Stromleitungen über Wohnhäusern.

Vor allem in ländlichen Regionen Strompreise könnten nächstes Jahr sinken

Stand: 09.10.2024 08:23 Uhr

Eine Änderung bei der Verteilung der Netzentgelte dürfte im kommenden Jahr bei Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern für sinkende Strompreise sorgen. Dabei geht es vor allem um ländliche Regionen.

Wegen einer neuen Kostenverteilung des Stromnetz-Ausbaus können schätzungsweise zehn Millionen Haushalte in vielen ländlichen Regionen Deutschlands im kommenden Jahr mit niedrigeren Energiepreisen rechnen. Bei der Reduzierung der Netzentgelte, die circa ein Viertel des Strompreises ausmachen, geht es um den Norden und Osten Deutschlands sowie um Bayern. Anderswo könnte es dagegen etwas teurer werden.

Netzentgelte werden von Gas- und Stromlieferanten als eine Art Gebühr an die Netzbetreiber gezahlt und an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeleitet. Auch die Kosten für den Stromnetzausbau werden auf die Netzentgelte umgelegt.

Zweistellige Reduzierung der Netzentgelte

In Deutschland gibt es rund 800 Stromnetzbetreiber. Der Energiekonzern E.ON teilte auf dpa-Anfrage mit, dass seine Verteilnetz-Töchter die Netzentgelte teilweise deutlich absenken. Diese Firmen decken etwa 700.000 Kilometer Stromleitungen ab und damit circa ein Drittel des gesamten deutschen Verteilnetzes. Bei Schleswig-Holstein Netz sinken die Netzentgelte im kommenden Jahr um 27 Prozent - sie ist für große Teile des nördlichsten deutschen Bundeslandes zuständig, allerdings nicht für die Großstädte Kiel und Lübeck.

Die in Brandenburg tätige E.DIS Netz GmbH reduziert die Entgelte um 20 Prozent. Bei dem ebenfalls in Ostdeutschland aktiven Unternehmen Mitnetz aus Cottbus wird es zehn Prozent günstiger. In Bayern geht es beim Bayernwerk Netz um elf Prozent runter und bei den Lechwerken um 27 Prozent. Bei anderen Firmen sinken die Entgelte ebenfalls zweistellig - etwa beim kommunalen Netzbetreiber Wemag aus Mecklenburg-Vorpommern.

Das hessische Unternehmen Syna hebt die Entgelte dagegen um fünf Prozent an und Westnetz aus NRW um ein Prozent. Beide Firmen gehören zu E.ON: Energiekunden, die in deren Netzgebieten wohnen, müssen sich also auf eine leichte Preiserhöhung einstellen.

Fairere Kostenverteilung durch neues System

Hintergrund der geänderten Entgelte ist eine Vorschrift der Bundesnetzagentur, die die finanziellen Lasten des milliardenschweren Umbaus der Energienetze auf andere Art verteilt als zuvor. Die Netze müssen vor allem dort stark ausgebaut werden, wo viel Ökostrom-Erzeugung entsteht - zum Beispiel angesichts der Windräder im Norden.

Allerdings wird nur ein Teil des Stroms vor Ort gebraucht, der andere Teil fließt gen Süden, um Großstädte oder Industriezentren zu versorgen. Dass der ländliche Teil von Bayern entlastet wird, liegt daran, dass dort viele Photovoltaik-Anlagen neu installiert wurden und die Netze deswegen aufwendig ausgebaut werden mussten.

Für den Ausbau der Netze mussten dünn besiedelte Regionen mit vielen Windrädern und Photovoltaik-Anlagen bislang mehr zahlen als Regionen mit relativ wenigen Windrädern und wenig Solaranlagen - obwohl diese Regionen von dem Stromzufluss profitierten. "Wir wollen faire Netzentgelte für die Menschen und Unternehmen, die in Regionen mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren leben beziehungsweise wirtschaften", begründet der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, das neue Regelwerk, das nun erstmals Anwendung findet.

Anbieter dürften sinkende Kosten weitergeben

Der Energieanbieter Wemag, der sowohl als Netzbetreiber als auch als Lieferant tätig ist, hat bereits angekündigt, die Entgeltsenkung seiner Netzbetreiber-Sparte in Mecklenburg-Vorpommern an die Kundinnen und Kunden weiterzureichen. Die Firma veröffentlicht eine Beispielrechnung: Ein durchschnittlicher Haushalt zahle bei einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden im kommenden Jahr 9,47 Cent pro Kilowattstunde statt zuvor 15,5 Cent - das wäre eine jährliche Reduzierung um rund 40 Prozent oder 211 Euro.

Andere Energiefirmen wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls entlasten. Sie müssen die Netzentgelt-Senkung zwar nicht unbedingt als niedrigeren Preis an den Endkunden weiterreichen, aufgrund des Wettbewerbs am Markt wird die Entlastung aber über kurz oder lang bei ihm ankommen. Würden die Energiefirmen den Preis nicht entsprechend senken, würden sie wohl Kunden verlieren.

Ökostrom-Anteil wächst weiter

Behördenchef Müller zeigt sich zufrieden mit der Entgeltentwicklung. "In vielen ländlichen Regionen Nord- und Ostdeutschlands und auch in Bayern lagen die Netzentgelte in der Vergangenheit zum Teil deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt", sagt er. "Es ist uns gelungen, dass diese Menschen bei den Netzentgelten deutlich entlastet werden." Nach den ersten Meldungen von Netzbetreibern geht die Behörde davon aus, dass das Entlastungsvolumen bei mehr als zwei Milliarden Euro liegen wird.

"Die Entlastung führt auf der anderen Seite zu überschaubaren zusätzlichen Kosten für alle Stromverbraucher in Deutschland", sagt der Behördenpräsident und fordert die Stromlieferanten auf, diese Vorteile zügig an den Endkunden weiterzugeben. "Kundinnen und Kunden sollten darauf achten, dass die Vergünstigungen bei ihnen ankommen oder ihren Lieferanten wechseln."

Zuletzt war der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung weiter gestiegen: In den ersten drei Quartalen deckte Elektrizität vor allem aus Windkraft, Sonnenlicht, Biomasse und Wasserkraft insgesamt rund 56 Prozent des Stromverbrauchs. Im vergangenen Jahr hatte der Neunmonatswert noch bei gut 52 Prozent gelegen. In bislang jedem Monat 2024 deckten die Erneuerbaren Energien den größten Teil des Stromverbrauchs - mit Anteilen zwischen 53 und 59 Prozent.