Junge Aktionäre Wie junge Menschen investieren
Immer mehr junge Menschen investieren ihr Geld an der Börse. Doch wie nachhaltig ist dieser Trend? Und wie wirken sich die aktuellen Turbulenzen am Markt aus?
Geld an der Börse anzulegen war noch nie so einfach wie aktuell: Mit einem Klick können Anleger über Trading Apps Aktien kaufen und verkaufen. Überall und jederzeit. Vor allem für junge Menschen ist das attraktiv. Denn über die Apps haben sie ihr Depot jederzeit dabei und können ohne Umwege an der Börse handeln.
Während der Pandemie erlebten Aktien und Fonds bei jungen Menschen, auch befeuert durch die Trading Apps, einen Boom. Die Zahl der Aktionäre im Alter unter 30 Jahren stieg innerhalb eines Jahres von 2019 bis 2020 sprunghaft um 577.000 Menschen an. Das geht aus einer Studie des Deutsche Aktieninstituts hervor. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der jungen Anleger erneut einen Höchststand: Laut der Statistik des Deutschen Aktieninstituts haben mittlerweile rund 1,5 Millionen Menschen unter 30 Jahren Aktien oder Fonds.
Hält dieser Trend an?
Alexandra Niessen-Ruenzi, Prodekanin für Forschung und Direktorin des Center for Doctoral Studies in Business an der Universität Mannheim, bezweifelt allerdings, dass dieser Trend lange anhält und wirklich nachhaltig ist: "Die vorsichtige Hoffnung, die vielleicht im Rahmen der Pandemie aufgekommen war, dass es jetzt mehr junge Leute gibt, die sich doch für den Kapitalmarkt interessieren und ihr Geld dort investieren, die teile ich nicht unbedingt."
Man könne bereits beobachten, dass sich junge Menschen wieder von den Trading Apps abwenden: "Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Trading Apps in die Bredouille geraten. Denn eben diese Begeisterung, die noch zu Beginn der Pandemie vorgeherrscht hat, hat sich jetzt doch deutlich abgekühlt", sagt die Finanzmarktforscherin im Gespräch mit tagesschau.de. Die Trading Apps hätten nämlich vor allem dafür gesorgt, dass junge Leute zum Zeitvertreib in der Pandemie anfingen, Aktien zu kaufen: "Das war leider eher im Sinne eines Glücksspiels und nicht im Sinne eines langfristigen Vermögensaufbaus."
Angst vor dem Telekom-Effekt
Nun habe sich mit dem Krieg in der Ukraine die wirtschaftliche Situation grundlegend verändert: "Wir sehen an den Börsen derzeit eine hohe Unsicherheit und deutliche Schwankungen bei den Kursen. Das hat viele dieser jungen Anleger, die vor zwei Jahren erst angefangen haben, am Kapitalmarkt anzulegen, zum Teil schon beträchtliche Summen gekostet." Darum fürchtet die Expertin, dass die aktuellen negativen Entwicklungen junge Menschen abschrecken könnten: "Was man jetzt aus finanzwirtschaftlicher Sicht befürchtet, ist so eine Art Telekom-Effekt. Nach dem Motto: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer."
Die Telekom-Aktie wurde am 18. November 1996 ausgegeben. 1,9 Millionen Privatanlegern kauften gleich beim ersten von insgesamt drei Börsengängen die Aktie. Das Papier wurde zur Volksaktie - bis zu ihrem Absturz 2001. Die Aktie verlor damals fast 90 Prozent. Für die Aktienkultur in Deutschland hatte das verheerende Folgen. Nachdem die Zahl der Aktionäre in Deutschland bis zur Jahrtausendwende auf zwölf Millionen gewachsen war, ging sie in den Folgejahren wieder deutlich zurück.
Interesse an Finanzthemen
Gerrit Fey, Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte beim Deutschen Aktieninstitut, teilt die Befürchtung von Alexandra Niessen-Ruenzi nicht: "Wir sind optimistisch, dass sich junge Menschen dauerhaft am Aktienmarkt beteiligen." Zum einen hätten viele Jüngere angefangen, in Fondssparpläne zu investieren. "Das ist ein Instrument, bei dem man kontinuierlich Monat für Monat kleinere Beträge in ein breit gestreutes Portfolio investiert und so einen Vertrag kündigt man nicht ohne weiteres", so der Experte.
Zudem hätten sich viele junge Menschen während der Pandemie sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt: "Junge Menschen haben viel dazu gelernt und interessieren sich einfach für das Thema Geldanlage. Darum glauben wir, dass da eine Basis bei jungen Menschen geschaffen ist, die sich verfestigen kann", so der Experte des Deutschen Aktieninstituts.
Mehr Finanzmarktbildung gefordert
Dennoch sehen die beiden Experten auch noch viel Nachholbedarf: "Wir brauchen dringend mehr Finanzmarktbildung in Deutschland. Auch, weil Bereiche wie die private Altersvorsorge immer wichtiger werden, sich aber in der Finanzplanung vieler junger Menschen häufig nicht wiederfinden", so Niessen-Ruenzi. Dem stimmt auch Fey zu. Denn um eine Aktienkultur in Deutschland zu etablieren, müsse zuerst das Wissen über die Vorgänge am Aktienmarkt in der Bevölkerung vermittelt werden.
Dazu gehört auch, dass man sich als Kleinanleger nicht von den aktuellen Turbulenzen am Aktienmarkt beeinflussen lassen sollten. Denn die Investments sollten langfristig angelegt sein, um etwa fürs Alter vorzusorgen. Die besten Tipps einer turbulenten Zeit wie der aktuellen seien also: Ruhe bewahren und sich nicht verunsichern lassen.