Martin Kauschke (li.) und Vasyl Romanenko stehen vor einer geöffneten Motorhaube

Programm zur Integration Zündet der "Job-Turbo" für Geflüchtete?

Stand: 04.06.2024 14:56 Uhr

Im vergangenen Oktober startete der Bund ein Programm namens "Job-Turbo". Ziel ist es, Geflüchtete schneller auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch wenn sie noch nicht viel Deutsch sprechen. Funktioniert das?

Dienstbesprechung mit Hindernissen: Kfz-Meister Martin Kauschke aus Weilerbach bei Kaiserslautern und sein Mitarbeiter Vasyl Romanenko stehen vor der geöffneten Motorhaube eines hellblauen Kleinwagens. Kauschke spricht auf Deutsch in ein Handy ein, was an dem Fahrzeug repariert werden muss. Wenige Sekunden später kann Romanenko dank eines Übersetzungsprogrammes auf dem Display des Mobiltelefons nachlesen, was er tun soll. Hat der Ukrainer Fragen zum Arbeitsauftrag, geht das Ganze genau andersherum.

Schwierige Mitarbeitersuche

Ein zeitaufwändiges Verfahren. Kurz mal auf Zuruf geht hier gar nichts. Dazu spricht Romanenko noch zu wenig Deutsch. Auf seinen Mitarbeiter verzichten möchte Kauschke trotzdem nicht. Der 52-Jährige erzählt, er habe jahrelang erfolglos nach einem Kfz-Mechaniker gesucht. Für den Pfälzer eine frustrierende Erfahrung. Kauschke arbeitete zuletzt sechs Tage die Woche und musste trotzdem immer häufiger Kundinnen und Kunden abweisen.

Und dann stand im vergangenen Dezember plötzlich Romanenko in der Werkstatt-Tür und fragte nach Arbeit. Der 45-Jährige hatte einen ukrainischen Freund dabei, der dolmetschte. Anfangs war Kauschke eher skeptisch; dass das kein gewöhnliches Arbeitsverhältnis werden würde, war ihm sofort klar. Andererseits imponierten ihm Romanenkos Mut und Engagement. Nach einer Woche Probearbeiten war klar: Der Ukrainer hat den Job.

Einstellung stimmt

Der 45-Jährige ist Witwer, seine Frau wurde drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine durch eine Granate getötet. Zuerst schickte Romanenko seine beiden minderjährigen Söhne allein zu Freunden nach Deutschland, seit eineinhalb Jahren lebt er jetzt gemeinsam mit ihnen in Weilerbach.

Romanenko hat in seiner Heimat 25 Jahre als Berufssoldat gearbeitet, dabei hatte er immer wieder auch mit der Reparatur und Wartung von Lastwagen zu tun. Ausgebildeter Kfz-Mechaniker ist er jedoch nicht. Seinem Chef ist das egal, Kauschke sagt, Einstellung und Engagement stimmten, das sei wichtiger.

Aktuell arbeitet Romanenko in Absprache mit dem zuständigen Jobcenter 50 Prozent in der Kfz-Werkstatt. Parallel dazu soll er einen Deutschkurs besuchen. Bis er die Sprache besser spricht, bekommt der Ukrainer Mindestlohn, die Agentur für Arbeit übernahm in den ersten vier Monaten 30 Prozent der Kosten.

Bundesweite Kennenlernveranstaltungen

Der Chef der Agentur für Arbeit in Kaiserslautern-Pirmasens, Peter Weißler, sagt, er sei froh, wenn Unternehmen wie die Kfz-Werkstatt Kauschke Geflüchteten trotz aller Verständigungsprobleme eine Chance geben. Damit es noch mehr werden, organisieren die Agenturen für Arbeit im Rahmen des Programms "Job-Turbo" bis Spätsommer bundesweit 2.500 Veranstaltungen. Das Ziel: Arbeitgeber und Zugewanderte sollen sich unter anderem bei Jobbörsen und Jobcafés persönlich kennenlernen.

