Menschen fahren in Lahore, Pakistan, auf einer Straße durch den Smog.

Global Carbon Budget CO2-Emissionen steigen weiter

Stand: 13.11.2024 02:30 Uhr

Wie können die CO2-Emissionen weltweit sinken? Darüber diskutiert gerade die UN-Klimakonferenz. Doch aktuelle Zahlen von Wissenschaftlern zeigen: Eine Trendwende bei den fossilen Emissionen ist gar nicht in Sicht.

Von Simon Plentinger, BR

Die globalen CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas werden auch 2024 weiter steigen. Das zeigt der aktuelle Bericht des internationalen Global Carbon Projects, an dem auch Forschende aus Deutschland vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), der Universität Bremen und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) beteiligt sind.

Die Forschenden projizieren dabei jährlich die weltweiten Treibhausgasemissionen und ihre Ursachen. Für 2024 berechnen die Wissenschaftler: Trotz der globalen Klimaschutzbemühungen und des steigenden Ausbaus erneuerbarer Energien werden die fossilen Emissionen voraussichtlich um 0,8 Prozent auf 37,4 Gigatonnen CO2 steigen.

Steigende Emissionen in Indien, sinkende in der EU

Die Verbrennung von Kohle macht dabei den größten Anteil der fossilen Energieträger aus. Allerdings steigen die Emissionen aus der Kohle (+0,2 Prozent) zuletzt weniger stark als die Emissionen von Öl (+0,9 Prozent) und Gas (+2,4 Prozent). Global gesehen ist vor allem der CO2-Ausstoß Indiens 2024 stark gestiegen (+4,6 Prozent) - und zwar bei allen Energieträgern.

Laut Judith Hauck, Umweltforscherin am AWI, ist dort der Energiebedarf sehr viel stärker gestiegen als der auch starke Ausbau erneuerbarer Energien. In China steigen die CO2-Emissionen 2024 nur noch leicht (+0,2 Prozent). Die Öl-Emissionen gehen dabei zurück. Grund ist laut Hauck, dass in China die Mobilitätswende zugunsten der Elektromobilität voranschreitet. "Und wir verstehen das so, dass vermutlich die Öl-Emissionen in China den Wendepunkt erreicht haben", so Hauck.

In der EU sinkt der CO2-Ausstoß deutlich (-3,8 Prozent), wenn auch nicht ganz so stark wie im vergangenen Jahr. Vor allem die Emissionen aus Kohle und Gas nehmen laut den Berechnungen ab. In den USA sinken die Emissionen leicht (-0,6 Prozent).

Emissionen durch abgebrannte und gerodete Wälder

Auch die sogenannte Landnutzungsänderung verursacht Emissionen. Wenn zum Beispiel Wälder gerodet werden, um dort Landwirtschaft zu betreiben oder Torfflächen abbrennen. Auf der anderen Seite wird etwa durch Aufforstung CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen. Unterm Strich ergeben sich für 2024 aber immer noch Emissionen von 4,2 Gigatonnen CO2.

Laut Julia Pongratz, Geografin an der LMU, ist das immer noch sehr hoch. Aber: "Insgesamt sehen wir hier in den letzten Jahrzehnten einen rückläufigen Trend", sagt sie. Es wird also immer weniger abgeholzt und immer mehr aufgeforstet. Trotzdem appelliert die Forscherin: "Die hohen Emissionen verdeutlichen noch mal, wie wichtig es ist, die Entwaldung komplett zu stoppen, um Emissionen zu reduzieren."

Höhepunkt noch immer nicht erreicht

Insgesamt setzt sich der Trend der vergangenen Jahrzehnte fort. Zwar hatten die Ölkrisen der 1970er- und 1980er-Jahre, der Zerfall der Sowjetunion, die Finanzkrise vor 15 Jahren und die Corona-Pandemie den globalen Emissionen einen zwischenzeitlichen Dämpfer verpasst, doch der generelle Trend der Emissionen geht seit Jahrzehnten nach oben. Ziel der internationalen Klimapolitik ist es eigentlich, die Emissionen in den kommenden gut 25 Jahren herunterzufahren. Doch die Zahlen der Forschenden belegen, dass der Höhepunkt der globalen Emissionen noch immer nicht erreicht ist.

Je länger sich dieser Zeitpunkt hinausschiebt, umso drastischer müssen die Emissionen sinken, wenn die Weltgemeinschaft die Pariser Klimaziele noch erreichen soll. Bis Mitte des Jahrhunderts sollen sie "Netto-Null" erreichen. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der verbleibende CO2-Ausstoß, der sich nicht oder nur sehr schwer vermeiden lassen, durch CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen wird. Das geschieht auf natürliche Weise, zum Beispiel durch Wälder, Moore sowie Ozeane. In Zukunft könnten aber auch technische Verfahren, wie etwa das Filtern von CO2 aus der Luft ("Direct Air Capture") und das Einspeichern des Gases unter der Erde, eine Rolle spielen.

Technologische CO2-Entnahme bisher nur marginal

Diese technischen Lösungen machen bisher aber nur einen Bruchteil der CO2-Aufnahme aus, erklärt Klimaforscherin Pongratz bei einem Pressegespräch des Science Media Centers. Durch Aufforstung werden etwa 1,9 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre von diesen Ökosystemen aufgenommen. Das entspricht etwa fünf Prozent der jährlichen fossilen CO2-Emissionen. Technische Verfahren wie etwa "Direct Air Capture" und andere Methoden gleichen dagegen zusammengenommen bisher nur ein Millionstel des fossilen CO2 aus. "Das heißt, wir müssen einerseits in Zukunft diese Waldsenke pflegen und ausbauen, aber auch dafür Sorge tragen, dass wir die neuartigen CO2-Entnahmemethoden hochskalieren", sagt Pongratz.

Kohlenstoffbudget für dieses Jahr schon aufgebraucht

Seit 1750 ist die Konzentration laut dem Global Carbon Project um 52 Prozent gestiegen. Und das setzt sich weiter fort. 2024 wird die Konzentration laut den Forschenden voraussichtlich 422,5 ppm (parts per million) erreichen.

Um den Klimawandel zu stoppen, müsste durch globale "Netto-Null"-Emissionen dauerhaft erreicht werden, dass die Konzentration nicht weiter ansteigt und sich die Erde dann nicht weiter erwärmt. Dafür müsste der CO2-Ausstoß laut dem Global Carbon Project jährlich um 1,6 Gigatonnen sinken. Blieben die Emissionen auf dem Niveau wie bisher, wäre das Kohlenstoffbudget, das bleibt, um die globale Erwärmung auf das Paris-Ziel von 1,5 Grad zu begrenzen, schon in diesem Jahrzehnt aufgebraucht.