Treibhausgas-Ausstoß Deutsches Klimaziel erreicht, EU-Ziel verfehlt
Deutschland hat seinen Treibhausgas-Ausstoß gegenüber 1990 fast halbiert und sein selbstgestecktes Klimaziel für 2024 erreicht. Die strengeren EU-Vorgaben wurden aber verfehlt - wegen der Emissionen durch Gebäude und den Verkehr.
Deutschland kommt beim Klimaschutz vor allem dank des Ausbaus von Wind- und Solarenergie schneller voran als erwartet. Der Treibhausgas-Ausstoß sei 2024 um 48 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zurückgegangen, teilte die Denkfabrik Agora Energiewende heute mit. Das deutsche Klimaziel für das Jahr wurde erreicht: Mit 656 Millionen Tonnen seien im Vergleich zu 2023 drei Prozent weniger Klimagase in die Luft geblasen worden. Die Emissionen seien damit das dritte Jahr in Folge gesunken.
Insgesamt hat Deutschland im vergangenen Jahr demnach 656 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten ausgestoßen - zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in Kohlendioxid (CO2) umgerechnet. Ähnlich niedrig sei die Zahl zuletzt in den 1950er-Jahren gewesen, hieß es. Das EU-Klimaziel hat die Bundesrepublik nach Einschätzung der Denkfabrik allerdings um zwölf Millionen Tonnen CO2 gerissen.
Nachfrage nach Wärmepumpen und E-Autos eingebrochen
Das lag vor allem an den Problembereichen Verkehr und Gebäude. Die Nachfrage nach klimafreundlicheren Technologien sei im vergangenen Jahr eingebrochen. So sei der Absatz von Wärmepumpen um 44 Prozent und die Neuzulassungen von E-Autos um 26 Prozent zurückgegangen. "Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen", erklärte der Direktor von Agora Energiewende Deutschland, Simon Müller. Das habe zu Zurückhaltung bei Investitionen geführt.
Zwar sanken die Emissionen sowohl bei Gebäuden als auch im Verkehr um je zwei Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Das sei aber vor allem der milden Witterung mit niedrigerem Heizbedarf geschuldet sowie dem geringeren Lkw-Verkehr wegen der Wirtschaftsflaute. Der Pkw-Verkehr habe zugelegt. Das im deutschen Klimaschutzgesetz festgelegte Unterziel für den Gebäudebereich wurde demnach um neun Millionen Tonnen CO2 überschritten, beim Verkehr waren es sogar 19 Millionen Tonnen.
Da die Obergrenzen für diese Sektoren festgelegt wurden, muss Deutschland in den nächsten Jahren hierfür Verschmutzungsrechte von anderen Staaten kaufen. Andernfalls drohen Strafzahlungen nach Brüssel, wenn Deutschland sein europäisches Emissionsbudget bis 2030 reißt, so Müller. Laut Agora kommen so milliardenschwere Kosten auf Deutschland zu.
Müller forderte eine am CO2-Ausstoß orientierte Reform von Steuern, Abgaben und Subventionen rund um das Auto: Dazu gehöre die Dienstwagen-Besteuerung und eine verursachergerechte Pkw-Maut. Außerdem sollten Betreiber von Wärmepumpen weniger Netzentgelte für den Strom bezahlen müssen.
Rekordproduktion von Strom aus Wind und Sonne
Trotz schlechter Wirtschaftslage und geringerer Produktion stiegen auch die Emissionen in der Industrie um drei Millionen Tonnen CO2 an, was Agora besonders auf einen höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe in der energieintensiven Industrie zurückführt. Dies sei ein Alarmzeichen, so die Denkfabrik, und der Klimaschutz müsse etwa mit Hilfe von Wasserstoff stärker in Schwung kommen. Nur so könnten die Emissionen bei einem Konjunktur-Aufschwung moderat gehalten werden. Das deutsche Klimaziel habe der Sektor aber um zehn Millionen Tonnen CO2 unterschritten und damit geschafft.
Den Löwenanteil von 80 Prozent an den fallenden Emissionen verorten die Autoren des Berichts in der Energiewirtschaft mit der Umstellung auf Erneuerbare Energien. Die Rekordproduktion mit Wind oder Sonne habe 2024 rund 55 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt. Im Gegenzug habe die Kohleverstromung ein historisches Tief erreicht. So seien im vergangenen Jahr Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt stillgelegt worden, was 16 Prozent der installierten Kohle-Kapazität entsprochen habe. "Im Stromsektor zeigen die Klimaschutzmaßnahmen der letzten Jahre immer stärker ihre Wirkung", sagte Agora-Chef Müller.
Vor allem von der Windenergie wird in den kommenden Jahren ein noch größerer Beitrag erwartet, da die Zahl der Genehmigungen 2024 stark gestiegen ist und die Windparks jetzt gebaut werden. Geholfen hat allerdings auch, dass Deutschland mehr Strom importierte, also nicht selbst erzeugen musste. Dieser kam laut Agora zur Hälfte aus Erneuerbaren Energien und zu einem Viertel aus Atomkraft. Das milde Wetter und die schwächelnde Wirtschaft hätten ebenso eine Rolle gespielt.
Rekorderlös aus dem Emissionshandel
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Das Klimaschutzgesetz sieht bis dahin jährlich eine Höchstgrenze des CO2-Ausstoßes vor, die 2024 um 36 Millionen Tonnen oder gut fünf Prozent unterboten wurde. Nach dem von der Ampel-Koalition reformierten Klimaschutzgesetz gelten für einzelne Sektoren keine Höchstgrenzen mehr. Bis 2045 will Deutschland schließlich klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können.
Die Zahlen und die Perspektive für 2030 müssen noch im Frühjahr vom Expertenrat für Klimafragen überprüft werden. Im vergangenen Jahr hatten die Experten mit Blick auf 2030 - trotz Erreichen des Ziels 2023 - ein Verfehlen prognostiziert. Wiederholt sich dies im Frühjahr muss die Regierung dem Gesetz zufolge neue Klimainstrumente auf den Weg bringen. Nach europäisch vereinbarten Vorgaben wiederum muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken - allerdings im Vergleich zu 2005.
Derweil erreichten die Einnahmen Deutschlands aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten 2024 eine Rekordhöhe. Sie summierten sich auf 18,5 Milliarden Euro und lagen damit rund 100 Millionen Euro höher als 2023, wie die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) in Berlin mitteilte. Das Geld fließt vollständig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), mit dem etwa die energetische Gebäudesanierung, die Dekarbonisierung der Industrie, die Wasserstoffwirtschaft und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos gefördert wird. Konkret bezuschusst wird zum Beispiel der Kauf von Bussen mit alternativen Antrieben durch Verkehrsbetriebe.