Videospiele boomen Zockergold mit viel Wachstumspotenzial
Das Geschäft mit Videospielen, ob auf dem Handy, der Konsole oder dem PC, brummt seit der Corona-Pandemie. Die deutsche Entwicklerszene spielt international aber nur eine kleine Rolle.
40 Millionen US-Dollar Gesamtpreisgeld - das ging beim bislang höchstdotierten eSports-Turnier der Welt an die besten Gamer. War die Öffentlichkeit vor einigen Jahren noch geschockt von Gewinnsummen bei Videospiel-Turnieren in Millionenhöhe, ist heutzutage ein Preisgeld im sieben- oder sogar achtstelligen Bereich keine Seltenheit mehr.
Weltweit ist Zocken ein Milliardenmarkt. Der Umsatz der Branche in Deutschland wächst seit Jahren stark, zuletzt lag dieser bezogen auf Spiele, Hardware und Services bei rund zehn Milliarden Euro. Das zeigen Zahlen des Branchenverbandes game: ein Anstieg um sechs Prozent. Und das, obwohl die Anzahl der verkauften Spiele eigentlich gesunken ist. Das aber wird wettgemacht - auch dadurch, dass Spiele in den vergangenen Jahren teurer geworden sind.
Die Umsätze im vergangenen Jahr bei Spielekonsolen und Zubehör wurde wohl auch dadurch in die Höhe getrieben, dass viele etwas nachzuholen hatten. Denn während der Pandemie kamen durch Produktions- und Lieferschwierigkeiten viel zu wenig Geräte in die Läden. Zum Beispiel waren erst nach langer Wartezeit beliebte Spielekonsolen wie die Playstation 5 wieder ausreichend verfügbar.
Deutsche Entwickler haben wenig vom Erfolg
Deutschland ist der größte Computerspielmarkt Europas. International ist er allerdings eher unwichtig, weil auch auf dem heimischen Markt internationale Hersteller dominieren: Weniger als fünf Prozent des deutschlandweiten Umsatzes mit Computerspielen gehen an deutsche Entwickler.
"Wir haben eine Spielebranche, eine Gaming-Welt. Da gibt es ein Cluster in Berlin, Hamburg und auch München, aber wir sind sehr mittelständisch geprägt", sagt Analyst Mirko Maier von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), der sich viel mit der Branche und KI auseinandersetzt. "Microsoft ist einer der größten Player im Gaming-Markt. Und dann gibt es noch andere Player wie Tencent in China, die sind sehr stark bei mobilen Spielen."
Deutschland spielt international nur eine winzige Rolle
Die USA, China, Großbritannien und Kanada sind im Vergleich zu Deutschland Giganten auf dem Spielemarkt. Und das wissen auch die Unternehmen, die Spiele entwickeln. Die deutsche Games-Branche befürchtet, dass sie wegen mangelnder staatlicher Hilfe international noch weiter zurückfällt.
Auch Maier sagt, die Fördersituation könne verbessert werden. "Die kleinen Unternehmen, die eine tolle Spielidee haben, gehen ein hohes Risiko ein - ob das Spiel was wird oder ob es floppt." Das müsse man schon ein bisschen unterstützen, findet der Analyst.
Politisch zeigen die Zeichen allerdings in eine entgegengesetzte Richtung. Die Fördertöpfe für die Gaming-Branche vom Bund sind inzwischen kleiner ausgefallen. Dazu will sich das Wirtschaftsministerium aus der Förderung von kleinen Computerspiel-Entwicklungen zurückziehen. "Im internationalen Wettbewerb bestehen wir so nicht", schreibt der Brancheverband game auf der eigenen Webseite.
An der Gaming-Branche führt kein Weg vorbei
Gaming aber ist schon lange nicht mehr nur Freizeitvergnügen. Lutz Anderie ist Experte für die Gaming-Industrie und lehrt Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences. Er sagt, Gaming wirke wie ein Indikator auf andere Branchen.
"Was Sie heute in der Games-Branche sehen, sehen Sie morgen in anderen Branchen in der konkreten Anwendung. Chirurgen werden heute mit Virtual- und Augmented-Reality trainiert." Anderie ist überzeugt, Unternehmen kommen an der Gaming-Industrie nicht mehr vorbei. Jüngere Zielgruppen erreiche man heute nicht mehr über den klassischen Handel oder E-Commerce.
Besonders interessant ist dabei die Entwicklung von Spielen, die man erst einmal kostenlos herunterladen kann. "Die Monetarisierung, das heißt der wirtschaftliche Erfolg, wird dann durch den Verkauf von sogenannten In Game Items realisiert", so Anderie. Das heißt, es werden auch immer mehr Käufe innerhalb der Spiele getätigt. Will man also konkurrenzfähig sein, muss man bei vielen Spielen echtes Geld in die Hand nehmen, um sich bessere Ausrüstung oder Spieler zu kaufen. Und häufig geht das über eine virtuelle Schatzkiste - sogenannte Lootboxes: Ein Klick, bezahlen und die Box öffnet sich. Erst dann weiß man, wofür man sein Geld ausgegeben hat.
Lootboxes sind umstritten
Diese Boxes sind ein Streitthema. Denn zum Teil geben Spielende mehrere Tausend Euro aus, um an immer bessere Werkzeuge, Spieler oder Level zu kommen. In extremen Fällen kann das sogar in einer Glücksspielsucht enden. Rechtlich und politisch ist allerdings umstritten, ob es sich bei Lootboxes wirklich um Glücksspiel handelt oder nicht. Verbraucherschützer und Experten warnen schon lange vor der Gefahr der Lootboxes, es geht dabei um den Schutz von Jugendlichen.
In Deutschland gelten die virtuellen Schatzkisten nicht offiziell als Glücksspiel, weil diese im Gegensatz zu anderen Spielen, wie etwa Lotto, den Spielenden am Ende keinen höheren Geldbetrag einbringen können. Man erhält für das Geld Ausrüstung im Spiel. Streit gibt es über die Auslegung allerdings auch, weil viele Inhalte aus diesen Boxen auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, dort werden zum Teil beträchtliche Summen gezahlt. Deutschlands Nachbarland Belgien hat schon längst reagiert - dort gelten Lootboxes schon seit 2018 als illegales Glücksspiel.
Von der Games-Branche lernen
Gaming-Experte Anderie sagt, grundsätzlich könnten viele Bereiche von der Spieleindustrie lernen. Man spreche dabei von User Behaviour, also Nutzerverhalten. "Wann trifft der Käufer oder der Gamer eine Entscheidung für ein Produkt und was passiert bei dem Kaufentscheidungsprozess?" Die Erkenntnisse darüber könnten zum Beispiel auch im Handel genutzt werden, so Anderie. "Diesen Markt haben zum Beispiel auch große Supermarktketten längst für sich entdeckt und treten als Sponsor für Computerspiel-Turniere oder Gaming-Teams auf den Plan."
Die Gaming-Branche gehörte während der Corona-Pandemie zu den Krisengewinnern. Inzwischen aber ist der Hype etwas abgeebbt, das zeigen die aktuellen Verkaufszahlen von Spielen und Hardware. Investoren halten sich immer wieder zurück, Projekte werden abgesagt, Entwickler-Studios werden dicht gemacht und Beschäftigte entlassen. Neue Spiele zu entwickeln, braucht Personal, Geld und Zeit. Fans befürchten, dass deshalb in der nächsten Zeit große Blockbuster im Gaming-Bereich ausbleiben könnten.