Ein Mann mit Aktenkoffer geht Treppen hinunter.
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Illegale Aktiengeschäfte Cum-Ex und kein Ende?

Stand: 24.06.2024 16:37 Uhr

Experten sprechen vom vermutlich "größten Steuerraub der Nachkriegsgeschichte". Doch die Vorgänge rund um die illegalen Cum-Ex-Geschäfte sind bei weitem noch nicht aufgeklärt.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Was sind Cum-Ex-Geschäfte?

Kurz gesagt bekamen die Akteure bei Cum-Ex-Geschäften Steuern erstattet, die sie zuvor gar nicht gezahlt hatten. Durch Geschäfte mit Aktien rund um den Dividendenstichtag erreichten sie, sich eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Dividendenerträge zweimal rückerstatten zu lassen. Die Bürgerbewegung Finanzwende vergleicht den Vorgang damit, dass einmal Pfandflaschen im Supermarkt abgegeben werden, aber der Pfandbon kopiert und mehrfach an der Supermarktkasse eingelöst wird.

Die Hochphase des illegalen Geschäftsmodells dürfte in den Jahren 2006 bis 2011 gelegen haben. Der Gesamtschaden für den deutschen Staat wird auf etwa zwölf Milliarden Euro geschätzt.

Wie weit ist der Skandal aufgeklärt?

Der Komplex "Cum-Ex" ist bei weitem noch nicht aufgeklärt. Obwohl das Finanzministerium spätestens seit 2002 über Cum-Ex-Geschäfte informiert war, geschah zunächst wenig. Wie arg- oder hilflos Fiskus, Finanzaufsicht und Justiz dem Betrugsgeschehen anfangs gegenüberstanden, wird etwa durch die Tatsache deutlich, dass der Bundesfinanzhof (BFH) erst im Juli 2021 klarstellte, dass Cum-Ex-Geschäfte vorsätzliche Steuerhinterziehung und damit strafbar sind.

Die Ermittlungen, die schon seit gut zehn Jahren laufen, nahmen erst um diese Zeit richtig Fahrt auf. Die schwerpunktmäßig mit den Ermittlungen beschäftigte Staatsanwaltschaft Köln spricht heute von mehr als 1.700 Beschuldigten. Aktuell führen die über 30 Staatsanwälte rund 120 Ermittlungsverfahren. Abgeschlossen sind dagegen erst rund 20 Verfahren.

Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang die überraschende Kündigung der der Kölner Chefermittlerin Anne Brorhilker im April. Im Gespräch mit dem WDR übte die damalige Oberstaatsanwältin deutliche Kritik daran, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. "Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz." Die Juristin sprach sich für mehr Personal in der Strafverfolgung und für eine bundesweite zentrale Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aus. Brorhilker wurde daraufhin Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende, die sich für eine bessere Verfolgung von Finanzkriminalität in Deutschland einsetzt.

Wie soll Betrug künftig verhindert werden?

Zwar gab es auch zuvor keine "Gesetzeslücke", die die Verfolgung von Cum-Ex-Geschäften verhindert hätte. Doch der Bund reagierte 2012 mit einer Gesetzesänderung, die Cum-Ex-Transaktionen effektiv unterbinden soll.

"Cum-Ex" gilt allerdings nur als eine von mehreren Gestaltungsformen "steuergetriebener Aktiengeschäfte". Angesichts mehrerer Nachfolgemodelle sei der Steuerdiebstahl längst nicht gestoppt, erklärte Anne Brorhilker. In der Finanzbranche säßen hervorragend ausgebildete Leute, deren Job nichts anderes sei, als sich solche Steuermodelle auszudenken - auf der ganzen Welt. In diesem "Hase-und-Igel-Spiel" seien die Behörden noch unzureichend aufgestellt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2024 um 15:58 Uhr.