Elektromobilität Wo geht's hier zur Ladesäule?
Allein seit Jahresbeginn wurden mehr als 200.000 Autos mit Elektroantrieb neu zugelassen. Der Aufbau neuer Ladestationen hinkt hinterher. Das uneinheitliche Bezahlsystem an den Säulen bremst zusätzlich.
Wer mit seinem Elektroauto einmal quer durch Deutschland fährt, muss noch immer viel beachten und planen. Es kann sein, dass man auf dem Weg von München nach Flensburg Säulen von fünf verschiedenen Anbietern mit unterschiedlichen Zahlsystemen nutzen muss.
"Es ist ein Ladeangebotschaos in Deutschland, und damit sind wir noch immer ein negatives Beispiel in Europa", sagt Stefan Bratzel. Er leitet das Forschungsinstitut Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Die Summe von Quantität und Qualität muss sich bei den Ladesäulen deutlich verbessern." In wichrigen Regionen fehlten die Angebote einer Schnelllade-Infrastruktur. "Wir haben zu viele verschiedene Systeme am Markt. Deutschland bleibt in diesem Bereich digitales Entwicklungsland", sagt Bratzel.
Einheitliches Bezahlsystem: Fehlanzeige
Das Grundproblem lösen will ein Unternehmen aus dem kleinen Ort Schlangen in Nordrhein-Westfalen. Dominik Freund von Wallbe setzt auf barrierefreies Tanken - und dabei auf Kartenzahlung. "Die Technik zur Kartenzahlung ist einfach und weltweit etabliert. Jeder Autofahrer hat immer eine Bezahlkarte dabei", sagt Freund. "Der Preis pro Kilowattstunde wird direkt an der Ladestation angezeigt und eine Registrierung ist nicht notwendig." Für den Endkunden würden so auch keine versteckten Roaminggebühren oder sonstigen Kosten anfallen.
Freund sieht allerdings sehr starken Widerstand bei Energieversorgern und Automobilherstellern. "Für sehr große Betreiber ist es günstiger, auf geschlossene Systeme zu setzen. So binden sie Stromkunden beziehungsweise Autokäufer in einem Dauerschuldverhältnis, aus dem er dann nicht aussteigen kann, ohne seine Mobilität zu gefährden", kritisiert Freund. Forscher Bratzel stimmt hier zu. Es brauche einheitliche Bezahlmethoden für das Laden. "Alles andere ist Mist", sagt Bratzel. "Wenn ich wo hinkomme, muss ich direkt laden können ohne zeitaufwändige Anmeldeformulare und nervige Online-Registrierungen."
Immer mehr E-Fahrzeuge
Bis zum Jahr 2025 werden die jährlichen Neuzulassungen von E-Fahrzeugen auf rund 900.000 steigen, prognostiziert das Forscherteam aus Bergisch Gladbach. "Das entspricht dann einem Anteil von 27 Prozent an den Neuverkäufen", so Bratzel. "Dabei wird davon ausgegangen, dass der weit überwiegende Anteil von rund 65 Prozent reine Elektrofahrzeuge sein werden. Die größte Herausforderung bleibt die Ladeinfrastruktur."
Für die Unternehmer von Wallbe sind die großen E-Mobilitäts-Provider das Problem am derzeitigen System. "Die Preisstrukturen der einzelnen Anbieter werden immer undurchsichtiger werden. Erst kürzlich hat der Energieversorger EnBW eine Preiserhöhung angekündigt", sagt Freund. Als E-Autofahrer sei man in einer sehr starken Abhängigkeit. "Außerdem bringt das aktuelle System eine enorme Komplexität und Barrieren beim internationalen Einsatz."
Kaufgründe: Reichweite, Preis, Verlässlichkeit
Aus Umfragen zeige sich, erklärt Bratzel, dass Kundinnen und Kunden besonders auf Reichweite, Preis und Verlässlichkeit Wert legen. "Bei der Reichweite und dem Preis haben die Hersteller sich gut entwickelt - auch dank politischer Förderung. Aber wegen der fehlenden Verlässlichkeit stockt der Markt in Deutschland im internationalen Vergleich noch immer", sagt Bratzel. "Dabei ist Elektromobilität eigentlich günstiger als der Verbrenner und macht noch sehr viel Spaß beim Fahren."
Ob allerdings die Kartenzahlung wie bei Wallbe der perfekte Weg sei, hinterfragt der Forscher. "Ladelesegeräte kosten wieder Geld und dauern beim Umbau und der Umrüstung. Hier frage ich mich, ob wir nicht auf alte Technik setzen, die bald überholt sein kann."
Auch einige Verbände kritisieren die Pflicht zum Einbau von Kartenlesegeräten als zusätzlichen Bremsklotz. Das Bundeskabinett hat jüngst beschlossen, dass spontanes Laden von E-Autos einfacher werden soll, und eine entsprechende Novellierung der Ladesäulenverordnung auf den Weg gebracht. Diese sieht vor, dass Betreiber von Ladesäulen künftig mindestens eine kontaktlose Zahlung mit gängiger Geldkarte anbieten müssen. Das gilt aber erst für Ladesäulen, die ab Juli 2023 in Betrieb genommen werden.