Bankenaufseherin Claudia Buch "Müssen sehr wachsam sein, was die Zukunft angeht"
Claudia Buch ist die Chef-Bankenaufseherin der EU. Wie es Europas Geldinstituten angesichts von Konjunkturflaute und vielen Firmenpleiten geht, erklärt sie im Interview mit der ARD-Finanzredaktion.
ARD-Finanzredaktion: Die angespannte Konjunkturlage in Deutschland und in der gesamten Eurozone macht große Sorgen. Die Zinsen sinken tendenziell, damit auch die Einnahmen der Banken. Wie stellt sich vor diesem Hintergrund die aktuelle Lage der großen europäischen Banken dar?
Claudia Buch: Wir haben jetzt die Ergebnisse unseres jährlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses der Bankenaufsicht vorgestellt. Man kann sich das wie so einen jährlichen Check-Up vorstellen, den wir für den europäischen Bankensektor machen. Und man muss sagen: der europäische Bankensektor ist robust. Wir haben eine gute Profitabilität. Auch die Qualität der Forderungen an die Kunden ist gut. Von daher ist es erst einmal ein positives Ergebnis.
Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Krisen, die wir ja in den vergangenen Jahren durchaus hatten, sehr stark über wirtschaftspolitische Maßnahmen aufgefangen worden sind. Und über fiskalpolitische Maßnahmen, sodass die zum Teil schweren Verluste nicht wirklich in den Bankbilanzen angekommen sind.
Natürlich gibt es mit Blick auf die Zukunft eine ganze Reihe von Themen und Risiken, mit denen wir uns beschäftigen. Und da ist sicherlich das, was sie erwähnt haben - nämlich das schwache Wirtschaftswachstum, auch die steigenden Insolvenzen, die wir in einigen Ländern des Euroraums sehen - ein Thema.
Im Moment ist aber auch diese Entwicklung noch nicht in den Bankbilanzen angekommen. Tatsächlich sind die sogenannten "notleidenden Forderungen" auf einem historischen Tiefstand von etwa 2,2 Prozent, gemessen an den gesamten Forderungen. Wir sehen ganz leichte Anstiege im Bereich von Gewerbeimmobilien, auch bei Forderungen an kleine und mittelständische Unternehmen. Also wir sind da schon sehr wachsam. Das ist die Situation, die wir im Moment haben.
Die 58-Jährige habilitierte Volkswirtin aus Paderborn war zuvor Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank und einige Jahre Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise"). Zuvor war sie beim Kieler Institut für Weltwirtschaft tätig und lehrte an zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen. Buch gilt seit Jahren als ausgewiesene und führende Expertin für die Aufsicht und Überwachung von Finanzinstituten.
ARD-Finanzredaktion: Insgesamt hat man den Eindruck, dass der Bankensektor also relativ stabil ist und sich nach der Krise ganz gut erholt hat. Ihre Institution ist ja als Antwort auf die Finanzkrise von 2008/2009 gegründet worden. War es tatsächlich richtig und sinnvoll, die 113 größten europäischen Banken, auf die Sie schauen, noch einmal ganz konkret und ganz speziell unter die Lupe zu nehmen, um damit tatsächlich die Situation im Euroraum zu stabilisieren?
Buch: Absolut. Die Bankenunion war, denke ich, eine ganz wesentliche Antwort auf die globale Finanzkrise, aber auch auf die europäische Schuldenkrise. Wir können die Banken jetzt sehr viel besser miteinander vergleichen. Am Ende ist das auch für die Banken eine relevante Information. Denn wir können einheitliche Standards anwenden für die signifikanten Banken, die ja unter unserer direkten Aufsicht sind.
Wir können die Banken miteinander vergleichen und wir können einheitliche Aufsichtsprozesse umsetzen. Und die Erfolge sieht man: wie gesagt etwa bei den notleidenden Forderungen. Die Zahl von jetzt ungefähr zwei Prozent war deutlich höher - sie lag bei sieben und teilweise zehn Prozent. In einigen Ländern des Euroraums war sie sogar noch höher. In den besonders betroffenen Ländern lagen die "notleidenden Forderungen" bei fast 50 Prozent.
Im Vergleich dazu ist die heutige Situation eine sehr, sehr starke Verbesserung. Aber: Finanzstabilität und Aufsicht sind nie etwas, dass man für gegeben hinnehmen sollte. Wir haben viele Risiken um uns herum und müssen deswegen auch sehr wachsam sein, was die Zukunft angeht.
