsergebnisse und schließlich das Ergebnis der vorläufigen Auszählung in die dargestellten Zahlen einfließen. Nach Veröffentlichung des vorläufigen Ergebnisses wird eine abschließende Schätzung vorgenommen und veröffentlicht.