Luftaufnahme eines Feld, auf dem durch die Ernte grafische Strukturen entstanden sind.

Nach Extremwetter Landwirte beklagen schwache Ernte 

Stand: 22.08.2024 10:44 Uhr

Unwetter, feuchter Frühsommer, Pilzbefall, dann am Ende zu heiß: Für die Landwirte lief die Erntesaison alles andere als optimal - das spürt man auch an den Erträgen. Zwei Beispiele aus Baden-Württemberg. 

Von Fabian Siegel, SWR

"Bauern meckern nicht generell." Diese Botschaft ist Landwirt Stefan Kerner aus Erlenbach bei Heilbronn wichtig. Auch in dieser Erntesaison sei nicht alles schlecht gelaufen. Dem Nutzhanf, den er zur Produktion von Speiseöl anpflanzt, habe der viele Regen sogar gutgetan. "Das wird eine gute Ernte", prognostiziert er. Die Pflanze liebe feuchtwarmes Wetter, erzählt Kerner, während er durch die mannshohen Pflanzen streift und hier und da an den Blüten reibt, um ein paar Körner abzuschütteln, um sie auf ihre Qualität zu prüfen. "Die Hanfkörner sind sehr schön, sehr gleichmäßig", lautet sein Fazit. Bald kann er ernten. 

Das Problem: Hanf ist ein absolutes Nischenprodukt. 5.000 Hektar werden deutschlandweit angebaut. Zum Vergleich: Beim Weizen sind es 240.000. Und da sah die Ernte deutlich schlechter aus. 

 

Erträge wie im Dürrejahr

"Die Erträge sind vergleichbar mit dem sehr schlechten Dürrejahr 2018", sagt Kerner. Nur, dass es diesmal eben nicht die Dürre war, die den Landwirten zu schaffen machte, sondern der viele Regen. Ein viel zu feuchter Frühsommer habe zu großem Pilzbefall geführt, Unwetter die Aussaat verzögert oder ganze Äcker überschwemmt. Sonne gab es viel zu wenig. Das habe die Entwicklung der Pflanzen beeinträchtigt. "Die Folge", sagt Kerner, "ist viel Stroh auf dem Feld, aber leider doch wenig Korn."  

Bauernverband: "Stark unterdurchschnittliche" Getreideernte

Der Bauernverband erwartet in diesem Jahr eine "stark unterdurchschnittliche" Getreideernte von 39,3 Millionen Tonnen. Im vergangenen Jahr waren es noch 42 Millionen Tonnen. Sowohl die Mengen als auch die Qualität hätten in einigen Regionen unter den wiederkehrenden und teils sehr starken Niederschlägen gelitten, teilte der Verband mit. Die schlechte Ernte zeige "einmal mehr die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels".

Gut sei der viele Regen "größtenteils" für Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln und Gemüse gewesen, so der Bauernverband. Insbesondere die Kartoffeln hätten allerdings stark unter Kraut- und Knollenfäule gelitten. Bei den Zuckerrüben seien vermehrt neue Krankheiten aufgetreten. Im Obstbau seien "erhebliche Schäden" vor allem durch Spätfröste zu verzeichnen.

Bauernpräsident Joachim Rukwied machte auch "verfehlte gesetzgeberische Vorgaben" verantwortlich für die geringe Erntemenge. "Praxisferne und nicht-praktikable Vorgaben" müssten gestrichen werden. Es könne nicht sein, dass Qualitätsweizen nachgefragt werde, die Landwirte aber aufgrund immer neuer Vorschriften etwa bei der Düngung nur noch Futterweizen erzeugen könnten, kritisierte Rukwied. Auch die zunehmenden Einschränkungen beim Pflanzenschutz verschärften den Ertrags- und Qualitätsrückgang bei Getreide und Raps.

Wie bei fast allen Landwirten in Deutschland ist die Getreideernte bei ihm seit vergangener Woche abgeschlossen. Weil das Wetter zuletzt gut war, sei wenigstens das Ernten selbst reibungslos abgelaufen. Doch das, was er geerntet hat, sehe nur auf den ersten Blick gut aus. "Es ist so, dass generell die Proteinwerte und damit auch die Glutenwerte niedriger sind als die letzten Jahre, und das spiegelt sich in der Backqualität nieder", sagt Kerner. Die Folge: Wenn man aus diesem Getreide Brot backen möchte, ist der Teig nicht so gut dehn- und knetfähig. Korn in hervorragender Qualität sei deswegen umso mehr gefragt. 

 

Pilzbefall auch ein Problem

Als "spannend" und "speziell" beschreibt auch Obstbauer Andreas Beck aus Eberdingen nördlich von Stuttgart die diesjährige Ernte. Anders als beim Getreide geht es bei seinen Äpfeln erst richtig los. Seit Montag haben seine polnischen Erntehelfer alle Hände voll zu tun - zumindest, wo Frost und Regen nicht zugeschlagen haben. 

"Es kann sein, dass ein Feld verschont wurde und ein paar hundert Meter weiter gibt es viel schlechtere Erträge", berichtet Beck. Auch er hatte mit Pilzbefall zu kämpfen, am Ende war es dann so heiß, dass einige Äpfel auch noch Sonnenbrand bekommen haben.  

 

Wird Extremwetter die Regel?

In Zukunft müssen sich die Landwirte durch den Klimawandel darauf einstellen, dass Sommer mit Extremwetter-Bedingungen häufiger, vielleicht sogar die Regel werden. Obstbauer Andreas Beck hat schon reagiert und seine Anbaufläche verringert, damit er sich intensiver um die verbleibenden Pflanzen kümmern kann. Bei den Beeren setzt er verstärkt auf Folientunnel. Qualität statt Quantität ist das Motto. Teurer werde das Obst durch die durchwachsene Ernte aber wohl erstmal nicht - es gebe nur eventuell durch die geringeren Mengen weniger Angebotsware im Supermarkt. 

Ein Fazit ziehen beide Landwirte nach dieser Erntesaison: Ganz ohne Pflanzenschutz hätten sie bei dem extrem hohen Pilzbefall eine noch schlechtere Ernte eingefahren. Auch wenn die Reduktion sinnvoll sei, sagt Stefan Kerner in Erlenbach, und er alles dafür tue - ganz ohne gehe es schlichtweg nicht in solchen Extremjahren. Wer Pflanzenschutzmittel eingesetzt habe, habe bis zu 25 Prozent höhere Erträge als diejenigen, die nicht wollten oder aufgrund von Bio-Vorgaben nicht konnten. "Es ist ein bisschen wie beim Mensch: Wenn wir krank sind und etwas dagegen nehmen, gehen wir einfach anders durchs Leben", sagt Kerner. Bei Pflanzen sei das genauso.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 22. August 2024 um 10:20 Uhr.