Ein älteres Paar sitzt auf dem Brocken auf einer Bank und blickt in die Ferne.

DIW-Studie Rente mit 63 verfehlt häufig ihr Ziel

Stand: 04.12.2024 12:29 Uhr

Die Rente mit 63 ohne Abschläge soll vor allem Menschen mit körperlich schwerer Arbeit ermöglichen, früher aus ihrem Beruf auszusteigen. Eine Studie zeigt, dass gerade aus dieser Gruppe nur wenige profitieren.

In der Debatte über die Rente mit 63 geht es häufig um stark belastete Beschäftigte wie Kellnerinnen, Krankenschwestern oder Pfleger - und sehr oft um Menschen, die auf dem Bau arbeiten. Allerdings kommen solche Beschäftigte in den meisten Fällen gar nicht auf 45 Versicherungsjahre. Diese sind aber Voraussetzung, um die Rente mit 63 abschlagsfrei zu bekommen.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat nun ergeben, dass ein erheblicher Teil derjenigen, die nach 45 Versicherungsjahren frühzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen, aus Berufen mit vergleichsweise geringer Belastung kommt. Statt dem Bauarbeiter profitiert vor allem die Führungskraft im öffentlichen Dienst, statt der Krankenschwester der Bankangestellte.

Von denjenigen, die abschlagsfrei in Rente gehen können, sei weniger als ein Drittel während des Berufslebens im Durchschnitt sehr hoch belastet gewesen, so das DIW. Dazu zähle neben körperlicher Anstrengung auch sogenannte psychosoziale Belastungen wie Stress. Demgegenüber seien fast 40 Prozent leicht bis mäßig belastet gewesen.

Abhängig vom Geburtsjahrgang

Nach 45 Versicherungsjahren ist ein früherer Renteneintritt grundsätzlich möglich. Dabei müssen aber einige Eckdaten beachtet werden, die die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Internetseite aufgeführt hat. Personen, die vor 1953 geboren wurden und die 45 Versicherungsjahre erreicht haben, können ab einem Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Für Geburtsjahrgänge zwischen 1953 und 1963 gilt das jedoch nicht mehr uneingeschränkt, weil das Rentenalter schrittweise angehoben wurde. Wer ab 1964 geboren ist, kann diese Rente frühestens mit 65 Jahren in Anspruch nehmen.

Für die DIW-Studie wurden beispielhaft Arbeitsmarktbiografien von fast 8.000 Männern des Geburtsjahrgangs 1957 mit deutscher Staatsangehörigkeit ausgewertet. In dieser Stichprobe erreichte gut ein Fünftel 45 oder mehr Versicherungsjahre.

Welche Änderungen Experten vorschlagen

Aufgrund der Ergebnisse sehen die Studienautoren Änderungsbedarf bei der Rente mit 63. "Die Dauer der Erwerbskarriere ist ein unzureichender Indikator, um berufliche Belastungen zu messen", sagt Hermann Buslei, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im DIW Berlin und einer der Studienautoren. "Als Kriterium für eine vorgezogene Altersrente wäre ein Instrument, das an der tatsächlichen Beschäftigungsfähigkeit der Versicherten ansetzt, sinnvoller", ergänzt Studienautor Johannes Geyer.

Die Auswertungen zeigten, dass die vorgezogene Altersrente für Menschen mit 45 Versicherungsjahren zu wenig zielgenau sei, um Personen, die sehr belastende Tätigkeiten ausgeübt haben, zu entlasten, kritisiert Lars Felder, der ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat: "Ein zielgerichteteres Instrument wäre zum Beispiel eine Schwerarbeitspension wie in Österreich." Hier gelten zwar auch die 45 Versicherungsjahre, allerdings müssen davon mindestens zehn Jahre in besonders fordernden Berufen mit Schwerarbeit geleistet worden sein. Dazu zählen Tätigkeiten mit starkem Schichtdienst oder harter körperlicher Arbeit, außerdem gibt es extra Berufslisten.

Um der heutigen Arbeitswelt gerecht zu werden, müsse man aber auch psychische Belastungen betrachten, so DIW-Forscher Felder - und insgesamt an der tatsächlichen Beschäftigungsfähigkeit einer Person ansetzen.

Eine Frage der Leistungsfähigkeit

Die Studienautoren empfehlen, die gesundheitliche Leistungsfähigkeit stärker in den Fokus zu rücken, wenn es darum geht, wer frühzeitig und abschlagsfrei in Rente darf. Sie fordern "eine gewisse Flexibilität, die sowohl den Zugang in eine Altersrente ermöglicht als auch teilweise weiterzuarbeiten - je nachdem, wie belastbar eine Person tatsächlich ist". Eine solche Reform würde für mehr Gerechtigkeit sorgen und die Rentenversicherung langfristig zukunftsfähiger machen.

Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Juli 2025 insgesamt höhere Renten bekommen. Rund 3,5 Prozent mehr lautet die offizielle Prognose für die Rentenerhöhung. Ganz sicher ist das aber noch nicht, denn erst im Frühjahr legt das Bundeskabinett je nach aktueller Konjunkturlage und Lohnentwicklung fest, wie die Renten tatsächlich steigen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. November 2024 um 17:08 Uhr.