Kolumne Euroschau Höchste Zeit für die Zinswende
Die Zeit der historisch niedrigen Leitzinsen wird heute wohl vorbei sein. Unverblümt kündigte die Europäische Zentralbank eine Erhöhung an. Der Schritt ist eine Folge der steigenden Inflation und soll vor allem die Deutschen beruhigen.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR
Notenbanker sind normalerweise ziemlich vorsichtige Zeitgenossen. Jedes Wort, das sie öffentlich von sich geben, wägen sie mehrmals ab. Eine ganze Armada von Ökonomen und Börsianern interpretiert dann, was eigentlich gesagt und gemeint wurde. Umso überraschender war, dass Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Anfang März deutlich wurde: Die Zinsen würden im April steigen, wenn sich die Lage nicht ändere, sagte er unverblümt auf der damaligen Pressekonferenz. So klare Aussagen gab es selten.
Ende der historisch niedrigen Leitzinsen
Trichet und seine Kollegen aus dem EZB-Direktorium wiederholten diese Bemerkungen in den folgenden Wochen mehrmals. Somit ist klar: Heute werden die historisch niedrigen Leitzinsen steigen. Seit knapp zwei Jahren verharren sie bei einem Prozent. Der Anstieg wird nicht dramatisch. Aber es wird immerhin ein Zeichen sein. Vermutlich wird diese Zinswende der Auftakt zu einer Reihe weiterer Erhöhungen in diesem Jahr. Mehrere kleine Schritte sind wahrscheinlich.
Dem EZB-Rat bleibt auch nicht anderes übrig, wenn er glaubwürdig bleiben will: Im März stieg die Inflationsrate im Euroland erneut rasant auf 2,6 Prozent - eine Folge weiter steigender Preise für Lebensmittel, Rohstoffe und Energie. Die Rate liegt deutlich über dem selbst gesteckten Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von unter zwei Prozent.
Sorgen der deutschen Verbraucher
Wie an den Finanzmärkten zu hören ist, zielt die Erhöhung auch auf deutsche Verbraucher. Denn der EZB-Rat macht sich Sorgen über die Haltung der Deutschen zum Euro. Die werden immer skeptischer, weil sie Angst vor Inflation haben. Sie fürchten, der Euro werde angesichts der Schuldenkrise in Europa mittelfristig zur Weichwährung verkommen. Mangelnde Unterstützung für den Euro hierzulande lässt in Europa aber die Warnlampen blinken. Schließlich braucht man die Deutschen für weitere finanzielle Leistungen im Zuge des Umbaus der EU zu einer Transferunion, den die klammen südeuropäischen Staaten auf den Weg gebracht haben.
Auch die Katastrophe in Japan dürfte an der Entscheidung der EZB nichts ändern - ganz im Gegenteil. Denn gerade Nippon profitiert von steigenden Leitzinsen im Euroland. Dadurch steigt nämlich der Wert des Euro, weil er für Anleger attraktiver wird. Das wiederum senkt den Wert des Yen - ein Segen für das exportabhängige Japan. Das Land kann sich einen zu hohen Außenwert seiner Währung nicht leisten. Denn angesichts der Inkompetenz der Regierung in Tokio, die Atomkatastrophe in den Griff zu bekommen, wird Japan noch genug Probleme haben, seine Waren zu verkaufen. Wer will schon potenziell verstrahlte Produkte in seinem Haushalt?
Ein großes Drama für Wirtschaft und Finanzwelt wäre die Leitzinserhöhung nicht. Angesichts der boomenden Konjunktur ist es für deutsche Unternehmen kein Problem, etwas mehr für Kredite zu zahlen. Investitionen werden bei einer moderaten Zinserhöhung nicht zurückgestellt. Und auch die Spekulanten an den Börsen hatten jetzt lange genug billiges Geld, um ihr Unwesen zu treiben. Es ist daher zu begrüßen, wenn die EZB handelt und ein Signal setzt. Es ist höchste Zeit.
Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.