Parallel dazu werden Unternehmen über finanzielle Zuschüsse und Unterstützungsangebote informiert. Auf Interesse stößt das auch beim Ludwigshafener Chemieriesen BASF. Dort heißt es, aktuell prüfe man die Möglichkeit der Umsetzung des "Job-Turbo"-Programms.

Ein Mann hält ein Smartphone, das einen Text in kyrillischer Schrift zeigt

Auf einem Smartphone ist die Übersetzung der Anweisung von Martin Kauschke zu lesen.

"Ermutigende Fortschritte"

Bei der Bundesagentur für Arbeit ist man mit dem bisherigen Erfolg des "Job-Turbos" zufrieden. Es gebe ermutigende Fortschritte auf dem Weg zur Integration in Arbeit. So hätten beispielsweise im April 2024 fast 6.800 Ukrainerinnen und Ukrainer die Arbeitslosigkeit hinter sich lassen können, verglichen mit knapp 2.900 im April 2023. Dies sei umso höher zu bewerten, als die Lage am Arbeitsmarkt seither schwieriger geworden ist.

Nehme man die Ukraine und die wichtigsten Asylherkunftsländer zusammen, dann hätten im vergangenen April erstmals mehr als 21.000 Geflüchtete aus der Arbeitslosigkeit einen Einstig in Arbeit geschafft. 

Große Herausforderung: Es muss passen

Ralf Sänger vom Regionalen Integrationsnetzwerk Rheinland-Pfalz sagt, die große Herausforderung beim "Job-Turbo" bestehe darin, das richtige Matching hinzubekommen, also, dass Job und Arbeitnehmer zusammenpassen. Ukrainische Geflüchtete beispielsweise seine größtenteils Akademikerinnen und Akademiker. Im Angebot für sie seien derzeit aber vor allem Berufe in der Lageristik, der Gastronomie, dem Verkauf. Er fordert: Wenn Geflüchtete erstmal nur für Helfertätigkeiten eingesetzt werden, dann nur halbtags, ansonsten sei ein Sprachkurs nicht in einer absehbaren Zeit erfolgreich durchzuführen. Ziel müsse es sein, Geflüchtete berufsbegleitend zu qualifizieren.

Außerdem müsse den Geflüchteten ein Mindestgehalt bezahlt werden. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin der Menschenrechtsorganisation "Pro Asy"l kann dem "Job-Turbo" nichts abgewinnen. Sie sagt, Ziel des Programms sei in erster Linie die Aufbesserung der Arbeitsmarktstatistik - und nicht die langfristige Integration der geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt. In der Folge würden diese weit unter ihren Qualifikationen aus dem Heimatland arbeiten - zum Beispiel als Pflegehilfskraft statt als Arzt. Wiebke Judith fordert deshalb: "Wir brauchen keinen 'Job-Turbo', sondern einen Anerkennungs-Turbo für im Ausland erworbene Qualifikationen."

Frust wegen fehlender Deutschkurse

Solche Diskussionen werden in der Kfz-Werkstatt im pfälzischen Weilerbach nicht geführt. Vasyl Romanenko ist froh, dass er nach vielen erfolgslosen Versuchen jetzt endlich Arbeit gefunden hat. Und einen Ort, an dem man ihn und seine Fähigkeiten schätzt.

Sein Arbeitgeber Martin Kauschke seinerseits ist glücklich, dass ihm in der Werkstatt endlich jemand zur Hand geht. Nur eines ärgert ihn: Eigentlich sollte Romanenko bereits ab Februar parallel zur Arbeit einen Deutschkurs besuchen. Ein Platz bekommen hat er aber erst im April. Weil dieser Kurs für Romanenko aber nicht der passende war, muss er jetzt bis August auf den nächsten warten.

Kauschke sagt, so gehe wertvolle Zeit verloren. Bis auf weiteres wird er auf alle Fälle für jede kleine Absprache auf das Handyübersetzungsprogramm zurückgreifen müssen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR im Nordmagazin am 20. März 2024 um 19:30 Uhr.