Händler an der New York Stock Exchange.
marktbericht

Gedämpfte Zinshoffnungen Die Wall Street lahmt

Stand: 30.09.2024 22:20 Uhr

Zum Wochenstart haben sich die US-Anleger schwer damit getan, neue Kaufargumente zu finden. Vorsichtige Äußerungen von Notenbankchef Jerome Powell bremsten dabei lange den Tatendrang der Optimisten.

Wer heute an der Wall Street nach den ermutigenden Inflationsdaten vom Freitag auf weitere kräftige Zinsimpulse durch Notenbankchef Jerome Powell gesetzt hatte, wurde enttäuscht. Die großen Aktienindizes kamen unter der Führung des Leitindex Dow Jones, der nahezu unverändert bei 42.330 Punkten aus dem Handel ging, lange nicht wirklich auf die Beine und blieben meist leicht im Minus. Erst im späten Geschäft drehten sie dann zum Quartalsschluss noch moderat ins Plus.

Die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten verstärkten zudem die Nervosität, da viele Anleger abwarten, wie der Iran auf die Tötung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah durch Israel reagieren wird.

Der breiter gefasste S&P 500 schaffte im Schlussspurt noch einen Tagesgewinn von 0,42 Prozent auf 5.762 Punkte. Ebenso der Index der Technologiebörse Nasdaq, der 0,38 Prozent zulegte auf 18.189 Zähler. Danach hatte es lange nicht ausgesehen.

"Der Markt hatte ein Wochenende Zeit, um die Daten zu verarbeiten und zu verstehen, dass eine Senkung um 50 Basispunkte tatsächlich ein Zeichen dafür ist, dass es ein Problem gibt", sagte Robert Conzo von Wealth Alliance. "Wir sollten die Zinsen in gemäßigterem Tempo senken." Die mit einer deutlichen Zinssenkung um 0,5 Prozent von der US-Notenbank vor knapp zwei Wochen eingeleitete Zinswende hatte die Kurse zuletzt angetrieben.

Konkret sagte Powell auf einem Treffen einer Wirtschaftsvereinigung in Nashville, dass man mit der Zeit wieder zu einer eher neutralen Geldpolitik zurückkehren werde, sofern sich die Wirtschaft weitgehend wie erwartet entwickele. Eine neutrale Geldpolitik bedeutet, dass die US-Notenbank die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Powell rechnet in diesem Jahr noch mit zwei weiteren Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte.

Ein geringerer Anstieg von Inflationsdaten als erwartet hatte zuletzt die Spekulationen der Anleger auf weiter sinkende Zinsen befeuert. Sogar ein weiterer großer Zinsschritt von 50 Basispunkten war zuletzt an den Märkten diskutiert worden, die heutigen Worte Powells sprechen aber dagegen. Im Fokus stehen nun vor allem die US-Beschäftigtenzahlen am Freitag sowie zur Wochenmitte die Daten der privaten Arbeitsagentur ADP.

Bei den Einzelwerten gaben die US-Automobilhersteller Ford und General Motors deutlicher nach, nachdem Rivale Stellantis zuvor seine Jahresprognose eingestampft hatte. Dem französisch-italienischen Autobauer machen volle Lagerbestände in den USA und die weltweit schwächere Nachfrage nach Autos zu schaffen. Zum Stellantis-Konzern gehört in den USA der Traditionskonzern Chrysler.

In den USA notierte chinesische Aktien zeigten sich im frühen Geschäft noch in starker Verfassung, danach machten die Anleger dann aber Kasse, so dass sie ihre klaren Anfangsgewinne wieder abgaben.

Sie profitierten zuletzt von weiteren Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft im Reich der Mitte. Chinas Zentralbank hatte in der Vorwoche unter anderem die Mindestreserve für Banken reduziert, um der angeschlagenen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Zudem kündigten Chinas politische Entscheidungsträger aggressive Stimulierungsschritte an, um den angeschlagenen Immobiliensektor zu stützen.

Dies sorgte heute an den chinesischen Börsen für massive Kursaufschläge. So schnellte der Leitindex CSI 300 mit den wichtigsten chinesischen Festlandwerten um 8,5 Prozent nach oben.

