Ein Arbeiter baut in einem Betrieb ein Getriebe zusammen

Reaktionen auf Ende der Koalition Wirtschaft fordert schnelle Neuwahlen

Stand: 07.11.2024 11:37 Uhr

Vertreter der deutschen Wirtschaft wünschen sich nach dem Kollaps der Ampel-Koalition nun möglichst schnell eine handlungsfähige neue Regierung. Nötig sei rasche Klarheit, um Investitionen planen zu können.

Neuwahlen - und zwar so schnell wie möglich. Das ist die zentrale Forderung, die Wirtschaftsverbände und Ökonomen an die Berliner Politik richten. "Jede Woche länger mit einer politisch gelähmten Regierung ist in dieser Wirtschaftskrise ein schwerer Fehler", sagte die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann. Der Kanzler müsse nun den Weg frei machen für Neuwahlen.

Für diese Position bekommt die Familienunternehmerin viel Unterstützung. Etwa von Thomas Gitzel, dem Chefvolkswirt der VP Bank: "Neuwahlen sind in Anbetracht der grundlegenden Differenzen unter den Koalitionären eine gute Option für das wirtschaftlich angeschlagene Deutschland."

Ähnlich äußerte sich auch Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank (HCOB): "Nur mit vorgezogenen Neuwahlen lässt sich offensichtlich der gordische Knoten, in den sich diese Regierung verwickelt hat, durchschlagen." Und auch der Deutsche Mittelstands-Bund betont: "Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung - darin hat Bundeskanzler Scholz recht. Aber wir brauchen diese schnell."

Industrie wartet auf Unterstützung

Denn mit dem Aus der Ampel bleiben für die Wirtschaft viele offene Fragen: Was etwa wird aus den Hilfsmaßnahmen für die Industrie? Scholz will zwar bis Jahresende unbedingt "Sofortmaßnahmen" durchsetzen - konkret sagte er etwa, dass die Netzentgelte für Unternehmen gedeckelt werden sollten und ein Paket zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben geschnürt werden solle. Doch ob das realistisch umsetzbar ist, bleibt fraglich.

Zumal auch wichtige politische Entscheidungen wie der Bundeshaushalt für das kommende Jahr ungeklärt bleiben. "Kern stabiler Staatsfinanzen und verantwortungsbewusster Politik ist ein solider Haushalt", sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in einer ersten Reaktion. Deshalb sei es richtig, schnellen Neuwahlen den Weg zu ebnen. "Gerade in diesen herausfordernden Zeiten brauchen wir eine handlungsfähige und lösungsorientierte Bundesregierung", betonte Große Entrup.

"Fortschrittskoalition hat Schiffbruch erlitten"

Das betonte auch der Deutsche Mittelstands-Bund: "Für den Mittelstand bedeutet das Ampel-Aus eine Unsicherheit, die zusätzliche Belastungen schafft." Eigentlich müssten "kleine und mittlere Unternehmen jetzt massiv in ihre Zukunft investieren, halten sich aber aufgrund fehlender Planungssicherheit und schwieriger Wirtschaftslage zurück". Wichtige wirtschaftspolitische Weichenstellungen drohten sich "durch das politische Vakuum weiter zu verzögern. Wir benötigen klare Verhältnisse und verlässliche Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen, damit der Mittelstand auch in Krisenzeiten investieren und planen kann."

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA): "Aus der tiefen wirtschaftlichen Krise ist nun mutwillig eine politische Krise gemacht worden", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura. "Diese Art von Führung hat niemand bestellt und niemand verdient." Statt das Land schwere See zu lenken, gebe der Bundeskanzler das Steuerrad aus der Hand. "Die selbst ernannte Fortschrittskoalition hat Schiffbruch erlitten", so Jandura.

"Nicht schön, aber richtig"

Der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Clemens Fuest, begrüßte die Entscheidung für eine Auflösung der Ampel. "Das ist nicht schön, aber es ist der richtige Weg", sagte er dem Sender n-tv. "Die Entscheidung des Bundeskanzlers zur Beendigung dieser Regierung zu diesem Zeitpunkt ist riskant", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. der Nachrichtenagentur Reuters: "Sie dürfte jedoch das geringere Übel im Vergleich zu einer Fortsetzung der politischen und wirtschaftliche Paralyse sein."

HCOB-Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia sprach von einer guten Nachricht für Deutschland. "Ich bin zuversichtlich, dass eine neue Regierung - in welcher Form auch immer - die Empfehlungen der Wirtschaft aufgreift, eine wahre Wirtschaftswende durchzuführen, wozu ein massiver Ausbau der öffentlichen Investitionen gehört", sagte er. "Das impliziert entweder eine Reform der Schuldenbremse, ihr begründetes Aussetzen oder ein neues Sondervermögen."

Auch an der Börse sorgte das Aus der Berliner Regierung bisher keineswegs für Schockwellen - im Gegenteil: Der deutsche Leitindex steigt im frühen Handel deutlich um 1,1 Prozent auf 19.245 Zähler. Anleger zeigten sich überwiegend erfreut über das Ende der Ampel.

Mit Informationen von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. November 2024 um 10:00 Uhr.