"Es wäre gefährlich zu sagen, wir können laxer werden"
ARD-Finanzredaktion: In den angelsächsischen Ländern und da insbesondere auch beim designierten neuen Präsidenten der USA, Donald Trump, gibt es Überlegungen, zumindest einen Teil der Regulierungen wieder zurückzufahren. Wie stehen Sie dazu? Ist das ein Modell auch für Europa?
Buch: Nun ja, ich möchte nicht kommentieren, welche politischen Entscheidungen in anderen Ländern getroffen werden. Man muss da auch abwarten, was jetzt tatsächlich passiert. Aber es ist ganz klar: die Erfolge guter Aufsicht und Finanzstabilität werden in ruhigen Zeiten schnell vergessen - auch die Erfolge, die wir mit der noch strengeren Aufsicht erreicht haben.
Wir müssen einfach sehen - und dafür gibt es sehr, sehr viele Studien, die das auch belegen - dass besser kapitalisierte Banken letztlich wettbewerbsfähiger sind. Sie können mehr und bessere Kredite an die Realwirtschaft geben. Daher wäre es gefährlich zu sagen, wir können jetzt etwas laxer werden.
Ich glaube, wir müssen wirklich die guten Standards, die wir haben, weiter behalten. Am Ende ist das im Interesse der Einleger von Banken, etwa den Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn für die arbeiten wir. Sie sind darauf angewiesen, dass die Banken wirklich stabil und solide sind.
Informationssysteme noch ein wunder Punkt bei vielen Banken
ARD-Finanzredaktion: Trotzdem gibt es natürlich einige Macken, die die Institute im Euroraum haben, die wir Verbraucherinnen und Verbraucher ja manchmal auch ganz gut mitbekommen, insbesondere bei der Digitalisierung. Da hat es gerade hier in Deutschland, zum Beispiel bei der Postbank, große Probleme gegeben, aber durchaus auch europaweit. Da müssen die Institute schon noch einiges tun, oder?
Buch: Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema. Das hat auch etwas mit den geopolitischen Risiken zu tun - nämlich, dass das Management der Banken sehr gute Informationen darüber braucht, um wirklich die Risiken steuern und managen zu können.
Und wir finden häufig in den Banken - nicht bei allen, aber eben doch häufig - nach wie vor Defizite in den internen Informationssystemen. Also etwa, wie schnell, wie verlässlich das Management Informationen bekommt, wie die Lage der Bank aktuell ist, um dann darauf reagieren zu können. Da geht es um die Qualität von Informationssystemen, über die wir uns in Zukunft noch intensiver kümmern müssen.
Wir haben dazu auch schon Empfehlungen für die Banken ausgegeben, aber wir sehen auch, dass es da durchaus noch Defizite bei der Umsetzung gibt. Natürlich ist auch Cybersicherheit ein ganz wesentliches Thema, auf das wir achten und auf das die Banken achten müssen. Es ist auch ein Bereich, an dem wir sehr intensiv arbeiten.
Was für engere Zusammenarbeit der Banken spricht
ARD-Finanzredaktion: Sie haben die Bankenunion angesprochen, wir sehen eine enge Zusammenarbeit zwischen den europäischen Instituten in vielen Bereichen. Da kommt natürlich die Frage und das Ansinnen auf, dass Institute zusammengehen oder fusionieren. Ihr Haus hat sich eindeutig dafür ausgesprochen, dass europäische Banken enger zusammenarbeiten sollten. Wo sehen Sie die Vorteile?
Buch: Ein guter, wirklich nachhaltig integrierter Bankenmarkt, in dem auch Risiken diversifiziert werden können, ist natürlich gut für die Finanzstabilität. Wir haben eben über das Thema Digitalisierung gesprochen, hier bietet der Binnenmarkt viele Vorteile.
Er bietet Banken auch die Möglichkeit, Skalen-Vorteile zu nutzen. Das sind ganz klar die Vorzüge von mehr Integration, die am Ende dann auch der Stabilität zugutekommen. Deswegen muss man das sicherlich positiv bewerten.
Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass die Tätigkeit in einem größeren Markt und über Grenzen hinweg neue Komplexitäten für das Management mit sich bringen. So müssen etwa IT- Systeme integriert werden. Es gibt also durchaus auch Risiken, die mit Integration verbunden sind. Und auf die müssen wir dann wiederum auch einen Blick werfen.
Die Fragen stellte Klaus-Rainer Jackisch, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redaktionell bearbeitet.