Am letzten Handelstag im September dominierten an der Börse trotz guter asiatischer Vorgaben die roten Pfeile. Der DAX gab zum Wochenstart 0,76 Prozent nach und schloss bei 19.324 Punkten nahe seines Tagestiefs, das bei 19.914 gelegen hatte. Im Tageshoch wurden zwar 19.449 Punkte erreicht, das Niveau konnte aber nicht gehalten werden. Der MDAX der mittelgroßen Werte gab deutlicher um 1,31 Prozent auf 26.853 Zähler nach.

Unter den größten Verlieren im DAX standen mit der VW-Tochter Porsche, aber auch mit der Holding Porsche SE gleich zwei Papiere aus dem VW-Konzern. Über die Porsche SE halten die Familien Piech und Porsche die Mehrheit der Stammaktien an Volkswagen. Auch die ebenfalls im Leitindex enthaltenen Vorzüge der Kernmarke gaben über zwei Prozent nach und vervollständigten damit ein schwaches Branchenbild.

BMW und Mercedes, die zuletzt Gewinnwarnungen ausgesprochen hatten, sowie Zulieferer Continental sackten ebenfalls ab. Die Autobauer drohen vor allem im besonders wichtigen chinesischen Markt den Anschluss an die E-Wende zu verlieren. Gleichzeitig kommt diese hierzulande einfach nicht in Gang, worunter auch andere europäische Hersteller leiden.

Da zudem US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump der Industrie unverhohlen mit massiven Zöllen droht, sollte er am 5. November die Wahl gewinnen, zogen sich die Anleger zurück.

Gefragt waren in einem wackligen Umfeld wie heute dafür wie meist defensive Titel, etwa Henkel, aber auch die T-Aktie. Tagessieger waren die Papiere des Bad Homburger Gesundheitskonzerns Fresenius, die über 1,8 Prozent gewannen.

Die VW-Vorzugsaktie stand nach der erneuten Gewinnwarnung vom Freitagabend am Nachmittag besonders im Blick. Das Papier bleibt weiter unter 100 Euro, nachdem es im Frühjahr im Jahreshoch noch etwas über 128 Euro gekostet hatte.

Vor allem bei der ohnehin stark angespannten Kernmarke VW Pkw läuft es den Angaben zufolge schlechter als erwartet. VW habe mit seiner Gewinnwarnung die drei großen deutschen Autobauer in diesem Monat komplett gemacht, schrieb Analyst Stephen Reitman vom Analysehaus Bernstein.

Dass VW unter Druck steht, war Beobachtern nach den jüngsten Ereignissen sowie Gewinnwarnungen von Konkurrenten und Zulieferern allerdings schon klar gewesen, so dass sich die Tagesverluste in Grenzen hielten. Bei der Porsche SE-Aktie belastete zusätzlich eine gestrichene Kaufempfehlung der Investmentbank Stifel. Das bisherige Votum habe auf robusten Barmittelzuflüssen bei VW und steigenden Dividendenquoten basiert, hieß es zur Begründung.

Außerhalb der schlechten Nachrichten aus der Autobranche aber hat sich der DAX im September gut entwickelt. Eilt dem Monat an den Märkten doch sein Ruf als schwächster Börsenmonat des Jahres voraus. Im statistischen Schnitt mussten Anleger in den letzten 35 Jahren einen Rückschlag von 6,1 Prozent im Deutschen Aktienindex einkalkulieren. Erst nach Halloween, also ab November, steigen für gewöhnlich wieder die Kurse.

Nicht so in diesem Jahr: Das Kursplus im deutschen Leitindex belief sich im September auf 2,2 Prozent. "Gelingt es, dieses Kursplus über die Ziellinie des Monatsultimo zu bringen, wäre es die erste positive September-Performance seit 2019", betonten die charttechnisch argumentierenden Analysten von HSBC.

Sie verwiesen zudem darauf, dass auch der DAX-Kursindex, also ohne die Berücksichtigung der Dividenden, zuletzt ein Allzeithoch markieren konnte und damit eine Bestätigung der jüngsten Rally im DAX-Performanceindex lieferte.

Fundamentale Haupttreiber waren die Zinswende in den USA und in Europa, aber auch das jüngste chinesische Konjunkturprogramm, das für viel Fantasie sorgt(e). Marktbeobachter trauen dem DAX daher weitere Gewinne zu.

Dafür müsste der Index, der sich weiter in einem übergeordneten Aufwärtstrend befinde, lediglich den nahen Rekord von knapp 19.492 Punkten hinter sich lassen, schreibt Charttechniker Martin Utschneider vom Finanzinformationsdienstleister Finanzethos. Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners warnte hingegen vor zu hohen Erwartungen an die chinesischen Konjunkturmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft.

