COP29 in Baku Klimakonferenz unter schwierigen Vorzeichen
Deutschland nach dem Ampel-Aus geschwächt, die USA nach dem Wahlsieg von Donald Trump vor einer Rolle rückwärts: Unter schwierigen Vorzeichen ist in Baku die 29. UN-Klimakonferenz gestartet.
Laut dem Ende Oktober veröffentlichen "Emissions Gap Report" des UN-Umweltprogramms (UNEP) steuert die Erde derzeit auf eine Erwärmung von mindestens 2,6 Grad im Laufe des Jahrhunderts zu, wenn die Weltgemeinschaft ihre Klimaschutzanstrengungen nicht verstärkt. Das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, würde deutlich gerissen.
Scholz hat Reise zur Konferenz abgesagt
Die jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenzen dienen dazu, international abzustimmen wie die globalen CO2-Emissionen gesenkt werden sollen und die weitere Richtung der Klimaschutzpolitik festzulegen. Deutschland hat auf UN-Klimakonferenzen in der Regel eine starke Stimme, als wirtschaftsstarkes Land, das sowohl aktiv Klimaschutz betreibt als auch große Summen in die internationale Finanzierung einzahlt.
Auf der COP29 dürfte das anders sein: Eigentlich war geplant, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zum Auftakt der Konferenz nach Baku reist und dort morgen vor der Weltgemeinschaft spricht. Nach dem Aus der Ampelkoalition hat er diese Reise jedoch abgesagt. Begründung: "die aktuelle politische Lage".
Deutschland eine "lahme Ente" in Baku?
Bisher weiterhin geplant sind dagegen die Reisen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. In der momentanen Situation mit bevorstehenden Neuwahlen können sie aber wohl nicht viel ausrichten.
Deutschland ist aktuell beim internationalen Klimaschutz eine "lame duck" (lahme Ente). So werden sonst vor allem in den USA Politiker bezeichnet, die zwar noch im Amt, aber politisch nicht mehr handlungsfähig sind. Zusagen, die Deutschland jetzt im internationalen Klimaschutz macht, müssten von der nächsten Bundesregierung umgesetzt werden, die dann möglicherweise ganz andere Prioritäten setzt. Sie wären also wenig wert.
Deutschland gilt sonst international eigentlich als Vorreiter und verlässlicher Partner. Doch bei dieser Konferenz wird die deutsche Delegation von den anderen Staaten in den Verhandlungen wohl weniger ernst genommen werden. Die Verhandlungsführer dürften sich dieser außergewöhnlichen Situation bewusst sein und könnten einen Umweg wählen: Deutschland ist gewissermaßen doppelt vertreten, nämlich zusätzlich noch als Teil der EU. Deutschland könnte also versuchen, über die EU-Delegation inhaltliche Akzente zu setzen. Doch auch diese dürfte unter Ungarns Ratspräsidentschaft nicht ganz so ambitioniert agieren wie schon bei anderen Konferenzen.
Doch gerade Europa hat in diesem Jahr unter Extremwetterereignissen gelitten. "Wir sind ja Augenzeugen von noch nie da gewesenen Extremwetterphänomenen, für die wir gar keine Geschichten als Menschen haben. Keine Vorstellung, wie schlimm kann es dann noch werden", sagt Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, im Gespräch mit tagesschau24. "Und das trifft überall, auf allen Kontinenten mittlerweile Menschen." Man sei nicht gut vorbereitet. "Und das sind die Zahlen, die wir nach vorne bringen müssen. Es ist mittlerweile klar geworden: Die wirtschaftliche Entwicklung wird extrem behindert von den Folgen des Klimawandels."
Ausstieg aus fossilen Energien nicht auf der Agenda
Experten fragen sich außerdem, ob unter Aserbaidschans Präsidentschaft ehrgeizige Klimaschutzbeschlüsse überhaupt möglich sind: 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes stammen aus dem Export fossiler Brennstoffe, die größtenteils in die EU gehen. Es gibt sogar Stimmen, die dafür plädieren, kritische Punkte besser bis zu den Verhandlungen im nächsten Jahr (COP30) in Brasilien aufzuheben, um mehr Chancen auf ein erfolgreiches Ergebnis zu haben.
