Streit um Kürzungen Was von den Bauernprotesten übrig geblieben ist
Vor einem Jahr rückten die Bauernproteste die Landwirtschaft ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Obwohl die Politik einigen Forderungen nachgab, sehen die Landwirte weiteren Handlungsbedarf. Von Tobias Betz.
Vor einem Jahr rückten die Bauernproteste die Landwirtschaft ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Obwohl die Politik einigen Forderungen nachgab, sehen die Landwirte weiteren Handlungsbedarf.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlten 60 Milliarden Euro im Haushalt. Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner suchten im Dezember 2023 auch im Agrarsektor nach Einsparungen. Rund eine Milliarde Euro sollten durch die Abschaffung der Energiesteuerrückerstattung für Agrardiesel sowie die Aufhebung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen eingespart werden.
Das war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es folgten heftige Bauernproteste im ganzen Land. Wohl auch, weil die Sparmaßnahmen alle Bauern getroffen hätten: Ob bio oder konventionell, ob Großbetrieb oder Familienhof.
Bauernverbandspräsident Rukwied: "Nie dagewesene Aufmerksamkeit"
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sieht die massiven Bauernproteste vor einem Jahr als Erfolg. Damit habe der Berufsstand eine "nie dagewesene Aufmerksamkeit" für seine Anliegen geschaffen. "Wir waren Impulsgeber für weitere Protestbewegungen in ganz Europa", betonte Rukwied Ende 2024.
Die Proteste seien der Öffentlichkeit in positiver Erinnerung geblieben. Besonders stolz ist er darauf, dass die Proteste die agrarpolitische Agenda verschoben haben. In der EU und im Bund gab es tatsächlich jede Menge Zugeständnisse. Das erste bereits vor der groß angelegten Protestwoche.
Ampelregierung gibt nach
Bereits Anfang Januar 2024 nahm die Ampelregierung die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung zurück, die Landwirte dürfen weiterhin das grüne Nummernschild behalten. Die Subvention für Agrardiesel soll allerdings weiterhin fallen - in Etappen, nicht sofort. Als Ausgleich versprach die Regierung ein "Agrarpaket" für die Landwirte.
Doch den Landwirten geht es nicht allein um Geld. Sie wehren sich gegen das Bild, als Sündenböcke für Versäumnisse in Bereichen wie Artenschutz, Biodiversität und Flächenverbrauch herhalten zu müssen. Auch deshalb kam es zu der groß angelegten Aktionswoche. Ab dem 8. Januar 2024 gingen tausende Bauern und Sympathisanten in mehreren Städten in ganz Deutschland auf die Straße, am 15. Januar vergangenen Jahres endete die Aktionswoche in Berlin. Die Ampelregierung geriet unter Druck. Doch sie hält an der Streichung des Agrardiesel-Vergütung fest.
Kernforderungen des Bauernverbands
DBV-Präsident Rukwied betont mittlerweile, dass die steuerliche Belastung von Agrardiesel auf den europäischen Durchschnitt abgesenkt werden müsse. Das entspräche etwa der bisherigen Rückerstattung von 21,48 Cent pro Liter. Auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits 2019 eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt dies in ihrem Abschlussbericht, der am 26. November 2024 veröffentlicht wurde, bei gleichzeitiger Steuerentlastung von Biokraftstoffen in der Landwirtschaft.
Zudem fordert Rukwied einen konsequenten Bürokratieabbau. Die bisherigen Fortschritte seien "völlig unzureichend". Besonders kritisiert er, dass zuletzt vorgelegte Gesetzesvorhaben - wie die geplante Novellierung des Tierschutzgesetzes - grundlegender Überarbeitungen bedürfen. Allerdings muss sich damit nun die nächste Bundesregierung befassen.
Bauernproteste waren auch europäisch
Die Proteste hatten nicht nur nationale, sondern auch europäische Dimensionen. Anfang Februar 2024 legten tausend Traktoren und brennende Heuballen das Viertel um das EU-Parlament in Brüssel lahm. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen suchte das Gespräch mit den Bauernverbänden, zeigte Verständnis für die Sorgen und setzte später wesentliche Maßnahmen des Green Deals aus, darunter die Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln und die Flächenstilllegung.
Agrarpaket oder doch nur ein Agrarpäckchen?
Das größte politische Resultat der Proteste in Deutschland war das "Agrarpaket", das im September 2024 im Bundesrat verabschiedet wurde. Es beinhaltet Maßnahmen wie die sogenannte Gewinnglättung, die es Landwirten ermöglicht, Einkünfte über mehrere Jahre zu versteuern. Auch wurden weniger Bürokratie und mehr Planungssicherheit versprochen. Aus Sicht der Landwirte ist davon jedoch bisher nichts umgesetzt. Kritiker sprechen daher von einem "Agrarpäckchen".
Rukwied stellte Ende November klar, dass derzeit keine weiteren großangelegten Proteste geplant seien. "Wir haben in den Verhandlungen wichtige Fortschritte erzielt", sagte er, verwies aber darauf, dass die Umsetzung vieler Zusagen noch ausstehe. Für viele Landwirte bleibt das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Doch eines haben die Proteste erreicht: Sie haben die Stimmen der Bauern laut und klar hörbar gemacht.