Personalnot deutscher Unternehmen Wenn Firmen ganze Teams im Ausland anheuern
Der Mangel an Arbeitskräften belastet die Konjunktur. Manche Firmen reagieren darauf mit "Outstaffing" - einer im Ausland tätigen kompletten Mannschaft. Ein Modell für die deutsche Wirtschaft?
L-One Systems ist Software-Dienstleister: Die kleine Firma aus Darmstadt entwickelt Softwareprojekte für andere Firmen - vor allem für das Herz der deutschen Wirtschaft, den Mittelstand. 2012 startete Gründer Lionel Born mit einem kleinen Entwickler- und Programmierer-Team vor Ort. Doch mit dem Wachstum der Firma und dem zunehmenden Fachkräftemangel wurde es immer schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden wie auch langjährige zu halten.
"Hohes Level an Motivation"
Ein syrischer Werkstudent hatte die Idee, Fachkräfte in Damaskus zu suchen. Born ließ sich darauf ein - und war absolut positiv überrascht: "Ich hab nicht damit gerechnet, dass wir so ein hohes Level an Motivation vorfinden, dass wir dort so talentierte und gut ausgebildete Leute finden", berichtet Born aus der Anfangszeit. "Von Tag eins hat mich das Team absolut überzeugt."
Der Fachkräftemangel entwickelt sich zum Dauerthema in der deutschen Wirtschaft - und zum Dauerproblem. Die demografische Alterung unserer Gesellschaft wird die Situation verschärfen, weil immer mehr Menschen in Rente gehen und die Zahl der Erwerbstätigen daher abnimmt. Für Unternehmen und Betriebe bedeutet es daher, neue Wege zu gehen bei der Personalsuche. Ist der Weg des sogenannten "Outstaffing", den L-One geht, daher ein Modell, das Schule machen könnte in Deutschland?
Wenn eine Software-Firma eine andere mit einem konkreten Projekt beauftragt, zum Beispiel die Digitalisierung eines Unternehmensbereichs von Anfang bis Ende: dann nennt man das "Outsourcing". Mehr und mehr Softwareunternehmen suchen sich Entwickler im Ausland. Entweder beschäftigen Firmen sie als als freie Mitarbeiter (Freelancer). Oder sie stellen sie als reguläre Mitarbeiter ein, manchmal auch ganze Teams - mit angemietetem Büro im Ausland. Das nennt man "Outstaffing".
"In dem ganz spezifischen Fall funktioniert das grundsätzlich sehr gut, wenn es um Fachkräfte geht, die des Englischen mächtig sind", sagt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). "Im IT-Business oder beispielsweise auch im Verlagswesen sind vergleichbare Modelle schon länger zu beobachten, wenn digitale Aufgaben outgesourct werden können."
Import von Dienstleistungen
Programmieraufgaben können gut auch im Homeoffice erledigt werden. Die Verlagerung der Arbeitsleistung ins Ausland hilft außerdem, Kosten zu sparen, weil an vielen Standorten die Löhne geringer sind als in Deutschland.
Oft werden Mitarbeiter zudem nur für eine begrenzte Zeit benötigt, weshalb sie nur als Freiberufler beschäftigt werden. Das hilft auch die Personalkosten niedrig zu halten, denn freie Mitarbeiter werden nur bezahlt, wenn ihre Leistung auch benötigt wird. Die Personalkosten vor allem aber bleiben überschaubar und gut kalkulierbar. In Indien werden von deutschen Software-Unternehmen zum Beispiel Subunternehmen beauftragt oder Freelancer engagiert.
"Ein Trend, der in Zukunft zunehmen dürfte", prognostiziert Fitzenberger. "Vor allem bei einfachen oder standardisierbaren digitalen Dienstleistungen werden wir es häufiger erleben, dass diese im Ausland erbracht und nach Deutschland importiert werden."
Modell nur für manche Branchen geeignet
Das funktioniert allerdings nicht in jeder Branche oder jedem Beruf. Es ist kein Modell in der Pflege oder im Erziehungsbereich, im Handwerk oder Baugewerbe, wo es eine große Zahl an offenen Stellen gibt, die nicht besetzt werden können.
"Dort werden wir weiter auf die Gewinnung von Beschäftigten im Inland und auf Migration setzen müssen", so Fitzenberger. "Wo Menschen im Ausland gezielt auf Arbeitsplätze angeworben wurden, haben Firmen damit gute Erfahrungen gemacht und Integration hat meist gut funktioniert - wenn Firmen die Einarbeitungsphase zum Beispiel mit Schulungen und Sprachkursen begleitet haben."