Erlösabschöpfung Strompreis-Pläne verunsichern Biogasbranche
Der Bund will Bürger mit einer Strompreisbremse entlasten - das Geld dafür möchte er zum Teil bei Stromerzeugern einsammeln. Vor allem die Biogasbranche klagt darüber. Dabei kam ihnen die Ampel bereits entgegen.
Die Stimmung bei Betreibern von Biogasanlagen ist derzeit aufgewühlt. Hintergrund ist die Strompreisbremse der Bundesregierung und die dafür geplante Abschöpfung von Erlösen bei Stromerzeugern.
Die Natura-Biogasanlage in Herrieden im Landkreis Ansbach ist eine der ganz Großen in Bayern. Geschäftsführer Markus Appold droht damit, seine Anlage in diesem Winter herunterzufahren, weil er sie sonst nicht mehr kostendeckend betreiben könne: "Wenn es so umgesetzt wird, werden wir unsere Leistung reduzieren - dann steht weniger Energie für das öffentliche Netz zur Verfügung."
Bundesregierung will mehr Biogas-Strom - eigentlich
Das wäre das Gegenteil dessen, was die Bundesregierung in diesem Winter der Energiekrise erreichen möchte. Eigentlich sollen Biogasanlagen gerade jetzt so viel Strom produzieren wie nur möglich. Denn der lange als teuer geltende Biogasstrom wirkt angesichts der stark gestiegenen Großhandelsstrompreise inzwischen kostensenkend.
Die Regierung hat deshalb im Herbst extra Hemmschuhe für Bioenergie beseitigt: Zum einen fällt eine Regel, die Bundesenergieminister Peter Altmaier im Jahr 2013 mit seiner bereits damals so genannten Strompreisbremse eingeführt hatte: Alle Biogasanlagen durften seither pauschal fünf Prozent weniger Strom liefern, als ihre Motoren eigentlich hergeben. Jetzt dürfen sie ihre volle Leistung wieder abrufen.
Außerdem erlaubt die Bundesregierung jetzt Anlagen, die bisher nur Gülle und Reststoffe verwenden, zusätzlich beispielsweise Mais zu vergären, um die Energiemenge zu erhöhen. Zehn Prozent mehr Strom aus Biogas sollte dadurch möglich sein, schätzte der Branchenverband.
Die Strompreisbremse schöpft Einnahmen ab, nicht Gewinne
Das steht durch Habecks Strompreisbremse jetzt in Frage. Denn die Biogasanlagen dürfen nur noch einen Teil des Geldes behalten, den sie für den wertvollen Strom bekommen, und zwar 18 Cent pro Kilowattstunde, was die Kosten decken soll, plus einen so genannten Sicherheitszuschlag von 7,5 Cent - rückwirkend zum 1. Dezember. Alle Einnahmen, die darüber hinausgehen, werden vom Staat zu 90 Prozent abgeschöpft. Am Spotmarkt wurde Strom zuletzt mit deutlich über 30 Cent pro Kilowattstunde gehandelt.
Im Gesetzesentwurf zur Strompreisbremse bei Biogas stecken bereits bedeutende Zugeständnisse. Denn ursprünglich sollte der Sicherheitszuschlag nur drei Cent betragen, und die Gewinne sollten rückwirkend bis zum 1. März abgeschöpft werden - was der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) für verfassungswidrig hielt.
Die Energieexpertin der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, sagt deshalb, es sei richtig gewesen, die Bedingungen für Biogasanlagen gegenüber den ersten Entwürfen spürbar zu verbessern: "Der Betrieb der Anlagen soll lohnend bleiben. Gleichzeitig ist es richtig, dass die kriegsbedingten Zufallsgewinne teilweise zur Entlastung der Verbraucher genutzt werden."
Bayerns CSU-Staatsregierung erst zufrieden - jetzt doch nicht
Vielen Biogasbetreibern reicht das aber trotzdem nicht. Und sie bekommen Schützenhilfe von der Bayerischen Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern. Zwar hatte Bayerns CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber noch Ende November eine Pressemitteilung mit dem Titel "Bayerischer Vorstoß für Biogasbetreiber erfolgreich" verschickt: mit der Aussage, durch das Drängen Bayerns könne dieser Beitrag zum Klimaschutz jetzt erhalten bleiben. Wenige Tage später beschloss das bayerische Kabinett jedoch trotzdem eine Bundesratsinitiative, um den Zuschlag für die Biogasbetreiber weiter zu erhöhen, von 7,5 auf zehn Cent pro Kilowattstunde.
Nur die größten Anlagen sind noch betroffen
Dabei sind die meisten Biogasanlagen, gerade in Bayern, nach der jüngsten Änderung gar nicht mehr von der Erlösabschöpfung betroffen. Denn der Gesetzesentwurf enthält jetzt eine Ausnahme für alle Anlagen mit einer Leistung von einem Megawatt oder weniger. Damit müssen nur noch die größten Biogasanlagen Geld abgeben. In Bayern sind laut Fachverband Biogas jetzt rund 85 Prozent der Betreiber von der Strompreisbremse befreit, im gesamten Bundesgebiet immerhin mehr als zwei Drittel. Beklagen sich die Betreiber dieser Großanlagen zu Recht?
Nein, wenn es nach der Grünen-Bundestagsabgeordneten Nestle aus Schleswig-Holstein geht: "Wir sorgen dafür, dass die Biogasanlagen wie alle Erneuerbare-Energien-Anlagen eine ausreichende Vergütung erhalten, auch in Zeiten gestiegener Kosten."
Eine EU-Verordnung bindet Deutschland
Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie bestreitet das. Und weist auf einen weiteren Punkt hin: "Steinkohle ist von der Abschöpfung ausgenommen, Biogas nicht. Das ist nicht vermittelbar." Das allerdings ist in einer Verordnung der EU geregelt, die eine Strompreisbremse europaweit einführt. Hintergrund sind die gestiegenen Beschaffungspreise für Steinkohle. Die Spielräume für Deutschland seien deshalb begrenzt, erläutert eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
Die Laufzeit der Abschöpfung ist nach der EU-Verordnung bis zum 30. Juni 2023 befristet. Sie kann aber nach Überprüfung durch die EU-Kommission noch verlängert werden, bis maximal 30. April 2024. Davor warnen die Verbände der Energiewirtschaft jedoch unisono. Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien konstatiert eine "enorme Verunsicherung in der Branche bis hin zu Stornierung von Projekten". Das betreffe auch Photovoltaik und Windenergie.
Dass es mit dem Ausbau auch dieser Energieformen nicht so vorangeht wie von der Bundesregierung gewünscht, zeigen die Ergebnisse der letzten Ausschreibungen der Bundesnetzagentur: Sowohl bei Photovoltaik, als auch bei Wind an Land waren sie deutlich unterzeichnet. Das heißt: Es fanden sich weniger bauwillige Betreiber von Windrädern und Solarparks, als es die Strategie der Bundesregierung vorsieht. Für Biogasanlagen gilt das gleiche ohnehin bereits seit Langem. Die Verunsicherung durch die Strompreisbremse könnte nach Ansicht von Branchenbeobachtern einer der Gründe dafür sein.