Update Wirtschaft vom 30.09.2024

Anne-Catherine Beck, HR, Update Wirtschaft, 30.09.2024 09:00 Uhr

Rückenwind für die Börse kommt von Fortschritten beim Kampf gegen die Inflation. Diese hat sich im September vorläufigen Daten zufolge weiter abgeschwächt und das niedrigste Niveau seit Februar 2021 erreicht. Die Verbraucherpreise stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden in einer ersten Schätzung am frühen Nachmittag mitteilte.

Im August hatte der Preisanstieg bei 1,9 Prozent gelegen. Besonders stark wirkte sich ein deutlicher Rückgang der Energiepreise aus, während Dienstleistungen sich weiterhin überdurchschnittlich stark verteuerten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt das Abebben der Inflation nach Aussage ihrer Präsidentin Christine Lagarde mit Optimismus. "Die jüngsten Entwicklungen stärken unsere Zuversicht, dass die Inflation zeitnah wieder auf das Zielniveau zurückkehren wird", sagte Lagarde am Montag bei einer Anhörung im Europa-Parlament in Brüssel. "Wir werden das bei unserer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen." Das Zielniveau der EZB, aber auch der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) liegt bei 2,00 Prozent.

"Die Kernrate ist von einigen wenigen Posten getragen, wie etwa Kfz-Versicherungen oder Mahlzeiten in Restaurants", erklärte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.

Diese Effekte seien "kein Zeichen anhaltenden Inflationsdrucks". Schwankungen seien in den kommenden Monaten aufgrund der Energiepreise möglich, aber "die Inflation ist derzeit klar keine relevante Gefahr mehr für die deutsche Wirtschaft", ist sich Dullien sicher. Bei der Kernrate der Inflation werden die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert.

Der Euro fand heute lange keine klare Richtung und wechselte des Öfteren das Vorzeichen. Im US-Handel fiel die Gemeinschaftswährung nach den mäßigenden Worten von Fed-Chef Powell dann weiter zurück und wurde zuletzt bei 1,1134 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1196 (Freitag: 1,1158) Dollar noch deutlich höher fest.

Im Blick standen neben den deutschen Preisdaten auch solche aus anderen europäischen Ländern. Bereits in der vergangenen Woche war die Inflation in Frankreich und Spanien deutlich gefallen. Morgen werden die Zahlen für den gesamten Währungsraum veröffentlicht. Hier wird mittlerweile fest mit einem Rückgang der Inflationsrate unter das Ziel der EZB von zwei Prozent gerechnet.

"Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die Europäische Zentralbank unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank, die Zinsen schneller zu senken", kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. "Die EZB braucht aber nicht in Zinssenkungspanik zu verfallen, da ihre Leitzinsen bereits deutlich unter den US-Zinsen liegen."

Der Goldpreis schwächte sich am späten Nachmittag um rund 1,3 Prozent ab auf zuletzt 2.629 Dollar. Damit entfernte er sich ein Stück weiter vom jüngsten Rekordhoch, das in der vergangenen Woche bei 2.685 Dollar aufgestellt wurde.

Der Ölriese Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) steht einer Zeitung zufolge vor dem Kauf des Chemiekonzerns Covestro für mehr als 13 Milliarden Dollar. Wie das Wall Street Journal am Montag unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Personen berichtete, könnte der Konzern aus Abu Dhabi den Deal noch in dieser Woche bekanntgeben.

Ende August hatten Insider der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass Adnoc vor dem Abschluss der Due Diligence für die Übernahme von Covestro stehe. Der Leverkusener Kunststoffkonzern hatte Ende Juni erklärt, mit Adnoc in konkrete Verhandlungen einzutreten.

Covestro ist die ehemalige Kunststofftochter von Bayer, die der Pharma- und Agrarkonzern 2015 an die Börse gebracht hatte. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 17.500 Mitarbeitende, davon knapp 7.000 in Deutschland. Covestro fertigt Vorprodukte für die Auto-, Möbel-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie. Sie finden sich etwa im Schaumstoff von Matratzen, Autositzen, aber auch in Windturbinenblättern.

Covestro-Aktie stiegen nachbörslich deutlich um über fünf Prozent und hatten schon während es Xetra-Handels knapp hinter Tagessieger Fresenius zu den größten Gewinnern im DAX gehört.