Ein Indiz für diese schwierigen Umstände gibt es bereits: Bei der Konferenz im vergangenen Jahr (COP28) in Dubai hatten die Vertragsstaaten einen langfristigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschlossen - mit einer abgeschwächten Formulierung: Der Begriff "Ausstieg" wurde ersetzt durch "Übergang" weg von der Nutzung von fossilen Brennstoffen. Das wurde dennoch als Verhandlungserfolg gefeiert. Bundesumweltministerin Lemke forderte im Vorfeld der Klimakonferenz ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien. Doch COP29-Gastgeber Aserbaidschan hat das Thema "Ausstieg" zunächst gar nicht auf die Agenda geschrieben.
Sorge um Pariser Klimaabkommen nach Trump-Sieg
Auch der Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl wirft einen Schatten auf die Klimakonferenz. Mit ambitionierten Klimaschutzanstrengungen seitens der USA ist wohl in den nächsten Jahren nicht mehr zu rechen. Im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass Trump erneut, wie schon nach seiner ersten Wahl zum Präsidenten, den Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen erklären wird.
US-Präsident Biden hatte den Austritt gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft rückgängig gemacht. Lambert Schneider vom Öko-Institut in Berlin, der auch Mitglied der EU-Delegation beim Klimagipfel in Baku ist, befürchtet sogar, dass es diesmal "nicht so glimpflich ausgehen" könnte und es nicht bei den USA bleibt. Andere Länder könnten dem Austritt folgen.
Neue nationale Klimaziele
Wichtig werden in Baku die neuen nationalen Klimaziele für den Zeitraum bis 2035 (sogenannte NDCs, "Nationally Determined Contributions"). Die Staaten müssen sie bis Anfang 2025 vorlegen. Im Pariser Abkommen ist festgelegt, dass sich die Ziele mit der Zeit verstärken müssen. Das wäre auch notwendig, um die Ziele zu erreichen. Hanna Fekete, Mitbegründerin der Denkfabrik New Climate Institute in Köln, erwartet, dass einige Staaten ihre Ziele schon recht am Anfang der Konferenz vorstellen könnten. "Wir wissen auch, dass die EU oder Indien, China wahrscheinlich kein neues Ziel vorlegen. Das heißt, da fehlen einfach ganz große Emittenten", sagt Fekete.
In Baku soll außerdem über globale Kohlenstoffmärkte verhandelt werden, auf denen Staaten international CO2-Ausgleichszertifikate handeln und erwerben könnten. Hier wird es auch um die Frage gehen, welche Standards für solche Zertifikate festlegt werden können. Die Wirksamkeit solcher Ausgleichsmechanismen für CO2-Emissionen, zum Beispiel durch Aufforstungsprojekte, wird von Experten immer wieder in Frage gestellt.
Knackpunkt internationale Klimafinanzierung
Es geht außerdem um eine neue internationale Klimafinanzierung - für Klimaforscherin Boetius eines der wichtigsten Themen. Es gehe darum, das Versprechen einzulösen, den Ländern, die Hilfe brauchen bei der Klimaanpassung, wirklich zu helfen. "Geld wird gebraucht, um den Klimaschutz zu organisieren, um die Emissionen runterzufahren, die Effizienz zu steigern, die Regenerativen auszubauen. Und das alles braucht auch Deals, braucht Zusammenarbeit, Zusammenhalt."
Bisher existiert ein Budget von 100 Milliarden US-Dollar im Jahr, mit dem die Industriestaaten den Klimaschutz in ärmeren Ländern unterstützen. Dieses läuft aus und muss neu verhandelt werden. Analysen wie etwa vom Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) rechnen mit einem Bedarf von mindestens dem Zehnfachen bis hin zu 2.400 Milliarden Dollar, die notwendig wären.
Wie viel die Staaten tatsächlich bereit sind zu zahlen, wird sich bei der COP29 herausstellen. Außerdem wird es auch darum gehen, Fonds zum einen für die Klimawandelanpassung zu bilden, aber auch darum, die Schäden, die durch den Klimawandel entstehen, finanziell einzukalkulieren.