Aktien des Autobauers Stellantis fielen nach einem gekappten Gewinnausblick des Autokonzerns um über 14 Prozent auf den tiefsten Stand seit Ende 2022. Wegen anhaltender Probleme im wichtigen nordamerikanischen Markt und wegen der schwachen Branchenlage hatte der Vielmarkenkonzern (unter anderen Opel, Peugeot, Citroen, Fiat, Chrysler, Jeep, Alfa Romeo) seine Gewinnerwartungen für dieses Jahr zusammengestrichen.

Unterbrochene Lieferketten und eine Schwäche in China setzen auch dem britischen Sportwagenhersteller Aston Martin zu. Der Vorstand erwarte im Gesamtjahr daher einen niedrigeren Kerngewinn als bislang in Aussicht gestellt, teilte Aston Martin heute mit. Zudem werde der Cash Flow im ersten Halbjahr wohl nicht positiv ausfallen.

Die Deutsche Börse bekommt zum Quartalswechsel einen neuen Co-Vorstandschef. Stephan Leithner tritt das Amt mit Wirkung zum 1. Oktober an und leitet den DAX-Konzern dann zusammen mit Theodor Weimer. Dieser wird Deutschlands größten Börsenbetreiber nach sieben Jahren Ende 2024 verlassen und dann von Leithner als alleinigem Chef abgelöst.

Eine überraschende Prognosesenkung hat heute die Gerresheimer-Aktionäre geschockt. Die Papiere brachen um mehr als 18 Prozent auf 80,00 Euro ein und rutschten damit an das MDAX-Ende. Der Düsseldorfer Pharma-Verpackungshersteller senkte seine Wachstums- und Gewinnprognosen für dieses und das kommende Jahr. Hintergrund sei die deutlich langsamer als erwartete Markterholung 2024 und das niedriger als erwartete Marktwachstum 2025 im Markt für Injektionsfläschchen.

Dennis Grimm, neuer Chef der Stahlsparte bei Thyssenkrupp kündigt härtere Einschnitte an als bisher geplant. "Die aktuelle Marktlage hat sich in den vergangenen Monaten nochmal verschlechtert, und eine Erholung ist leider nicht in Sicht", sagte Grimm der WAZ. Darauf müsse Deutschlands größter Stahlkonzern reagieren. Die Einschnitte könnten deshalb tiefer ausfallen als bisher geplant.

Der Online-Broker Flatexdegiro beginnt nach der Genehmigung durch die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sein angekündigtes Aktienrückkaufprogramm. Vom 1. Oktober 2024 bis spätestens 7. Mai 2025 sollen maximal gut 11 Millionen Anteilscheine für bis zu 50 Millionen Euro erworben werden, teilte das Unternehmen am Abend mit. Ende Juli hatte Flatexdegiro bereits angekündigt, den Großteil des bilanziellen Nettogewinns aus dem Geschäftsjahr 2023 von 71,9 Millionen Euro für das Aktienrückkaufprogramm verwenden zu wollen.

Das Spezialchemie-Unternehmen Alzchem Group wird den ausscheidenden Antriebsspezialisten Vitesco im SDAX ersetzen. Wirksam wird die neue Indexzusammensetzung zum 2. Oktober. Vitesco wurde vom Auto- und Industriezulieferer Schaeffler übernommen und soll Anfang Oktober auf diesen verschmolzen werden. Heute ist voraussichtlich der letzte Handelstag für die Vitesco-Aktie.

Dem Börsengang des Wissenschaftsverlags Springer Nature steht wohl nichts mehr im Wege. Die Aktien würden nicht unter 22,50 Euro ausgegeben, teilten die begleitenden Investmentbanken heute großen Investoren mit. Die Emission sei auf diesem Niveau vielfach überzeichnet. Die Zeichnungsfrist läuft noch bis morgen, am Freitag soll das Unternehmen sein Debüt an der Frankfurter Börse feiern.

Wegen des hohen Krankenstands im Tesla-Werk in Grünheide will sich Firmenchef Elon Musk persönlich ein Bild von der Lage machen. "Das klingt verrückt. Ich schaue mir das an", kommentierte er einen X-Post, der den vermeintlich außergewöhnlich hohen Krankenstand des Werks zum Thema hatte.

Tesla hatte vor Kurzem dadurch Aufsehen erregt, dass es häufig krankgemeldeten Beschäftigten des Werks in Grünheide Hausbesuche abstattete.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. September 2024 um 09:00 Uhr.